Kampf der Fundamentalisten

Karrikaturen zwischen Pressefreiheit und Anti-Islamismus. Eine Einschätzung.

Mit der Veröffentlichung von zwölf Mohammed-Karikaturen hat die rechtskonservative dänische Zeitung «Jyllands Posten» in der islamischen Welt Stürme der Empörung losgetreten – und die christlich-fundamentalistische Strömung im eigenen Land gestärkt. Das Perfide an dem medialen Coup: Es ist den anti-islamischen Hetzern gelungen, die Meinungsäusserungsfreiheit für sich zu reklamieren.

«Satire darf alles», sagte der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky. Wieso also nicht den Propheten Mohammed als Selbstmordattentäter darstellen? Die Frage ist berechtigt, doch sie zielt in die falsche Richtung. Denn bei der Veröffentlichung der Karikaturen durch die dänische Zeitung ging es nicht um die Äusserung einer Meinung – genauso wenig wie beim postwendend vom Grafiker der iranischen Zeitung “Hamschahri” ausgerufenen Wettbewerb um Karikaturen über den Holocaust. Es handelt sich vielmehr um kalkulierte Provokationen der Fundamentalisten beider Seiten, die auf die Sensibilität der jeweils anderen Kultur zielen, um dann selbst aus der Überreaktion politischen Profit zu schlagen. Und da sich reisserische Schlagzeilen diesseits wie jenseits des vermeintlichen Grabens besser verkaufen als beschwichtigende Aufrufe zu Mässigung und Dialog, kam es zu einer gefährlichen Polarisierung, die auch im Konflikt um das iranische Atomwaffenprogramm eine Rolle spielt.

Menschenrechte als kultureller Besitz des «Westens»?

Einige europäische Kommentatoren sehen «uns» dabei im Recht, weil «wir» uns im Gegensatz zu «denen» an die Menschenrechte halten. Dabei werden die Menschenrechte zwar als universell gültig angesehen, zugleich aber als alleinige kulturelle Errungenschaft des Westens dargestellt. Mal wird der Ursprung der Menschenrechte in der christlichen Tradition verortet, mal werden ihre Wurzeln im säkularisierten Wertesystem der Aufklärung ausgemacht. Jedenfalls geht es um etwas, das «wir» gegen «die» verteidigen müssen.

Dabei werden Ansatzpunkte zur Anbindung der Menschenrechte an islamische Traditionen und Überlieferungen bewusst unterschlagen. So verweisen progressive Imame auf die Sure 2,256: «Es gibt keinen Zwang in der Religion» als anschlussfähige Grundlage von Religionsfreiheit. Der Islam hat genau wie das Christentum Phasen der Toleranz und Phasen der Intoleranz gegenüber anderen Religionen durchgemacht, und dass die christlich dominierten Teile der Welt heute säkularisierter sind als die islamisch dominierten, sollte uns nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass Islam und Religionsfreiheit grundsätzlich unvereinbar seien.

Vor allem in den Vereinigten Staaten hat der Diskurs der moralischen Überlegenheit des Westens eine geradezu paradoxe Wendung genommen: Da sich die «Feinde der freien Welt» nicht an die grundlegenden Regeln des Völkerrechts halten, sieht sich die Grossmacht USA auch nicht mehr daran gebunden: Ein bisschen Folter ist halt nötig, um die Terroristen zu bekämpfen – die Menschenrechte sollen also verteidigt werden, indem sie ausser Kraft gesetzt werden.

Doppelmoral vom Action-Film bis zur Atomwaffe

Die zum Teil heftigen Reaktionen auf die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in einigen islamischen Ländern ist auf ein Gefühl der Demütigung zurückzuführen, das auch durch die Doppelmoral vieler westlicher Politiker gespiesen wird. Wer sprach von Meinungsäusserungsfreiheit, als Edmund Stoiber die Zensur des türkischen Films «Im Tal der Wölfe» verlangte? Der Film bedient rassistische Vorurteile, und das ist zu verurteilen. Doch sind die Action-Filme aus Hollywood da wirklich anders? Oder sind wir es einfach mehr gewohnt, dass der weisse Held die orientalischen Finsterlinge niedermäht und nicht umgekehrt? Genauso selbstverständlich wird bei uns die Argumentation hingenommen, Atomwaffen im Iran seien eine Gefahr, während diejenigen in den USA, in Grossbritannien oder Israel der Sicherheit dienten. Macht man es dem fundamentalistischen Regime im Iran damit nicht zu leicht?