«Die GSoA-Initiative ist Teil des revolutionären Krieges»

Vor 26 Jahren führte ein Telefonat zwischen Bundesrätin Elisabeth Kopp und ihrem Mann zur Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), die 900‘000 Fichen der Bundespolizei zum Vorschein brachte. Der Staat hatte systematisch mehr als zehn Prozent der Bevölkerung fichiert, aber auch Organisationen wie die GSoA.

Der Bericht der PUK zeigte, dass die Bundespolizei jahrzehntelang die Bevölkerung ohne gesetzliche Grundlage überwacht, Telefonate abgehört, Organisationen bespitzelt und sogar die Wahrnehmung von politischen Rechten fichiert hatte. Um in den Fokus des Staatsschutzes zu geraten, genügte vielfach, sich für politische Ziele einzusetzen, die nicht der rechtsbürgerlichen Norm entsprachen. Eine Unterschrift für eine Petition, eine Diskussionsrunde, die Teilnahme an einer Demonstration oder das Gestalten eines Flyers – die Fichen der Friedensbewegung zeigen, dass es nicht viel brauchte, um vom Nachrichtendienst überwacht zu werden.

Von Staatsstreich und Subversion

In einem Referat von 1985 erklärte ein Beamter der Bundespolizei, dass die Subversion «zur wahrscheinlich aktuellsten und gefährlichsten Bedrohung für ein demokratisches Staatswesen geworden» sei. Demnach komme die Bedrohung nicht mehr von Aussen, sonder aus dem Innern der Gesellschaft mittels legalen oder illegalen Mitteln.

Der Wertewandel in der Gesellschaft hatte keinen Einfluss auf die Tätigkeit des Nachrichtendienstes. Ganz in der Logik seiner Eigendynamik warnte der Staatsschutz davor, in ruhigen Zeiten die Überwachung zu vernachlässigen. So fand etwa der Bundespolizeichef Amstein, dass man die Überwachung politischer Gruppen nicht vernachlässigen dürfe, nur weil es momentan nicht nach einem Staatsstreich aussehe.

Bespitzelung von IdK, Soldatenkomitees und GSoA

Die Friedensbewegung wurde genauso zum «Linksextremismus» gezählt wie die Grünen. Laut dem Historiker Georg Kreis lag dies daran, dass der Nachrichtendienst nur zwischen «Norm» und «Abnorm» und zwischen Links und Rechts unterschied. Was Abnorm war, war schnell auch extrem und somit zur Überwachung freigegeben.

Nur mit dieser Logik des Staatsschutzes ist es zu erklären, dass er die schweizerische Sektion der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK) von 1963 bis 1986 überwachte und über sie 95 Fichen anlegte. Noch gefährlicher beurteilte man die Soldatenkomitees. Ihre Fiche umfasst 91 Karten, wobei alleine 75 die Jahre 1973 bis 1976 betreffen. Wenn sich überhaupt eine Begründung zur Bespitzelung findet, dann ist meistens von «subversiven Einflüssen» oder einer nicht genauer umschrieben «Gefahr» die Rede, die es nach dem damaligen Bundesrat Gnägi sofort «einzudämmen» galt.

Die GSoA-Fiche umfasst hingegen «nur» 18 Karten, die erste von 1982 und die letzte von 1989. Interessant ist, dass die 100 Personen, welche ihre politische Rechte wahrnehmen wollten und die GSoA-Initiative der Bundeskanzlei zur Vorprüfung übergaben, fichiert wurden, wenn sie es nicht bereits waren. Die Gefahr, die von der Initiative – einem demokratischen Grundrecht – ausgehe, beschrieb ein Kommissär 1982 in einem Vortrag über die «Aktivitäten der Friedensbewegung und Anti-Armee-Bestrebungen in der Schweiz» wie folgt: «Getarnt als angeblich nationale Frage ist die Initiative zur Abschaffung der Schweizer Armee in Wahrheit Teil des revolutionären Krieges.»

Und im 21. Jahrhundert?

Die Fiche der «Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» zeigt, dass der Nachrichtendienst auch etliche bewilligte Veranstaltungen überwachte. So zum Beispiel die verschiedenen Strassentheater im Vorfeld der Volksabstimmung 1972. Nicht zu übersehen sind die persönliche Einstellungen der Beamten, wenn sie vermerken, dass das «kindliche Theater» keinen Anklang in der Bevölkerung gefunden habe. Dem lag der Grundgedanke des Nachrichtendienstes zu Grunde, wonach die Ausübung von politischen Rechten nur ein Deckmantel für extremistische, oder eben «abnormale» Ziele waren.

Wer nun denkt, dass dies im 21. Jahrhundert nicht mehr passieren kann, sei daran erinnert, dass der Nachrichtendienst neu ganz dem Militärdepartement unterstellt ist und nicht nur sein Vorsteher alles andere als ein progressiver Zeitgenosse ist.

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