Kein Ende der Gewaltspirale

«Seit drei Jahren war die Hoffnung auf einen Nahost-Frieden nie mehr so begründet wie heute». So haben Schweizer Zeitungen nach dem Irak-Krieg über die Perspektiven im Nahost-Konflikt geschrieben. Inzwischen sind die Hoffnungen, dass der Friedensplan, die «Road-map», umgesetzt werden kann, gesunken. Welche Gründe könnten zu einem Scheitern führen?

Die «Road-map» hatte schon von Beginn an einen entscheidenden «Konstruktionsfehler»: Die Konfliktparteien müssen in ihren Bestrebungen zur Umsetzung der «Road-map» immer nur einen Schritt weit gehen, bevor die Gegenpartei wieder am Zuge ist. Die Konfliktparteien stehen nicht unter dem Druck, verschiedene Massnahmen gleichzeitig angehen zu müssen. Im Umgang mit den palästinensischen Extremisten hat dies dazu geführt, dass Sharon von Abbas die Zerschlagung der palästinensischen Extremisten forderte, im Wissen, dass dies für Abbas so gut wie unmöglich ist. An diesem Punkt einmal angekommen, scheint somit die Sackgasse erreicht. Die «Road-map» zerbricht wie ein Kartenhaus, wenn im ganzen komplexen Gebilde eine Karte nicht gespielt wird. Gleichzeitig wird währenddessen mit anderen Massnahmen der Friedensprozess torpediert, indem der Abbau sogenannt illegaler Siedlungen verschleppt wird und neue Siedlungen mit der Begründung von natürlichem Wachstum entstehen. Der Mauerbau wird fortgesetzt, Ausgangssperren werden verhängt und Ehegesetze erlassen, die es Palästinensern künftig verunmöglichen sollen, durch Heirat israelische Staatsbürger zu werden. Diese Entwicklungen führen dann auch dazu, dass Abbas, der ohnehin schon ohne viel Rückhalt aus der eigenen Bevölkerung angetreten ist, handlungsunfähig dasteht und sich in einer blossen Statistenrolle wieder findet. Er wird zwischen den verschiedenen Machtblöcken zerrieben, weil er immer nur soviel machen kann, wie ihm die Interessenvertreter gerade zugestehen. Dadurch wird Arafat auf der anderen Seite wieder zu jener Person, bei der die Fäden zusammenlaufen. Und Arafat hat zum Thema Gewalt ein ambivalenteres Verhältnis als Abbas, der Gewalt bis anhin immer klar verurteilte.

Wo bleibt das «Nahost-Quartett?»

Der «Road-map» wurden zu Beginn einzigartige Qualitäten zugesprochen. Das Dokument sei der erste Friedensplan in der Geschichte des Konflikts, der von den wichtigsten Akteuren außerhalb der Region gemeinsam erstellt und verabschiedet worden sei. Richtig an dieser Einschätzung ist, dass, – im Gegensatz zu früheren Initiativen – die Europäer diesmal von ihren Verbündeten miteinbezogen wurden. Die EU-Staaten, haben sich bis anhin aber nicht viel von diesen Gestaltungsmöglichkeiten zu Nutzen gemacht. Als Mitverfasser der «Road-map» sind sie nie als massgebender Einflussfaktor aufgetreten. Man überliess die Gespräche den USA und leistete keinen Beitrag dazu, dem US-Unilateralismus, den man sonst so gerne anprangert, entgegenzutreten. Anstatt das Thema im Rahmen der Uno zu auf den Tisch zu bringen, arbeitet man lieber auf die Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses hin. Sollten die Europäer sich in Zukunft vor allem als Hilfssoldaten der USA im Irak und Afghanistan wiederfinden, wird man den Palästinensern einiges zu erklären haben. Entscheidend ist, und darauf könnten die Europäer hinarbeiten, dass sich die Lebensumstände der PalästinenserInnen endlich in dem Masse verbessern, dass den palästinensischen Extremisten die Zustimmung aus Teilen der Bevölkerung genommen werden kann, womit Selbstmordattentate nicht mehr als Vergeltungsakte dargestellt werden können. Durch die passive EU-Haltung war Bush bisher nie gezwungen, vor dem anstehenden Präsidentschafts-Vorwahlkampf Ende des Jahres auch unpopuläre Entscheide fällen zu müssen, die Teile seiner Wählerschaft irritieren könnten.

Viel zu verlieren

Um den vorhandenen Antiamerikanismus in der arabischen Welt nicht noch zusätzlich zu verstärken, wurde vor dem Irak-Krieg viel mit dem Argument geworben, dass sich der Sturz des irakischen Regimes positiv auf den Nahost-Konflikt auswirken werde. Sollte sich diese Verheissung als blosse Worthülse entpuppen, und sich die Region einmal mehr vor dem immer gleichen Scherbenhaufen wieder findet, dann hat man damit nicht nur eine grosse Chance vergeben, sondern genau jenen extremistischen Gruppierungen Vorschub geleistet, die man zu bekämpfen vorgibt.

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