Editorial

Ausgiebig wurde in diesem Sommer über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg diskutiert. Die seichte Doku-Soap des Schweizer Fernsehens über das Leben im Réduit bot den Me dien reichlich Stoff, um das Sommerloch zu füllen. Eifrig wurde am Mythos der wehrhaften Armee und der Einheit von Militär und Bevölkerung gezimmert. Die unmenschliche Flüchtlingspolitik und die stillschweigende Sympathie eines Teils der Eliten mit den Nationalsozialisten kamen kaum zur Sprache. Aber auch der bodenständige, sehr bewusste Antifaschismus vieler einfacher Leute war kein Thema. «Politik ist tabu» lautete das sehr politische Motto des Fernsehens.

Fast gänzlich ignorierte die Sendung auch die engen Wirtschaftsbeziehungen und die Schweizer Rüstungsexporte an die Achsenmächte, welche den Krieg unnötig verlängerten. Rund 2’500 Flugzeuge der Alliierten schossen die Deutschen beispielsweise mit Flab-Geschützen der Oerlikon-Bührle ab. Es war nicht etwa so, dass Deutschland Druck auf die Schweiz ausgeübt hätte, Waffen zu liefern. Im Gegenteil, Deutschland wollte sich ursprünglich aus strategischen Gründen und um Devisen zu sparen nicht von Waffenimporten aus dem Ausland abhängig machen. Möglich wurden Schweizer Waffenlieferungen erst, nachdem Rüstungsindustrielle wie Dieter Bührle die deutschen Behörden mit Unsummen bestochen hatten. In den ersten drei Kriegsjahren zahlte Bührle mehr Schmiergelder nach Berlin als Löhne an die Beschäftigten in der Schweiz. Gleichzeitig stornierte er Bestellungen der Schweizer Armee, um die bereits hergestellten Kanonen zu besseren Konditionen den Deutschen zu verkaufen.

In späteren Jahren lieferten dieselben Schweizer Unternehmen Waffen ans Apartheid-Regime in Südafrika, an die Mullahs im Iran, an die Generäle in Burma und den Irak unter Saddam Hussein. Im vergangenen Jahr lieferte Rheinmetall Air Defence (so heisst Oerlikon-Bührle heute) Kanonen für über 100 Millionen Franken an Pakistan. Die beste Lehre für die heutige Zeit kann nur heissen: Setzen wir diesem Geschäft mit dem Krieg endlich ein Ende!

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