Das World Economic Forum

Alle Jahre wieder versammeln sich die «Global Leaders» zum World Economic Forum in Davos. Und hartnäckig und unermüdlich versammeln sich bei eisigen Temperaturen parallel dazu auch die KritikerInnen einer ungerechten Globalisierung. Mit von der Partie ist auch die Schweizer Armee.

Von Samuel Durrer

Nach einem Jahr Unterbruch findet das WEF wieder in Davos statt, bereits seit Monaten findet der verbale Schlagabtausch zwischen den Demo-OrganisatorInnen (Oltner Bündnis) und den Behörden statt. Die Demonstration wurde zwar bewilligt, die Räthische Bahn hat sich aber zuerst geweigert, Extrazüge nach Davos zur Verfügung zu stellen. Diese Extrazüge gibt es nun, doch sollen sämtliche DemonstrantInnen unterwegs durchsucht und ihre Personaldaten erfasst werden. Die Bundespolizei wird mit drei Mann anwesend sein und den Abgleich der Personendaten mit dem Computerregister des Bundesamt für Polizei vornehmen – Big Brother lässt grüssen.

Das Verteidigungsdepartement VBS kontrolliert nicht nur den Luftraum über Davos, die Armee stellt auch 1’500 Milizsoldaten, die aus Davos eine militärische Festung machen werden. Wenn man annimmt, dass 10’000 DemonstrantInnen den Weg nach Davos finden, hätte jede Gruppe von sieben DemonstrantInnen ihren eigenen Soldaten… Dieses Armeeaufgebot lässt nur auf eines schliessen: Die Behörden bereiten sich auf eine Eskalation vor. Eine solche käme ihnen wiederum gar nicht ungelegen, um zum einen ihren gewaltigen Einsatz rechtfertigen zu können, sowie zum anderen die berechtigte Kritik an der kapitalistischen Globalisierung in die Nähe des Terrorismus zu rücken und sie dadurch zum verstummen zu bringen.

Nach dem WEF bereitet sich die Armee schon auf die nächste Konferenz der Mächtigen vor. Bereits im nächsten Sommer werden sich die G8 am Genfersee, in Evian treffen, um über ihre Vorstellung einer Weltordnung zu diskutieren. Man erwartet zehntausende von GipfelstürmerInnen, als Vorbereitung darauf hat sich Bundesrat Samuel Schmid bereits mit der französischen Verteidigungsministerin getroffen, um ein Sicherheitsdispositiv zu erarbeiten. Zu erwarten ist einen Grosseinsatz der Schweizer Armee rund um den See. Vor allem in Genf – doch dort hat man spätestens seit 1932 keine guten Erinnerungen an die Armee, welche Demonstrationen «bewacht». Möglich sind auch grenzüberschreitende Aktionen der französischen Sicherheitskräfte – «Sicherheit durch Kooperation» eben.

Gemäss Artikel 58 der Bundesverfassung und dem aktuellen Militärgesetz kommt die Armee in Friedenszeiten im Landesinneren nur subsidiär zum Einsatz, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Sie darf nur eingesetzt werden, wenn die zivilen Strukturen wie die der Polizei einer aussergewöhnlichen Situation nicht Herr werden können. Der Armeeeinsatz ist also nur in Ausnahmefällen zulässig. Im Vergleich zur Polizei verfügen die eingesetzten Armeeeinheiten kaum über eine entsprechende Ausbildung, diese Einsätze werden häufig im Rahmen gewöhnlicher WKs geleistet. Doch dem Standortkanton Graubünden kommt es selbstverständlich gelegen, wenn er praktisch kostenlos auf die Armee zurückgreifen kann, statt für ausserkantonale Polizisten zu bezahlen. (Die Kosten für den Armeeeinsatz muss jemand anderes bezahlen.) Und die Armee ihrerseits übt noch so gerne an einem realen «Turngerät» (Armeechef Christophe Keckeis). Dies ist allerdings besonders heikel, übt doch die Armee die Bekämpfung eines Feindes und nicht den Schutz von BürgerInnen.

Kommt es am WEF wirklich zu einer Eskalation – auch ein kleiner Teil der DemonstrantInnen wird diese unter Umständen in Kauf nehmen – dann wird es kaum wegen, sondern allenfalls trotz der hohen Armeepräsenz glimpflich ablaufen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es zu einer starken und friedlichen Kundgebung kommt. Die öffentliche Stimmung ist im Vergleich zum europäischen Sozialforum in Florenz, trotz aller Polemiken im Vorfeld, wesentlich gelassener. Dort wurden die GlobalisierungskritikerInnen als «Hunnen» bezeichnet und die italienische Regierung tat alles, um eine Konfrontation zu provozieren. Die Gewalt blieb aus und Florenz wurde zu einem Symbol für kraftvolle, gewaltfreie und sympathische Proteste. Es ist zu hoffen, dass auch in Davos – oder Zürich – von kreativen Aktionen und inhaltlichen Ansätzen zu einer besseren Welt zu hören sein wird.

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