Kein Trost für die Trostfrauen

«comfort women» wurden die Zwangsprostituierten im pazifischen Raum während dem 2. Weltkrieg genannt. Interview mit einer Aktivistin aus Korea.

Aus Anlass des 60. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen satt und es erschienen diverse Publikationen, welche die Verbrechen in Europa ausleuchten. Fast unbekannt ist hingegen das Schicksal der «Trostfrauen» des pazifischen Krieges.

Am 10. August 2005 fanden in zahlreichen Länder Mahnwachen statt, die an das Schicksal der «comfort women» erinnerten – so auch in Bern. Die GSoA beteiligte sich an dieser Aktion, um auf die Verbindung zwischen Militarismus und Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen aufmerksam zu machen. In den Jahren zwischen 1937 und 1945 wurden durch japanische Truppen 200’000 Frauen aus ganz Asien verschleppt, um sie in Truppenbordellen als «Trostfrauen» zur Prostitution zu zwingen. Dieses immense Kriegsverbrechen, das begangen wurde, um die Moral der Truppen zu heben, ist durch die japanische Regierung noch immer nicht aufgearbeitet.

Seit 1992 demonstrieren koreanische Frauen jeden Mittwoch vor der japanischen Botschaft in Seoul. Im Rahmen dieser «Mittwochsdemonstrationen» fanden auch die Aktionen vom 10. August statt. Die GSoA-Zeitung sprach mit der Organisatorin der Schweizer Mahnwache, Meehyun Chung. Sie ist koreanische Theologin, seit diesem Jahr leitet sie die Stabsstelle «Frauen und Gender» beim Evangelischen Missionswerk Basel (Mission 21). In ihrer Funktion unterstützt sie Frauenprojekte in Partnerkirchen und -ländern.

Frau Chung, von wem werden die Mittwochsdemonstrationen organisiert?

37 Frauenorganisationen in Korea organisieren die wöchentlichen Demonstrationen vor der japanischen Botschaft in Seoul. Initiiert wurden die Demonstrationen in erster Linie von christlichen Frauen, mittlerweile hat sich aber die TrägerInnenschaft ausgeweitet. Ich selber bin Mitglied des koreanischen Theologinnenvereins, der sich an den Demonstrationen beteiligt.

Aus Anlass des 60. Jahrestages des Kriegsendes im Pazifik wurde der weltweite Aktionstag organisiert. Ende Juni kam eine Opferfrau in nach Genf, um bei der UNO und der International Labour Organization (ILO) auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. So wurde der Kontakt in die Schweiz verstärkt.

Die Motivation, in der Schweiz eine Aktion durchzuführen, wurde dadurch verstärkt, dass ich die vielen Berichte zum Kriegsende in Europa gesehen habe und mir aufgefallen ist, dass der Krieg im Pazifik aber nicht im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu sein scheint. Deshalb wollten wir zum erinnern an die Kriegsverbrechen durch Japan beitragen und auf das Leiden der Opferfrauen aufmerksam machen.

Was sind die Ziele der Kampagne?

In erster Linie geht es darum, die Vergangenheit bekannter zu machen. Nur wer sich der Geschichte bewusst ist, kann dazu beitragen, dass sich diese Tragödie nicht wiederholt. Als das Thema Ende der 80er Jahre aufgegriffen wurde, ging es darum, das Schweigen zu brechen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges litten die «comfort women» weiter. Die Reintegration in die koreanische Gesellschaft gestaltete sich äusserst schwierig. Die Frauen schämten sich und die Ereignisse wurden als Schande für die Familie betrachtet. Von den betroffenen Frauen erwartete man, dass sie sich umbringen oder gar nicht zurückkehren würden. Deshalb haben die meisten der Frauen über die Verbrechen geschwiegen. Ende der 80er Jahre setzten dann einige mutige Frauen dem Schweigen ein Ende. Viele der 120 noch lebenden Opferfrauen beteiligen sich an der Kampagne und sprechen über ihre Erlebnisse.

Gibt es auch politische Forderungen?

Die Demonstrationen fordern, dass Japan die Verbrechen anerkennt und sich offiziell bei den Frauen entschuldigt. Bis heute gab es erst Entschädigungen auf privater Basis. Das wollen aber die betroffenen Frauen nicht. Sie wollen, dass das Leid, das ihnen angetan wurde, offiziell anerkannt und verurteilt wird.

Eine weitere Forderung besteht darin, dass sich Japan dem internationalen Strafgerichtshof unterstellt.

Wie ist die Reaktion Japans auf die Demonstrationen?

Von der japanischen Regierung gibt es bislang keine positiven Zeichen. Die Erinnerung an die japanischen Kriegsverbrechen gestaltet sich schwierig. Die alljährliche Wallfahrt zum Schrein der japanischen Kriegsgefallenen, an der auch der Ministerpräsident teilnimmt, ist zum Beispiel eine grosse Provokation gegenüber den Opfern der japanischen Expansion im Zweiten Weltkrieg. Die japanischen Gefallenen, welche dort als Kriegshelden geehrt werden, sind für uns zu einem grossen Teil Kriegsverbrecher. Unter ihnen befinden sich viele hochrangige Offiziere, die den Krieg und die Verbrechen verursacht haben.

Wir befürchten eine japanische Nostalgie, die sich nach dem Militarismus und dem japanischen Imperialismus zurück sehnt. Solche Zeichen bedrohen den Frieden in Asien.

Daneben gibt es aber auch in Japan Minderheitsgruppen, die uns in unserer Kampagne unterstützen.

Was konnten die Demonstrationen bisher in Korea auslösen?

Allmählich wird das Thema in Korea bekannter, vor allem im Vergleich zu den 90er Jahren. Ich hoffe vor allem, dass sich die junge Generation für die Vergangenheit interessiert und sich mit der Geschichte der «comfort women» auseinander setzt.

Wir erhalten Unterstützung vom Ministerium für Frauen und Gender, es unterstützt die Überlebenden finanziell, zudem hat es ein Cybermuseum eingerichtet, dass die Geschichte der «comfort women» dokumentiert. Leider bisher nur auf Koreanisch.

In Korea befinden sich zahlreiche US-Amerikanische Militärstützpunkte. Ist Prostitution ein Thema?

Das ist ein sehr schweres Thema. Überall auf der Welt, wo es Militärstützpunkte gibt, gibt es auch Prostitution. Das Problem in Korea ist, dass der Vertrag mit den USA sehr schlecht für die koreanische Seite ist. Die US-Soldaten sind nicht dem koreanischen Recht unterstellt. So gab es einen Fall, der für grosses Aufsehen sorgte: Ein US-Soldat ermordete eine Prostituierte, er konnte aber in Korea nicht dafür belangt werden und wurde einfach wieder nach Hause geschickt. Solche Fälle gibt es immer wieder.

Es gibt Frauengruppen, welche die Prostituierten unterstützen. Unsere Kampagne plant die Einrichtung eines Museums für Frieden, das darauf Aufmerksam macht, dass immer Frauen die Opfer von militärischer Gewalt sind. Sei das in Korea, in afrikanischen Kriegen oder im ehemaligen Jugoslawien.

Es ist wie eine Ironie der Geschichte, dass der Militäreinsatz Süd-Koreanischer Truppen in Vietnam ebenfalls zu Zwangsprostitution geführt hat.

Frau Chung, vielen Dank für das Gespräch.

Wo Armeen sind, ist Prostitution nicht weit

(sd) Leider ist Zwangsprostitution im Zusammenhang mit Truppenstationierungen nicht nur ein historisches Thema, sondern noch immer brandaktuell. Die Öffentlichkeit wurde durch den Bericht von Amnesty International über «Trafficking» (Der Handel von Frauen, um sie der Prostitution auszuliefern) im Kosovo vom 6. Mai 2004 aufgeschreckt. Amnesty recherchierte, dass die Anzahl Bordelle im Kosovo seit Beginn der Kfor-Mission drastisch zugenommen hat. Vor allem Frauen aus Moldawien und Rumänien werden unter falschen Versprechungen in den Kosovo gebracht und dort für Preise zwischen 50 und 3500 Euro gehandelt.

GSoA-Koordinationsmitglied und Nationalrat Jo Lang reichte am 20. Mai dieses Jahres eine Anfrage ein, in der er vom Bundesrat verlangt, aufzuzeigen, ob sich das VBS zu diesem Thema inzwischen Gedanken gemacht habe und ob es konkrete Schritte unternommen habe, um zu verhindern, dass die Schweizerische Militärpräsenz die Prostitution fördere. Obwohl die Antwort des Bundesrats noch aussteht, war sich Nationalrat Leu bereits im Juni während der Debatte um die Verlängerung des Swisscoy-Einsatzes der Schweiz sicher, dass Schweizer Soldaten und Frauenhandel nichts miteinander zu tun haben. Er bezeichnete es als zynisch, den Frauenhandel, den er nicht abstritt, mit der Diskussion um die Swisscoy zu «vermischen».

Amnesty International hat mehr als ein Jahr nach dem Erscheinen des Berichts eine Petition mit über 29’000 Unterschriften eingereicht, die von der UNMIK-Polizei fordert, Straftaten im Zusammenhang mit Frauenhandel und Prostitution im Kosovo konsequent zu verfolgen und die Rechte der Frauen wirksam zu schützen.

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