Die zivile Intervention

Bewaffnete Verteidigung …

Bezüglich Verteidigungs- und Sicherheitspolitik stehen sich in Europa zwei Modelle gegenüber. Deutlicher wahrnehmbar ist wohl jenes der bewaffneten Verteidigung. Die Staaten vertrauen auf ihre militärischen Kräfte, sind daran, Berufsarmeen aufzustellen, um den technischen Anforderungen einer modernen Bewaffnung gerecht zu werden. Belgien hat die allgemeine Wehrpflicht bereits abgeschafft. Auch die Niederlande und Frankreich verfolgen dieses Ziel und wollen es England gleichtun, das schon seit langem eine Berufsarmee unterhält. Die NATO ist weiterhin tonangebend, und wer noch nicht NATO-Mitglied ist, strebt eine Partnerschaft an. Die Oststaaten haben diese Partnerschaft im Bewusstsein dessen beantragt, dass es sich wohl besser mit der NATO als gegen sie lebt. Frankreich ist zwar NATO-Mitglied, baut aber als ewiger Einzelgänger seine militärische Macht aus, um seine ‘lebenswichtigen Interessen’überall dort verteidigen zu können, wo es diese bedroht glaubt. Die europäischen Staaten können ihre Soldaten auch in den Dienst der UNO stellen, welche diese in Spannungsgebieten auf der ganzen Welt einsetzt. Zur Überwindung der Probleme, die in Ländern mit einer bereits geschwächten Wirtschaft durch die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) diktierten strukturellen Anpassungen entstanden sind, schicken humanitäre Organisationen Nahrungsmittelhilfe und die UNO Blauhelme. So wurde die Lebensmittel- verteilung in Somalia von UNO-Soldaten überwacht. Dies führte dazu, dass die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Volksstämmen geschürt wurden (wie man dies auch in Ex-Jugoslawien beobachten konnte) und die Feindseligkeiten gegenüber dem Westen verstärkt worden sind.

…oder zivile Sicherheit?

Eine andere Einstellung bezüglich Sicherheitspolitik – die zivile Sicherheit – zeichnet sich in Europa immer deutlicher ab. Sie wird auf Regierungsebene durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vertreten. Die OSZE hofft, die Sicherheit in Europa durch ein Zusammenwirken von kulturellem, sozialem und wirtschaftlichem Austausch zwischen den Partnerstaaten festigen zu können. Die Idee besteht darin, wenn nötig Militär-, vor allem aber Zivilpersonen in die Krisengebiete zu entsenden, deren Aufgabe es ist, sich zu informieren, Bericht zu erstatten und den Dialog zwischen den Konfliktparteien wieder herzustellen. Dies ist die OSZE-Definition von ziviler Intervention. Zur Zeit befinden sich acht Delegationen der OSZE in den baltischen Staaten, im Kaukasus in der Ukraine und auf dem Balkan. Diese Art Vermittlungsarbeit wird von nichtgouvernementalen Organisationen (NGOs) schon seit mehreren Jahren in verschiedenen Krisengebieten, insbesondere in Lateinamerika, geleistet. Ein weiteres Beispiel sind die Internationalen Friedensbrigaden, welche den in ihren Ländern bedrohten VerfechterInnen der Menschenrechte Schutz bieten. In Ex-Jugoslawien ist es das ‘Balkan Peace Team’, das mit lokalen Friedensbewegungen Kontakt aufnimmt und deren Aktivitäten unterstützt. Die Menschenrechtskommission der UNO entsendet ebenfalls Zivilpersonen, das heisst BerichterstatterInnen, Sonderbeauftragte und BeobachterInnen in Gebiete, in denen Menschenrechte missachtet werden. So ist beispielsweise der Einsatz von 35 HelferInnen in Burundi geplant, wo eine schwere Krise droht. Die zivile Intervention spielt gegenüber der militäri- schen eine immer bedeutendere Rolle. Sie vermag auch präventive Aufgaben zu erfüllen, soll Konflikten vorbeugen, damit das Ausbrechen eines offenen Krieges und das Entsenden von Militär und humanitärer Hilfe vermieden werden kann.

Wir müssen uns entscheiden

In der Schweiz stehen wir vor der Entscheidung: Eine Berufsarmee und somit eine Annäherung an die NATO oder die Teilnahme am zivilen Sicherheitssystem der OSZE. Die GSoA II verlangt die Abschaffung der Schweizer Armee und schlägt im Gegenzug die Bildung einer 800-köpfigen Be- rufseinheit zur nationalen Verteidigung und Sicherheit vor. Werden es Soldaten sein, die im Rahmen einer NATO-Partnerschaft gezielte Einsätze in der Schweiz durchführen, oder der UNO anvertraute Blauhelme, welche die Ordnung in Drittweltländern wieder herstellen, oder aber Zivilpersonen, die im Rahmen der OSZE Vermittlungsarbeit leisten? Diese Fragen bleiben offen.