Eindrücke eines Aussenstehenden

 

Die in diversen Medien an prominenter Stelle lancierte Diskussion über eine neue Armee- Abschaffungs-Initiative hat bei mir das in den letzten Jahren stark abgekühlte Interesse an der GSoA wieder geweckt. Deswegen erachtete ich es auch als notwendig, mich persönlich an der VV in Solothurn am Stand der Dinge zu informieren und mir meine Meinung zu bilden. Mein Nichtinteresse an der GSoA in den letzten Jahren hat konkret nichts mit dem Glauben an die Notwendigkeit zu tun, die Armee abzuschaffen, sondern mit dem Setzen von anderen Prioritäten. Nach der grossen Euphorie beim ersten Versuch, die heilige Kuh Armee zu schlachten, bereits nachlassender Begeisterung für die F/A-18-Geschichte, beschränkte sich mein persönliches Interesse und Engagement auf einige wenige Gespräche rund um die GSoA sowie auf die jährliche Bezahlung meines Obolus. Da kam die erneute Diskussion und der medienwirksam initiierte ‘Lancierungsbeschluss’ ge- rade richtig, um die Sinne für die GSoA wieder zu schärfen. Soweit zur Vorgeschichte. Mit einigen Erwartungen aber auch voller Skepsis fuhr ich an die VV nach Solothurn. Doch schon am Anfang wurden die Erwartungen ein wenig gedämpft. Zwar war das Medieninteresse riesig, der Aufmarsch angesichts der im Vorfeld so angeheizten Stimmung allerdings recht dürftig. Erschreckend gering an der Zahl waren auch die an der VV teilnehmenden Frauen sowie die Vertretungen der de facto nicht mehr existierenden kleineren Regionalgruppen. Ausserdem, von Aufbruchstimmung und Euphorie keine Spur! Für mich als nicht Eingeweihter ging dann aber die ganze Diskussion ein wenig zu schnell, und von dem Tempo, das die Lancierungswilligen vorgaben, fühle ich mich persönlich überrumpelt und überfordert. Ausserdem: Ist es ein gutes Omen, wenn verdiente Kräfte, die sich jahrelang für die GSoA exponiert und eingesetzt und wesentlichen Anteil daran haben, dass die Armee ihren Heiligenschein verloren hat, riskieren an den Rand gedrückt zu werden? Zwar hat eine vorhergehende VV beschlossen, mittels einer Arbeitsgruppe einen Entwurf für die GSoAII für die diesjährige VV vorzubereiten, doch denke ich, hat es die GSoA mit Ausnahme der Jugoslawienkampagne verpasst, über eine ‘umfassende Friedenspolitik’ weiterzudiskutieren, die von einer breiteren Öffentlichkeit bemerkt worden wäre. Anhand einer voreiligen Initiative wird nun mit viel Aktionismus versucht, die GSoA einige Jahre weiter am Leben zu erhalten. Ich denke, zur jetzigen Zeit, wo innenpolitisch sehr viel im Umbruch ist, wo Themen wie Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Verunsicherung, Armut und Ausgrenzung hoch im Kurs sind, andererseits im vermehrten Aufflammen von kriegerischen Ereignissen viele Menschen sich selber nicht im Klaren sind über Notwendigkeit, Sinn und Unsinn einer Armee, bedarf es vermehrter Anstrengungen, Erreichtes abzusichern und in kleinen Schritten auf das Ziel ‘Armee abschaffen’ loszusteuern. Durch den finanziellen Druck, durch die Enttabuisierung der Armee ist das Militär in der Schweiz einem grossen Druck ausgesetzt. Die Erosion setzt sich unaufhaltsam fort, für viele immer noch zu langsam, im Vergleich zu früher aber trotzdem recht schnell. Die wichtige, bald zur Abstimmung kommende Waffenausfuhrinitiative wird die Debatte sicherlich zur einer Glaubensfrage ‘Armee ja oder nein’ machen. Ausserdem steht mit der ‘Halbierungsinitiative’ ein weiteres wichtiges Anliegen zum Thema Armee zur Diskussion. Wie die aktuelle Stimmung aber zeigt, sind im Moment nicht allzu viele Menschen an dieser Diskussion interessiert. Das sieht man an der sehr harzig und teilweise auch nur halbherzig geführten Unterschriftensammlung für die Halbierungsinitiative. Meiner Meinung nach steht die Diskussion für eine Neulancierung einer zweiten Armee- Abschaffungsinitiative noch weit am Anfang. Das jetzt aber von der VV beschlossene Eiltempo, bis März 97 die Entscheidungsgrundlagen für die definitive Lancierung von zwei Volksinitiativen geschaffen zu haben, schliesst viele Interessierte rein aus Kapazitätsgründen von einer inhaltlichen Diskussion und einer aktiven Mitgestaltung aus. Deswegen war ich in Solothurn dagegen, auf diesem Weg fortzufahren. Eine Initiative zu beschliessen und die notwendigen Unterschriften zusammenzubringen ist das eine, eine Volksbe- wegung auszulösen wie vor 10 Jahren, als es um die Verletzung eines Tabus ging, ist das andere. Wenn die GSoA-AktivistInnen glauben, die Armee könnte man ein zweites Mal frontal angreifen, werden sich die Militärs diese Chance nicht nehmen lassen, ihre verunsicherten Strukturen zu festigen und den Erosionsprozess innerhalb des EMD zu stoppen. Ich persönlich glaube, dass mit der übereilten GSoA II eine deutliche Niederlage an der Urne eingefangen und ein politischer Scherbenhaufen zurückgelassen wird, ohne – und das ist das Wesentliche – im Gegensatz zum ersten Mal, die Grundfeste und die bürgerlichenWerte unseres Staates nur annähernd erschüttern zu können! Zwar gibt es die Armee immer noch, doch hat es die GSoA im letzten Jahrzehnt geschafft, mittels einer Utopie eine Volksbewegung auszulösen, Strukturen ins Wanken zu bringen und neue Denkmodelle zu fördern, die im EMD und in den Betonköpfen tiefe Risse hinterlassen haben. Hüten wir uns davor, diese Risse voreilig zu flicken!

 

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