Divided we stand, together we fall

Das Thema «Frauen und Militär» fristet in westeuropäischen Demokratien ein Aschenbrödeldasein. Weder die Militärführung, noch die zivile Politik, noch die Frauenöffentlichkeit interessieren sich sonderlich dafür

Aus militärischer Sicht ist die Präsenz von Frauen in den Streitkräften weder notwendig noch wünschenswert. In der zivilen Nationalstaatspolitik, die auf der Einheit von Bürgerrecht und Wehrpflicht gründet und diesen Grundsatz, als es ums Frauenstimmrecht ging, noch lauthals als schlagendes Argument dagegen anführte, ist es seit dessen Einführung merklich still geworden. Denn Frauen im Militär sind für westeuropäische Demokratien bzw. das Militär offenbar eine noch ärgere Herausforderung als Frauen in der Politik.

Doch auch die mit den Bürgerrechten endlich ausgestatteten Frauen bestehen gesamthaft nicht auf der Bürgerpflicht und akzeptieren das weibliche Privileg. So bleibt das Thema «Frauen und Militär» vorwiegend die Sache einer Minderheit von Frauen, die im Ausschluss der Frauen vom Militär nicht ein Privileg, sondern eine Diskriminierung sehen und auf Grund ihres Verständnisses der Gleichberechtigung sich den Zugang zum Militär erkämpften und es weiterhin tun. Es muss gesagt werden, dass innerhalb der gegebenen Parameter diese Frauen die Logik auf ihrer Seite haben.

Die für den westlichen Nationalstaat eigentlich dramatische Einführung des Frauenstimmrechts hätte jedoch eine weitaus radikalere gesellschaftliche Umwälzung bedeuten können, als dies historisch der Fall war. Denn sie lieferte bereits den Beweis, dass in einem Staat, der sich auf der radikalen Ungleichstellung und komplementären Differenzierung der Geschlechter begründet, die Gleichstellung von Männern und Frauen eine logische Unmöglichkeit darstellt. Gleichzeitig sprengte das Frauenstimmrecht die angebliche Untrennbarkeit von Bürgerrecht und Wehrpflicht und hätte so den Männern das Argument für die kollektive Wehrpflichtverweigerung in die Hand gegeben.

Keine Gleichheit vor dem Feind

Als geübte Strategen haben die Spitzenleute in den Verteidigungsministerien erkannt, dass die fortschreitende zivile Gleichstellung früher oder später zu dem Punkt führt, an dem es kostspieliger wird, das Militär weiterhin als exklusives Männerreservat zu verteidigen, als die wenigen sich freiwillig stellenden Frauen zu integrieren. Dass letztere mit allen Mitteln um Zugang kämpfen würden, war sicher, ebenso, dass ihnen die zivilen Gerichte stattgeben würden. Eine Verschanzung würde erheblichen Imageverlust und damit möglicherweise Glaubwürdigkeitsverlust bedeuten.

Selbstverständlich geniessen Frauen auch im Militär keine Gleichberechtigung. Dass sie freiwillig da sind, während Männer obligatorischen Dienst leisten, legt den ersten Stein der Ungleichheit. In der Schweiz beispielsweise haben Soldatinnen Schwierigkeiten, von ihren Arbeitgebern für die Zeit ihres Militärdiensts gegen Entschädigung von der Arbeit dispensiert zu werden, was Männer-Soldaten anstandslos gewährt wird. Dies wiederum beeinträchtigt ihre Möglichkeit, militärische Führungsausbildung zu machen, da dies noch mehr Dispensierung von der Arbeit erfordert.

Dazu kommt, dass die Kampfausbildung, dieser, wie Brigadier Eugénie Pollak, ehemalige Chefin der Schweizer Frauen in der Armee (FDA), es ausdrückt, «im engsten Sinn militärische Bereich» den Männern vorbehalten bleibt (1), und zwar in fast allen Streitkräften der Welt. Wie Liselotte Schiesser kritisch kommentiert: «Vor dem Bild einer toten Soldatin auf dem Kampffeld schrecken Militärs und PolitikerInnen zurück.» (2) Wohl vor allem vor dem Bild der toten Soldatin in der Zeitung oder am Fernsehen zu Hause, denn der Militärspitze kann es letztlich egal sein, wer auf dem Schlachtfeld liegen bleibt. Doch im wahrsten Sinn ist es eine Imagefrage.

Auch das Bild eines toten jungen Mannes ist kein guter Anblick, doch es ist kulturell und ideologisch mit all seinen patriotischen Rechtfertigungen tradiert als das Bild des Helden, der für das Vaterland stirbt, der «uns zu Hause Gebliebenen» sein Leben dargibt. Es evoziert zwar Trauer, aber auch Stolz, Rührung und Dankbarkeit sowie Sicherheit und Schutz. Das Bild einer toten Frau symbolisiert nicht den Helden, sondern das Opfer. Sie verkörpert Schutzbedürftigkeit und damit den Schutz, den sie nicht bekommen hat; ihr Bild ruft Angst, Grauen und Unsicherheit hervor, nicht Vertrauen in die Armee.

Schwächung der Moral

Die militärischen Spitzen-Frauen der Schweiz, bemüht, die Diskriminierung auf dem Schlachtfeld zu rechtfertigen, versuchen, es militärisch zu erklären. «Frauen sind körperlich nun einmal schwächer als Männer, und ihr Einsatz im Kampf würde zwangsläufig zu einer Schwächung führen», so die ehemalige Chefin der FDA (3). Ihre Nachfolgerin, Brigadier Doris Portmann, stimmt zwar dem Ziel zu: «Auf keinen Fall darf die Schlagkraft eines Zuges geschwächt werden.» Doch die Schwächung droht ihr zufolge eher seitens der männlichen Truppen, um deren Moral und Effizienz man fürchtet. Ein gemischter «Kampfeinsatz mit Feindkontakt» hinterlässt nicht nur potentiell ein mit toten Frauen übersätes Schlachtfeld: «Im Fall einer Gefangenschaft befürchtet man schwere Misshandlungen, die sich negativ auf die Moral der ganzen Truppe auswirken könnten.»(4)

Zwar ist es neu, dass die Misshandlung von Frauen sich negativ auf die Moral von Männern auswirkt; in der Zivilgesellschaft ist davon nichts zu spüren. Und es wäre zu hoffen, dass auch die Misshandlung eines männlichen Kollegen auf die Moral drückt. Die Aussage wird erst verständlich, wenn wir erfahren, dass militärische Männer ihre Kolleginnen (im besten Fall) als Schwestern betrachten. Gefragt, wie die männlichen Rekruten auf die Frauen in der Truppe reagieren, erwidert eine junge Schweizer Rekrutin: «Sie betrachten uns im Allgemeinen wie ihre Schwestern.» (5)

In Kanada, wo Soldatinnen – ganz im Gegensatz zur zitierten Schweizer Rekrutin – die Erfahrung machen, dass militärische Männer sie nicht wie Schwestern, sondern wie Frauen behandeln, will Karin Davis, Korvettenkapitän in der Kriegsmarine, nun Kurse einführen, die militärische Männer lehren, in Soldatinnen nicht Frauen, sondern Schwestern zu sehen: «Soldaten und Offiziere müssen immer wieder daran erinnert werden, dass sich ihre Kameradinnen von ihren Schwestern und Töchtern in nichts unterscheiden und den gleichen Respekt verdienen.» (6) Offenbar hat frau keine Chance, als Frau Respekt zu verdienen – erst ein familiärer Bezug zum Mann als «Schwester oder Tochter» vermag in letzterem den Besitzerinstinkt auszulösen, den Davis kurioserweise Respekt nennt.

Gender Newspeak

In der Schweiz glaubt man noch an die zivilisierende Wirkung der Präsenz von Frauen, wie sie etwa in den Schulen – den Rekrutenschulen inklusive – beo-bachtet wird. Verblüffend ist allerdings die Idee, dass militarisierte Männer der Zivilisierung bedürfen. Wo doch die militärische Ausbildung gerade alles daran legt, Menschen zu entzivilisieren und zu militarisieren.

Mit anderen Worten, hier treten die Widersprüche offen zu Tage, so zum Beispiel der Grundwiderspruch einer militärischen Ausbildung für Bürger der Zivilgesellschaft – einer auf absoluter Befehlsmacht und blindem Gehorsam beruhenden Zurichtung auf Kampf und Gewaltausübung, die jungen Männern jegliche Fähigkeit des zivilen Zusammenlebens systematisch austreiben soll, die ihnen in den vorhergehenden 18 Jahren allenfalls beigebracht worden ist.

Doch findet diese Idee langsam auch Gefallen unter den Spitzenkräften des Militärs, seit die Krieger angesichts des Mangels militärischer Feinde neue Legitimation und neue Aufgaben suchen. Das weltweite Orwell’sche Newspeak der Streitkräfte ist bereits Alltag – es werden keine Kriege mehr erklärt, sondern humanitäre Interventionen lanciert, und sämtliche westlichen Armeen drängt es ins Ausland zwecks friedensstiftender Massnahmen.

Hier sehen die Progressivsten der Progressiven eine Chance für Soldatinnen, die nun nicht mehr versuchen müssen, «so stark [zu] sein wie ein Mann».(7) «Friedenserhaltung kann gewalttätig sein, aber der Friedenserhalter muss auch versöhnlich und geduldig sein. Wenige männliche Militärs vereinen die für den Job notwendigen Qualitäten des Soldaten und des Sozialarbeiters. Die Lösung ist simpel: Soldatinnen.» (8)

Männer gleich Soldaten

Und plötzlich kommt alles zum Zug, was vorher unter dem Teppich war: dass die Erfahrung zeigt, dass Soldaten «zur sexuellen Gewalt gegen ZivilistInnen neigen», gerade auch in der Funktion von Uno-Soldaten, die zu deren Schutz eingesetzt werden; dass Vergewaltigung, Prostitution und Missbrauch von Kindern durch solche Truppen häufig festgestellt wurden; dass im Umfeld von friedensstiftenden Uno-Truppen Prostitution und Geschlechtskrankheiten drastisch zunehmen. Da die Kampftruppen keine Frauen enthalten, folgern die Militärs, dass all diese Übel männlichen Militärverhaltens schon mittels einer Alibi-Präsenz von Soldatinnen eingedämmt würden. Die Debatte, ob auch Frauen durch ausreichende Kampfausbildung zu tollkühnen Killern abgerichtet werden können, hält man für akademisch. «Wenn Frauen, aus welchem Grund auch immer, besonnener und versöhnlicher sind als Männer, dann haben sie hier eine wichtige Aufgabe.» (9)

Doch scheint mir «welcher Grund auch immer» nicht ohne Bedeutung, besonders, wenn der Grund so stringent mit der militärisch-männlichen Sozialisation verknüpft ist, dass auch Experten zwischen Männern und Soldaten oft nicht unterscheiden. Und wenn das als typisch militärisch befundene Soldatenverhalten – von Prostitution über sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder bis zum allgemeinen Drang zur Gewalttätigkeit – sich im zivilen männlichen Verhalten so deutlich spiegelt.

Da stellt sich mindestens die Frage, warum der Staat erst mit grossem Aufwand und zur Gefährdung der zivilen Allgemeinheit Männer zu Kampfmaschinen ausbildet, um dann Frauen ebenso aufwendig aber etwas geschlechtsspezifisch zu deren Zähmung aus- und fortzubilden, statt von Anfang an auf «Zivilisierung» – also auf Gewaltlosigkeit im Interesse gesellschaftlichen Zusammenlebens – zu setzen? Die Frage ist weniger, ob sich auch biologische Frauen bis zur Entzivilisierung militarisieren lassen, sondern ob jemand will, dass sich Männer – nach jahrhundertelanger staatlicher Sozialisation zur Gewaltausübung – zur Gewaltlosigkeit und Gesellschaftlichkeit bekennen? Und die Frage ist, warum wir die Aufgaben des Friedens, erst recht die entscheidende Ausbildung von Männern und Frauen zur Fähigkeit, zusammenzuleben, Frieden zu stiften und zu erhalten, Konflikte gewaltlos zu schlichten und humanitär zu intervenieren – was wir sonst unter dem Begriff der Zivilcourage zusammenfassen – ausgerechnet in die Hände und unter die Regie des Militärs stellen sollten? Die konsequente friedenserhaltende Massnahme heisst nicht «Frauen ins Militär», sondern: kein Militär.

Fussnoten:
1 Tages-Anzeiger, 20.6.98
2
Nora, 10/99
3
Tages-Anzeiger, 20.6.98
4
Coopzeitung, Nr.28, 8.7.98
5
La Liberté, 25.9.99, meine Übersetzung
6
Tages-Anzeiger, 3.7.98
7
Weltwoche, 5.3.98
8
Gerard DeGroot, «Do women make better peacekeepers», The Christian Science Monitor, 16.-20.7.99, meine Übersetzung
9 Ebd.

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Gleichstellung in der Armee

(rs) Auf Grund einer Klage einer deutschen Elektronikerin gegen die Bundeswehr hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Frauen der Militärdienst mit der Waffe nicht generell verboten werden darf. Der EuGH kommt zum Schluss, dass die Mitgliedstaaten zwar frei in der Organisation ihrer Streitkräfte, aber auch in diesen Entscheiden an das Gleichstellungsgebot im Gemeinschaftsrecht gebunden seien. Ausnahmen seien zwar gestattet, müssten aber eng ausgelegt werden und könnten nur spezifische Tätigkeiten betreffen.

In einem ähnlichen Fall hatte das Gericht kürzlich die Praxis der britischen Armee geschützt, Frauen vom Dienst in den Royal Marines, einer ausgeprägten Kampfeinheit, auszuschliessen. Eine Britin hatte sich als Köchin beworben: bei den Marines müsse jedoch auch der Koch jederzeit zum Kampfeinsatz abkommandiert werden können, befand der EuGH. (NZZ, 12.1.00)

 

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