Kein Frieden ohne soziale Sicherheit

Zehntausende von Menschen gingen im Frühjahr dieses Jahres in der Schweiz gegen den Krieg auf die Strasse. Diesen Herbst stehen Mobilisierungen gegen «Rentenklau» und gegen Steuergeschenke für Reiche an. Gibt es Berührungspunkte zwischen Antikriegsprotesten und dem Widerstand gegen Sozialabbau?

Explodierende Rüstungsausgaben und Kahlschlag im Sozialbereich – das ist die Politik der USA der vergangenen Jahre. Während die Militärausgaben seit 1999 von 270 Milliarden Dollar auf rund 500 Milliarden Dollars fast verdoppelt wurden, meldeten die Verwaltungen der grossen amerikanischen Städte kürzlich einen Notstand bezüglich Anträgen auf Sozialhilfe und Notunterkünfte. In den USA hat sich der Graben zwischen Armen und den sogenannten «Superreichen» in den letzten Jahren massiv vergrössert. Laut einer Untersuchung des «Internal Revenue Service» verdienten die 400 reichsten Amerikaner im Jahr 2000 im Durchschnitt 174 Millionen Dollar. Ihr Einkommen ist zwischen 1992 und 2000 um das 15-fache gewachsen. Das Durchschnittseinkommen der unteren 90 Prozent hingegen nahm im gleichen Zeitraum gerade um 17 Prozent auf 27.000 Dollar zu. Und die Reichsten konnten erst noch von gigantischen Steuergeschenken der Regierung Bush profitieren.

Eine Hand wäscht die andere

Es ist nachvollziehbar, warum der Krieg gegen den Irak, der die amerikanischen Steuerzahler täglich Millionen Dollars kostet, ohne wahrnehmbare Opposition aus der Wirtschaft geführt werden konnte und geführt werden kann: Mit dem Verweis auf die unvermeidbaren Kosten im «Krieg gegen Terrorismus» wurden die staatlichen Sozialausgaben reduziert, die Verteidigungsausgaben sowie die Mittel für die «Homeland-Security» massiv aufgestockt. Die Gewinne der Rüstungs- und Sicherheitsfirmen steigen. Die gesamte US-Wirtschaft profitiert auch von hochdotierten Aufträge an US-Firmen für den Wiederaufbau in Afghanistan und im Irak.

Und die Schweiz?

In der Schweiz ist ein Zusammenhang zwischen Kriegspolitik und Sozialabbau weniger offensichtlich. Die Schweizer Armee ist an keinem Offensivkrieg beteiligt und die Militärausgaben waren seit 1999 gar leicht rückläufig. Und dennoch gibt es Parallelen zur Entwicklung in den USA: Zum einen hat sich die Schweizer Armee in den letzten Jahren in Bewaffnung und Doktrin kontinuierlich an die NATO angenähert. Dies in einem Zeitraum, in dem sich die NATO von einem Verteidigungsbündnis zu einem Militärbündnis gewandelt hat, welches die Interessen der Mitgliedsstaaten auch ausserhalb ihres Territoriums «verteidigen» will. Zum andern stehen auch in der Schweiz diverse Vorschläge zur Debatte, welche die soziale Sicherheit gefährden. Wie die kürzlich erschienene Studie «Soziale Ungleichheit in der Schweiz» aufzeigt, verdient das reichste Fünftel der Erwerbstätigen ca. 45 Prozent des Gesamteinkommens. Mit dem von den Räten verabschiedeten Steuersenkungspaket erhalten diese Steuergeschenke im Umfang von rund 4 Milliarden Franken.- auf Kosten des öffentlichen Verkehrs, der Bildung, der AHV, der Entwicklungszusammenarbeit und der Umwelt. Die geplante Erhöhung des Rentenalter und die Senkung der Renten werden zudem dazu beitragen, dass soziale Ungleichheit zu- und nicht abnehmen.

Für eine gerechtere Welt

Eine Welt, in der die Kluft zwischen Armen und Reichen immer grösser wird, kann keine friedlichere Welt werden. In einer Welt, in der sich die reichen Staaten des Nordens zusammenschliessen, um ihre Privilegien mit militärischen Mitteln abzusichern, werden Kriege zur brutalen Normalität. Und ein Engagement gegen eine weltweite ungerechte Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen gehört zusammen mit Widerstand gegen Sozialabbau und Umverteilung in der Schweiz. Für die Gewerkschaften in der Schweiz ist dies selbstverständlich – darum haben sie sich an den Protesten gegen den Krieg aktiv beteiligt. Es ist zu hoffen, dass auch die Zehntausenden von Friedensbewegten diesen Herbst erneut auf die Strassen gehen, um sich gegen den Abbau von sozialen Sicherheiten in der Schweiz zu wehren.