Diese Suppe essen wir nicht

Bewaffnete Neutralität mit Blocher und seiner Auns oder bewaffneter Interventionismus mit Ogi und seinem VBS – so die Wahl, vor die wir gestellt werden sollen. Die GSoA schlägt dazu eine echte Alternative vor. Sie fordert zivile Solidarität statt Soldaten und lehnt Blankochecks für bewaffnete Auslandeinsätze ab

Im März wird der Nationalrat über die Teilrevision des Militärgesetzes befinden. Im Juni folgt der Ständerat. Die Revision soll eine Ausweitung bewaffneter Auslandeinsätze der Schweizer Armee ermöglichen. Eine Bewaffnung zum Selbstschutz einzelner Personen ist bereits basierend auf dem geltenden Militärgesetz möglich. Aber die geplante Revision soll weitergehen und praktisch alle gesetzlichen Schranken aufheben. Sie wird sowohl von friedenspolitischer wie auch von nationalkonservativer Seite abgelehnt. Eine unheilige Allianz? Inhaltlich ist dieser Vorwurf völlig absurd, zu offensichtlich sind die unterschiedlichen Beweggründe. Für friedenpolitisch Bewegte geht es darum, zum bewaffneten Isolationismus, wie ihn die Auns verteidigt, und zum bewaffneten Interventionismus, wie ihn Ogi vorschlägt, eine echte Alternative aufzuzeigen: eine aussen- und friedenspolitische Öffnung, die auf ziviler Solidarität beruht. Eine inhaltliche unheilige Allianz droht nicht zwischen GSoA und Auns, sondern vielmehr zwischen denen, die unbedingt neue Aufgaben für die arbeitslose Armee suchen und jenen, die sich – in guter Absicht – für die Öffnung der Schweiz einsetzen. Treffen sich diese beiden unterschiedlichen Positionen bei der Unterstützung von bewaffneten Auslandeinsätzen der Schweizer Armee, dann ist das ein Schritt Richtung Militarisierung der Aussenpolitik. Das kann nicht unsere Perspektive sein. Die Zukunftsfrage an die Schweiz lautet nicht «Öffnung ja oder nein?», sondern «welche Öffnung?». Verstärkt die Schweiz den militärischen Interventionismus oder unterstützt sie Alternativen einer globalen zivilen Solidarität? Die geplante Militärgesetzrevision stellt die Weichen in viel-erlei Hinsicht in die falsche Richtung.

Menschenrechte statt Machtpolitik

Die Entwicklung der internationalen Sicherheits- und Konfliktpolitik im Kontext wirtschaftlicher Globalisierung (d.h. auch Deregulierung und Destabilisierung nationalstaatlicher Ordnungskonzepte) und wachsender Konfliktpotentiale (Wohlstandsgefälle) geht in eine falsche Richtung: «Bewaffnete Friedensinterventionen» dienen vielmehr der Kontrolle und dem Fernhalten der Auswirkungen des konfliktiven Globalisierungsprozesses, als dass sie auf einen Abbau der Konfliktursachen ausgerichtet wären. Der Neomilitarismus ist integraler Bestandteil des Neoliberalismus. Die Anstrengungen der Nato und der sich bildenden EU-Interventionstruppe zur Erlangung weltweiter Einsatzfähigkeit, die Aufrüstungs- statt Abrüstungsdynamik sowie die neue Legitimation für militaristische Politik sind klare Anzeichen in diese Richtung. Diese Tendenz droht sich im 21. Jahrhundert noch zu verstärken. Die Uno und die Osze werden systematisch ausgebootet und entmachtet, die Nato und die WEU werden aufgewertet. Die Hoffnung auf eine von machtpolitischen Interessen weitgehend unabhängige, auf rechtlichen Prinzipien beruhende und zur internationalen Durchsetzung menschenrechtlicher Minimalstandards geeignete Praxis internationaler Befriedungspolitik im Rahmen einer demokratisierten Uno (oder allenfalls Osze) wird auf absehbare Zeit nicht mehr als eine Utopie bleiben. Wer bombardiert wird – wie in Serbien/Kosov@ – und wer ein neues Giftgaslabor, eine Anlage für Raketenbau und wahrscheinlich bald auch 1000 neue Leopardpanzer geliefert bekommt – wie die Türkei -, hat wenig bis gar nichts mit der Einhaltung von Menschenrechten zu tun, aber sehr viel mit geopolitischen Interessen. Wenn internationales Eingreifen nicht auf einer universellen Rechtsidee beruht, dann werden Interventionen zu reiner Machtpolitik.

Echte Solidarität statt falsche Arbeitsbeschaffung

Die Neuausrichtung der Schweizer Sicherheitspolitik fügt sich ein in die militärische Stabilisierungsstrategie der privilegierten Staaten des Nordens. Mit einer universalen, an den Grundbedürfnissen aller Menschen orientierten Menschenrechtspolitik hat sie nichts zu tun. Die von Verteidigungsminister Adolf Ogi im Munde geführte «Solidarität» gilt vor allem den «Partnerstaaten» des Nordens beziehungsweise der von ihnen vorangetriebenen repressiven Stabilisierungspolitik.

Blochers Auns und Ogis VBS haben einige Differenzen, in einem zentralen Punkt sind sie sich jedoch einig: Es geht ihnen nicht darum, die Ursachen von Konflikten abzubauen, sondern einzig darum, ihre Auswirkungen effizient von der Schweiz fernzuhalten. Beide wollen dazu die Armee einsetzen – die Auns an der Schweizer Grenze und Bundesrat Ogi auch im nahen oder fernen Ausland. Um «eine gerechte Verteilung von Flüchtenden» in Europa herzustellen (Bundesratsbotschaft), muss sich die Schweiz den Nachbarstaaten gegenüber solidarisch präsentieren. Seit der mili-tärischen Intervention in Bosnien sei die Zahl der Flüchtlinge zurückgegangen, «womit der Nutzen solcher Engagements für die intervenierenden Staaten augenfällig wird» (Bundesratsbotschaft). Die Neuausrichtung der Schweizer Sicherheitspolitik à la VBS hat auf nationaler Ebene ähnliche Effekte wie die internationale Entwicklung: Konfliktursachen werden vernachlässigt, die Entwicklungszusammenarbeit stagniert, zivile Konfliktpolitik wird marginalisiert, der Solidaritäts- bzw. Menschenrechtsdiskurs wird ideologisiert und instrumentalisiert, das Militärische wird neu legitimiert und eine neue Rüstungsrunde eingeläutet. Die öffentlichen Ausgaben der Schweiz für Entwicklungszusammenarbeit sind von 0,34 Prozent (1997) auf 0,28 Prozent (2000) zurückgegangen. Bundesrat Ogi sprach bei seiner Chinareise im Herbst 1998 mit Vertretern des chinesischen Regimes über die Überflugsrechte für den Ballonfahrer Bertrand Piccard, über «Sion 2006», über den Zugang von Schweizer Versicherungen auf den chinesischen Markt – aber kein Wort über die katastrophale Menschenrechtslage in China. Das ist für uns das Gegenteil einer solidarischen Aussenpolitik!

1200 Milliarden Franken werden weltweit jährlich für Armeen und Rüstung ausgegeben! Für Gewaltprävention und zivile Konfliktbearbeitung leistet sich die Welt nur gerade 20 Milliarden Franken. Im November 1999 richteten die Welternährungsorganisation FAO, das Uno-Kinderhilfswerk Unicef und das Uno-Hochkommisariat für Flüchtlinge UNHCR einen dringenden Appell an die westlichen Industrienationen: 2,4 Milliarden Dollar würden für die Betreuung von 34 Millionen notleidenden Menschen benötigt – weniger als die weltweiten Militärausgaben an einem einzigen Tag. Das Geld ist heute noch nicht beisammen! Im Oktober 1998 gelang es der internationalen Staatengemeinschaft nicht, 2000 zivile Osze-Beobachter zu finden – deren 1000 waren bis zum Kriegsausbruch in Kosov@. Kein Problem war hingegen das Aufstellen der Kfor mit 50’000 Soldaten. All dies zeigt: Eine bewaffnete Beteiligung der Schweiz an internationalen Friedensinterventionen kann vielleicht als Zeichen der Solidarität der Schweizer Armee mit anderen Armeen verstanden werden, ein Zeichen für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt ist sie aber nicht. Die Welt fordert eine ganz andere Solidarität von der Schweiz: einen Beitrag zum Ausbau ziviler Konfliktbearbeitung und zum Abbau der Konfliktursachen. Das wäre echte Solidarität.

Gesetzliche Schranken statt Blankocheck

Im aktuellen Gesetzesentwurf des Bundesrates (vgl. Kasten) sind drei Punkt unakzeptabel: Erstens werden darin bewaffnete Friedensförderungs-Einsätze auch ohne Uno/Osze-Mandat ermöglicht. Zweitens ist die Beteiligung der Schweiz nicht auf friedenserhaltende Operationen eingegrenzt, sondern auch Kampfeinsätze wären möglich. Drittens wird die Bewaffnung nicht auf den Selbstschutz beschränkt. Bundesrat Ogi betont zwar, dass die Schweiz sich nicht an offensiven Kampfeinsätzen beteiligen wolle. Gleichzeitig aber versucht er mit allen Mitteln zu verhindern, dass diese Einschränkung auf gesetzlicher Ebene festgeschrieben wird. Tatsache ist: Basierend auf dem vorgeschlagenen Militärgesetz könnte die Schweiz selbst in Tschetschenien mitbomben.

Eine Korrektur der Vorlage in diesen Punkten wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Sie würde immerhin das Tempo drosseln, das die Armee bei ihrer Neuausrichtung auf militärische Interventions-Konzepte vorlegt. Vorzuziehen wäre aber, die Frage nach einer bewaffneten Beteiligung der Schweiz an internationalen Friedensmissionen zu verschieben. Solange das VBS (bzw. Bundesrat und Parlament) die Menschenrechte und die aussenpolitische Solidarität für die Legitimationsinteressen der Armee missbraucht, neue Auf-rüstungspläne schmiedet, die Umver-teilungsinitiative als «brandgefährlich» ablehnt, zur Idee eines zivilen Friedensdienstes schweigt und generell Initiativen und Ideen für eine moderne, zivile Konfliktpolitik marginalisiert, sollte auf Vorstösse und Vorlagen für militärische Konfliktinterventionen nicht eingetreten werden.

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Entwurf des Bundesrates (Auszug)

Militärgesetzrevision

Art. 66 Voraussetzung
1 Einsätze zur Friedensförderung können auf der Grundlage eines Uno- oder Osze Mandates oder mit Zustimmung der betroffenen Staaten angeordnet werden. Sie müssen den Grundsätzen der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik entsprechen.

3 Die Anmeldung für die Teilnahme an einer friedensunterstützenden Operation ist freiwillig.

Art. 66a Bewaffnung
Der Bundesrat bestimmt im Einzelfall die Bewaffnung, die für den Schutz der eingesetzten Personen und Truppen sowie die Erfüllung des Auftrages erforderlich ist.

kursiv und fett sind die drei Passagen, die für uns unakzeptabel sind, weil sie militärischen Interventionen Tür und Tor öffnen würden.