Die Armee und andere Katastrophen

Vor zehn Jahren versetzte die Sandoz-Katastrophe die Bevölkerung von Basel in Angst. Damals kamen die Menschen mit dem Schrecken davon. Doch es braucht nicht viel Phantasie, um sich einen schlimmeren Verlauf einer solchen Katastrophe auszumalen. Ausgehend von einem ähnlichen Szenario wurde an einer Veranstaltung der GSoA Basel diskutiert, welche Lücken die Abschaffung der Armee im Bereich der Katastrophenhilfe hinterlassen würde und wie darauf reagiert werden könnte.

Recherchen beim Basler Zivilschutz im Vorfeld der Veranstaltung haben gezeigt, dass die Armee in Katastrophenfällen eine untergeordnete Rolle spielt. Diese auch von der GSoA Basel lange Zeit überschätzte Bedeutung der Armee in diesem Bereich mag auf die Wirksamkeit eines Bildes deuten, das die Armee von sich in den vergangenen Jahren verbreitet hat. Wie Hans Hartmann aufzeigte, setzte sich die Armee seit 1987 (Unwetterkatastrophe von Uri) immer wieder als Einsatztruppe bei Katastrophenereignissen in Szene. Martin Brunner (GSoA Basel) betonte, dass die Armee mit der neuen Doktrin ihrer Multifunktionalität ein doppeltes Mogelspiel treibt: Einerseits stellt sie in ihrer Propaganda die Situation so dar, wie wenn Kriegsvorbereitung und zivile Schutzaufgaben gleichberechtigt nebeneinander stünden, was angesichts der Struktur der Armee und deren Ressourcenverteilung offensichtlich nicht der Fall ist. Andererseits ist sie von ihrer Struktur her in der überwiegenden Zahl der denkbaren Katastrophenfälle gar nicht in der Lage, Wesentliches zu deren Bewältigung beizutragen.

Rolle des Zivilschutzes

Zu Diskussionen Anlass gab auch die Rolle des Zivilschutzes (ZS) bei einer abgeschafften Armee. Für Jürg Stöcklin (Mitglied der Grünen Partei Basel, Mitautor von ‹Schutzraum Schweiz› und vor allem in den 80er Jahren aktiv in der zivilschutzkritischen Organisation wiwonito) liegt der springende Punkt darin, ob aus dem Zivilschutz lokal und demokratisch organisierte Strukturen werden, die auf die jeweiligen Sicherheitsbedürfnisse direkt eingehen können, oder ob der ZS eine zentralisierte, bürokratische Organisation bleibt. Deutlich bei dieser Diskussion wurde auch, dass hier die Bedeutung von Milizstrukturen unterschiedlich eingeschätzt werden. Nico Lutz (GSoA Bern) verwies darauf, dass der ZS in Bern massiv abgebaut werde, dieser sich also quasi selber abschaffe. Sibylle Frei erhofft sich von einer Armeeabschaffung auch eine Zerschlagung des Zivilschutzes als patriarchalischer Struktur: Strukturen müssten geändert werden, damit Gerechtigkeit hergestellt werden könne. 
Im Falle einer Armeeabschaffung werde aber auch eng mit Sicherheitsfachleuten zusammengearbeitet werden müssen, um Neustrukturierungen zu ermöglichen und entstandene Lücken zu füllen, strich Martin Brunner heraus. Mit Fachleuten des Bundesamtes für Zivilschutz etwa, die eigens für die Basler Veranstaltung aus Bern angereist sind, um von der GSoA Vorschläge zu erhalten, wie wir uns den Katastrophenschutz im Falle einer Schweiz ohne Armee vorstellen würden.

Was ist zivile Sicherheit?

Antworten darauf konnten freilich noch keine gegeben werden. In Zukunft muss es vor allem darum gehen zu zeigen, dass zivil organisierte Sicherheit durchaus besser sein kann als militärische. Unbestritten ist, dass es legitime Sicherheitsbedürfnisse gibt, für die sich die Gesellschaft vorsehen muss. Doch Sicherheit ist nicht objektivierbar. Welche Risiken eine Gesellschaft sich leisten kann und welche Sicherheiten sie sich geben will, muss Resultat eines demokratischen Diskussionsprozesses sein. In diese Richtung könnten Überlegungen eines zivilen Sicherheitsbegriffes gehen, der sich in seiner lokalen und demokratischen Ausrichtung vom militärischen Sicherheitsverständnis unterscheidet. Die Armee versucht, die zivile Funktion der Sicherheitsgarantie im Katastrophenfall zu übernehmen. Damit besetzt und militarisiert sie die Sicherheitsbedürfnisse der Menschen: Dagegen gilt es sich zu wehren.

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