Die Rentnerarmee

Kolumne zu den – ernst gemeinten, aber nicht wirklich ernst zu nehmenden – Vorschlägen des Modell 50+.

Seit geraumer Zeit verliert der Militärdienst an Akzeptanz. Das Fundament der Milizarmee bröckelt: Die Wehrpflicht im heutigen Sinne ist zum Scheitern verurteilt. Soweit keine neue Erkenntnis für den/die GSoA-Zeitungs-LeserIn. Interessant ist aber, dass auch Peter Gross, Professor für Soziologie an der Universität St. Gallen, für einen Artikel in der NZZ am Sonntag vom 6. November 2005 zu dieser Erkenntnis gelangt ist.

Wäre Professor Gross ein Leser unserer Zeitung, so wäre ihm natürlich auch schon die naheliegendste Lösung für dieses Problem bekannt: Die Abschaffung der Armee. Nun liest Herr Gross vielleicht keine GSoA-Zeitung, oder aber die Armeeabschaffung ist ihm einfach noch nicht spektakulär genug. Jedenfalls beweist er eine regere Phantasie als die kühnsten UtopistInnen und präsentiert uns seine Alternative zur heutigen Wehrpflicht: Die Armee 50+

Vollen Ernstes erklärt Peter Gross, dass die Milizarmee der Zukunft weder nach dem heutigen Wehrpflicht-Modell aufgebaut sein könne, noch als Freiwilligen- oder Wahlpflichtarmee funktionieren würde. Die einzige richtige Lösung sei eine Armee von Rentnern. Die Logik von Gross ist bestechend: Wenn Patriotismus und republikanische Tugenden der jungen Generation abhanden gekommen sind, so muss die Miliz folglich ihre Bezugsquellen ändern. Und wo pocht das Herz des patriotischen Milizsoldaten noch in alter Frische? Richtig, bei den Alten.

Trotz den vom Autor aufgelisteten Vorteilen einer Truppe von Pensionierten, die im Gegensatz zu ihren jüngeren Kameraden die «Sinnhaftigkeit ihres Dienstes» erkennen, ergeben sich aber dennoch offene Fragen. Selbst unter den Rentnern werden einzelne die militärische Logik ablehnen und Zivildienst beantragen. Es bliebe dann beispielsweise abzuklären, wer im Altersheim wen pflegen muss, wenn die Zivis selbst 80 Jahre alt sind.

Die Rentnerarmee soll aber nicht nur alle Motivationsprobleme der Miliz lösen, sondern auch operative Vorteile mit sich bringen. Peter Gross erklärt, dass die «Befriedungsaktionen» (was meint er damit?) im Irak ganz anders verlaufen wären, wenn «Veteranen» (also Rentner) und nicht «eine frustriere Arbeitslosenarmee von Milchgesichtern» (also Junge) im Irak einmarschiert wären. Schon klar, was Gross damit meint: Die Greisen/Betagten in Uniform wären an der Grenze wieder umgekehrt, wenn ihnen kein Iraker über die Strasse geholfen hätte.