Die USA werden den Iran nicht angreifen. Oder doch?

Viele Gründe sprechen gegen einen US-amerikanischen Krieg gegen den Iran. Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl. Eine Bestandesaufnahme.

Es gibt eine Menge guter Gründe für die Bush-Administration, den Iran NICHT anzugreifen: Nach dem tragisch missglückten Irak-Feldzug ist die öffentliche Meinung strikte gegen ein solches Abenteuer, sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch im Rest der Welt. Dasselbe gilt für die allermeisten Regierungen der westlichen Welt, die amerikanischen Geheimdienste und selbst die Führungsschicht der Streitkräfte. Laut einem Bericht der Londoner «Times» plant ein beträchtlicher Teil des Generalstabs, im Falle eines Angriffes auf den Iran, den sofortigen Rücktritt einzureichen.

Der Iran könnte auf vielfältige Weise auf einen amerikanischen Angriff reagieren. Indem er die für den Öl-Transport essentielle Meerenge von Hormuz blockiert, könnte er die Weltwirtschaft in beträchtliche Turbulenzen stürzen. Und seine Kontakte in den schiitischen Süden des Iraks würden Teheran erlauben, dem US-Militär noch grössere Probleme zu bereiten als es jetzt schon hat. Dieses ist durch die jahrelangen Kriege im Irak und in Afghanistan bereits heute an die Grenzen seiner Belastbarkeit gelangt. Ein Krieg an einer weiteren Front würde die personellen, logistischen und finanziellen Möglichkeiten auch der grössten Militärmacht der Welt übersteigen.

Ein Angriff würde das fundamentalistische und unbeliebte Regime von Mahmud Ahmadinedschad nicht schwächen. Im Gegenteil: Die IranerInnen würden sich im Krieg hinter ihren Präsidenten scharen.

Ein Angriffskrieg gegen den Iran würde gegen grundlegende Prinzipien des internationalen Rechts und gegen die amerikanische Verfassung verstossen. Ein weiterer Verstoss gegen die fundamentalen Regeln der Staatengemeinschaft würde die «moralische Macht» der USA endgültig zerstören, wie Paul Street diesen April im Z-Mag schrieb.

Realitätsverlust

Und trotzdem gibt es etliche Hinweise darauf, dass die Bush-Administration ernsthaft einen Angriff auf den Iran plant. Der Enthüllungsjournalist Seymour Hersh hat in den letzten Monaten mehrmals Insider-Informationen aus dem Pentagon veröffentlicht, die besagen, die Planung für Luftschläge gegen Zentren des iranischen Nuklearprogramms laufe auf Hochtouren. Dabei sollen die amerikanischen Militärstrategen auch in Betracht ziehen, taktische «Mini-»Atombomben einzusetzen, um die in den Bergen versteckten Anlagen zu zerstören. Erst vor kurzem wurden zusätzliche Flugzeugträger in den Persischen Golf verlegt, so dass dort mittlerweile mehr Truppenverbände versammelt sind als zu Beginn des Irak-Krieges. Diese böten die logistische Grundlage für einen mehrmonatigen Luftkrieg gegen den Iran.

Den aussenstehenden Beobachter lässt das Säbelrasseln der amerikanischen Regierung ein wenig ratlos zurück. Welches wären die Gründe, dass Präsident Bush trotz all der Bedenken einen Angriff auf den Iran befehlen würde? Wahrscheinlich kann man mit rationalen Überlegungen keine Erklärung dafür finden. Es gibt eine beunruhigende Befürchtung: Die Geschichte hat schon zu oft gezeigt, dass ein Teil der Elite eines Landes den Bezug zur Realität verlieren kann. Anscheinend verfolgen die neokonservativen Hardliner um Präsident Bush noch immer mit fast religiösem Eifer das Ziel, den Nahen Osten nach ihren Vorstellungen «neu zu ordnen». Es ist diese Mischung aus evangelikalem Fundamentalismus, dem Einfluss der Öl-Lobby, und einem fatalen Mangel an Neugier, was tatsächlich in der Welt passiert, welche diese Regierung so gefährlich macht. Die Hoffnung jedoch wächst, dass der Widerstand gegen einen weiteren sinnlosen Krieg zu stark sein wird, als dass sich die Bush-Administration darüber hinwegsetzen könnte.