Gibt es Hoffnung?

Die Wahl von Joe Biden bringt auf der internationalen Bühne vieles in Bewegung. Wie stehen
die Aussichten, dass die USA in den kommenden Jahren friedenspolitisch eine positive Rolle
einnehmen werden?

EIN ANSTÄNDIGER MENSCH

ANDREAS WEIBEL

Selbst für einen US-Präsidenten ist es keine Trivialität, einen Krieg anzuzetteln. Es braucht eine ideologische Mission, Gestaltungswillen, Be harrlichkeit. Nichts davon hatte Donald Trump. Ihm fehlte die Fähigkeit, sich länger als die 280 Zeichen von Twitter auf ein Thema zu fokussieren.So führte er zwar die militärischen Engagements sein Vorgänger weiter, ohne viel Enthusiasmus, er begann jedoch keinen neuen Konflikt. Joe Biden ist ein anderes Kaliber. Er und sein Team werden die Weltpolitik in ihrem Sinne zu gestalten versuchen. Seine Administration hat nicht nur die Macht, sondern auch die Fähigkeit dazu. Müssen wir deshalb mehr militärische Konflikte als unter seinem Vorgänger fürchten? In seiner jahrzehntelangen Karriere machte Biden Fehler, aus denen er jedoch lernte. Als Senator stimmte Biden zwar für den Irakkrieg, bereute diesen Entscheid jedoch. Er hat bereits angekündigt, dass er nach den verlorenen vier Jahren unter Trump von der Politik des nationalen Egoismus wieder auf die Bühne des Multilateralismus zurückkehren werde. Bereits in seinen ersten Amtstagen hat Biden den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation und vom Pariser Klimaabkommen rückg.ngig gemacht. Für das von Trump einseitig aufgekündete Atom-Abkommen mit dem Iran gibt es nun wieder Hoffnung. Für Biden ist klar, dass es der beste Weg ist, ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten zu verhindern. Auch in Diskussion über die Rüstungskontroll-Abkommen mit Russland wird es neue Dynamik geben. Biden hat zu viele andere Baustellen, als dass er sich einen atomaren Rüstungswettlauf mit Putin leisten möchte. Die Weiterführung der bisherigen .bereinkünfte zwischen Russland und den USA wird jedoch eine Herausforderung, da beide Staaten China als neuen Konkurrenten sehen, und dieses sich bisher in keinster Weise daran interessiert sah, sich in ein Rüstungskontroll-Abkommen einbinden zu lassen. Michael Moore, Ikone der amerikanischen Linken und Regisseur von «Bowling for Columbine» und «Fahrenheit 9/11», ist optimistisch. Im Nachgang zu den Wahlen attestierte er Biden einige sehr traditionelle Werte, welche für die nächsten Jahre entscheidend sein werden: Der neue Präsident sei ein von Grund auf anständiger Politiker und ein mitfühlender Mensch. Hoffen wir, dass sich diese Werte auch in der Sicherheitspolitik der neuen Administration niederschlagen werden. keinster Weise daran interessiert sah, sich in ein Rüstungskontroll-Abkommen einbinden zu lassen. Michael Moore, Ikone der amerikanischen Linken und Regisseur von «Bowling for Columbine » und «Fahrenheit 9/11», ist optimistisch. Im Nachgang zu den Wahlen attestierte er Biden einige sehr traditionelle Werte, welche für die nächsten Jahre entscheidend sein werden: Der neue Präsident sei ein von Grund auf anständiger Politiker und ein mitfühlender Mensch. Hoffen wir, dass sich diese Werte auch in der Sicherheitspolitik der neuen Administration niederschlagen werden.

 

BRINGT BIDEN MEHR FRIEDEN? NEIN.

MAGDALENA KÜNG

Der Kontrast zwischen dem abtretenden und dem antretenden US-Präsidenten scheint markant. Was Trump an Eloquenz, Wille zu antidiskriminierenden Positionen (und Sprache) und Politikerfahrung mangelte, macht Biden praktisch problemlos wett. Viele der sichtbarsten Aspekte der US-Politik dürften zumindest nachvollziehbarer werden. Man freut sich für die USA. Doch weil die USA eben die USA sind, muss man sich immer auch fragen, ob sich der Rest der Welt freuen kann. Der Fokus liegt dabei häufig bei wirtschaftlichen Beziehungen – die geschätzt über 1000 Militärbasen, auf die die USA Zugriff haben oder die von den USA selbst betrieben werden, finden weniger Erwähnung. Dabei haben die USA die Entente von Aussenpolitik und Militär modernisiert. Eine Tatsache, die uns alle etwas angeht – und die Biden nicht einfach so verändern können wird. Trump war kein Präsident, der als Lokomotor einer konfliktabbauenden und friedensfördernder USA in die Geschichte eingehen wird. Im Gegenteil: seine Politik hat existierende Konflikte alimentiert, diplomatische Anstrengungen erschwert und seinen Teil zur internationalen, auch atomaren Aufrüstung beigetragen. Hier liegt zu Recht viel Hoffnung auf der Biden-Harris-Administration, diese Verschärfungen im internationalen Umfeld wieder rückg.ngig zu machen. Nur: Reicht das? Biden selbst schreibt in einem Essay, er wolle die USA wieder als Anführer der Welt sehen. Er betont zwar, dass ihm dabei die Achtung demokratischer Institutionen und Prozesse in Zusammenarbeit mit der Staatengemeinschaft wichtig seien. Biden dürfte aber dennoch wenig daran gelegen sein, die militärische Macht der USA zu schmälern. Denn: Das Pentagon wird nicht von einem Tag auf den anderen Diskurs und Strategie ändern können. China, Russland und der Iran werden für die Biden-Harris-Administration nicht an Bedeutung verlieren, genauso wenig wie es der Krieg gegen den Terrorismus tun wird. Es wäre also überraschend, wenn das 700 Milliarden Budget des Pentagon gekürzt würde. Die Biden-Harris-Administration bringt einen Stilwechsel. Ob in Sachen Sicherheitspolitik bereits gefeiert werden darf, wissen wir noch nicht. Denn auch wenn man keine versteckte Agenda Bidens vermuten muss, so bleibt doch der Verdacht, dass die Idee der Sicherung, Erweiterung und Verteidigung von Freihandel und Demokratie durch militärische Mittel stärker ist als jede Präsidentschaft.

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