Hybrid-Kriege

Wenn es ein Terrain gibt, auf dem das ausgehende 20. Jahrhundert etwas ganz Neuartiges hervorgebracht hat, dann ist es das Gebiet der Kriegsführung. Die jüngsten Kriege haben sich einen neuen Look zugelegt. Dem Geist der Zeit entsprechend, der die Rhetorik des Multiethnischen favorisiert, präsentieren sie sich in gewissermassen multi-polemologischen Hybridformen. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war so etwas noch nicht gesehen worden. Was Russland in Tschetschenien vorführt, schrieb die «New York Times» am 16. Januar 2000, sind «stalinistische Schlachten, die mit amerikanischen Taktiken» geschlagen werden. Von einem Krieg, der stalinistisch und zugleich amerikanisch ist, wissen die militärischen Handbücher nichts. Ähnliches gilt aber auch für den vorausgegangenen Kosovo-Krieg, durch den sich die russischen Generäle offensichtlich inspirieren liessen, bis hin zu den Techniken der medialen Vermittlung. Kriege müssen nicht nur geführt, sondern auch verkauft werden. Die Strategen der Nato hatten im Frühjahr 1999 gezeigt, dass man Vorgehensweisen miteinander kombinieren kann, die vorher als unvereinbar angesehen worden waren. Was in traditionalistischer Weise in der Öffentlichkeit «Kosovo-Krieg» genannt wurde, war in Wirklichkeit ein neuartiges Mischprodukt aus halbherziger militärischer Intervention in einen herkömmlichen – von Serbien im Kosovo gegen die UÇK geführten – «counter-insurgency-war» und grossflächig und risikolos gegen die serbische Zivilbevölkerung praktizierter Folter aus der Luft. Diesem Hybrid-Krieg entsprach eine ebenso hybride Geisteshaltung, die jenen überhaupt erst möglich machte. Als «militaristischen Pazifismus» charakterisierte der Soziologe Ulrich Beck treffend die neue ideologische Mischform, die sowohl dem Dreinschlagen als auch der Scheu vor dem eigenen Risiko ein gutes Gewissen verschaffte. Der ehemalige Kriegsdienstverweigerer Bill Clinton, der ehemalige Rüstungsgegner Javier Solana und der ehemalige Linksradikale Joseph Fischer repräsentierten diesen Hybrid-Pazifismus auf meisterhafte Weise in der Öffentlichkeit. Im Krieg und im Frieden darf in Zukunft mit mancherlei Überraschungen von der Art stalinistisch-amerikanischer Kriege gerechnet werden.