Der Diktator ist weg, die Diktatur noch da

Nach dem Fall von Hosni Mubarak brandete eine Welle von revolutionärer Freude durch Ägypten. Der Kampf für Demokratie hat jedoch erst begonnen. Das zeigt der Fall des Bloggers Maikel Nabil Sanad.

Am 10. April verurteilte ein Militärgericht den pazifistischen Blogger und Kriegsdienstverweigerer Maikel Nabil Sanad wegen «Beleidigung der Armee» zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren. Sein Vergehen war, dass er in seinem Blog ausführlich über die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs berichtet hatte.

«Maikel Nabil Sanad hat den Mythos des Militärs in Frage gestellt», so die Solidaritätsgruppe Free Maikel Nabil, «dass die Armee während der Revolution an der Seite des Volkes stand. Die Armee verhaftet und foltert vielmehr AktivistInnen der Opposition – bis heute. Und Maikels Verurteilung ist eine klare Bestätigung dafür.»

Maikel war in der Nacht des 28. März von der Militärpolizei verhaftet und seither in Untersuchungshaft gehalten worden. Er wurde vom Militärgericht in einem Schnellverfahren abgeurteilt, obwohl er Zivilist ist. Der Prozess wurde mehrmals verschoben. Am Tag seiner Verurteilung teilten die Behörden seiner Familie und seinen Freunde mit, dass der Prozess wiederum verschoben worden sei, als sie vor dem Militärgericht in Nasr City in Kairo warteten. In Tat und Wahrheit fand der Prozess genau in diesem Moment statt, ohne dass die Familie oder der Anwalt von Maikel anwesend sein konnte. Das ist ein klarer Verstoss gegen den Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, den auch Ägypten unterzeichnet hat.

Die diesen Frühling angenommene Interims-Verfassung von Ägypten garantiert das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Pressefreiheit, ebenso wie die Uno-Menschenrechtserklärung von 1948. In seinen Artikeln machte Maikel Gebrauch von genau diesen Rechten. Der Prozess und das Urteil sind eine klare Verletzung der Menschenrechte und widersprechen den Gesetzen und Standards des ägyptischen und internationalen Rechtes.

Die Armee auf der Seite von Mubarak

Was aber war es, was Maikel in den Tagen während der Revolution über die Armee berichtete? Worüber war das Militär so erzürnt? Erst einmal merkte Maikel an, dass die Armee zu keiner Zeit auf der Seite der Demonstrierenden war. Während die Polizei mehr als 500 Personen tötete, über 6000 Menschen verletzt wurden und noch immer mehr als 1000 Menschen spurlos verschwunden sind, schritt die Armee nicht ein, im Gegenteil.

Samni Annan, Chef des Stabes der Ägyptischen Armee, drückte während seinem Besuch in den USA noch in den letzten Tagen von Mubaraks Regime seine Loyalität zum Diktator aus. Dieses Versprechen hat die Armee nicht nur in Worten, sondern auch in Taten gehalten. Die Armee war auf mehreren Ebenen gegen den Protest aktiv. Während den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz belieferte die Armee die Polizei mit zusätzlicher Munition, als den Mubarak-Anhängern die Vorräte ausgingen. Das Militär schleuste militante Unterstützer des alten Regimes auf die Dächer rund um den Platz, von wo sie mit Molotowcocktails werfen konnten. Und die Armee nutzte ihren weitgehenden Einfluss auf die Medien, um die Proteste in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken.

Ganz offensichtlich wäre es den Militärführern in Ägypten lieber, wenn nicht über ihr Verhalten und ihre Verbrechen während der Diktatur Mubaraks und während der Revolution berichtet und diskutiert würde. Im Moment versuchen sie noch, die Kritik mit Hilfe von Militärprozessen zu unterdrücken. Die Proteste gegen die unrechtmässige Verurteilung zeigen aber, dass die Armee nicht mehr lange so wird weiterfahren können.

=> Mehr zum Fall von Maikel findet sich auf der Website der War Resisters‘ International: http://www.wri-irg.org/node/13232

, ,