Konflikte made in Switzerland

In einer globalisierten Welt können bewaffnete Konflikte nicht mehr isoliert betrachtet werden. Bürgerkriege werden von aussen finanziert und Waffen aus dem Ausland geliefert. Welche Mechanismen tragen zu Entstehung von bewaffneten Konflikten bei? Und welche Verantwortung trägt dabei die Schweiz?

Ende des letzten Jahrtausends wurde die Bezeichnung Blutdiamanten einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Es handelt sich dabei um Edelsteine, welche aus Bürgerkriegsländern stammen. Diese Diamanten dienen Konfliktparteien dazu, sich aus dem Erlös Waffen zu kaufen. Ein viel besprochenes Beispiel dabei ist Angola. Hier spielten zwei Ressourcen für den Bürgerkrieg eine entscheidende Rolle: Während die Regierung sich durch den Verkauf von Öl auf dem Weltmarkt mit neuen Waffen ausrüstete, finanzierten sich die Rebellen mit Diamanten. Oder wie ein angolanischer General es in einem BBC-Interview 1999 formulierte: «Wir nehmen Verluste hin, erholen uns aber schnell. Wenn wir einen Panzer verlieren, nehmen wir das Telefon zur Hand und bestellen einen neuen.» Erst nachdem der Uno Sicherheitsrat ein Embargo für von Rebellengruppen geförderte Diamanten durchsetzte, trat in Angola relative Ruhe ein.

Der Kimberley Process

Die Diamantenlobby reagierte schnell auf die Anschuldigungen und mögliche Boykotte. Sie versucht sich mittels Selbstregulation vor negativer Publicity zu schützen. Dieser sogenannte «Kimberley Process» soll den Handel und Verkauf von Blutdiamanten unterbinden. Um dies zu erreichen, werden Zertifikate ausgestellt, um die jeweilige Herkunft der Diamanten zurückverfolgen zu können. Es soll nur noch mit Diamanten aus konfliktfreien Ländern gehandelt werden.

Spuren des Diamanthandels führen auch in die Schweiz. Wer durch die Zürcher Bahnhofstrasse geht, versteht schnell, dass die Schweiz zu den grossen Diamantwiederverkäufern gehört. Ein beträchtlicher Anteil der verkauften Edelsteine sind jedoch noch immer Blutdiamanten, denn es gibt unzählige Möglichkeiten, den Kimberley Process zu umgehen. Sei es durch gefälschte Zertifikate, durch Schmuggel aus dem Bürgerkriegsland in ein als sicher geltendes Nachbarland oder durch das Schleifen von Diamanten im Land selber (es werden nur Rohdiamanten zertifiziert). Auch erstaunt ein Blick auf die am Kimberley Process teilnehmenden Länder: So werden auch Diamanten aus der Demokratischen Republik Kongo zertifiziert, obwohl dort einer der blutigsten Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg herrscht. In weniger als fünf Jahren sind bisher mehr als drei Millionen Menschen gestorben.

Es muss also dringend mit wirksameren Instrumenten gegen den Handel mit Blutdiamanten vorgegangen werden. Generell kann Selbstregulierung der jeweiligen Industrien wohl einen (kleinen) Beitrag leisten, keine kriegsrelevanten Ressourcen mehr zu handeln. Selbstregulierung allein reicht jedoch sicher nicht aus.

Noch mehr Verwicklungen

Der Diamantenhandel ist nicht das einzige Geschäftsfeld, das eng mit Kriegen und Konflikten verknüpft ist und dessen Fäden auch in die Schweiz führen. Wenn Schweizer Kriegsmaterial in krisengeschüttelte Regionen verkauft wird, ist unsere Verantwortung augenfällig. Regelmässig sorgt auch der hiesige Bankenplatz für negative Schlagzeilen, wenn dank Bankgeheimnis Gewaltherrscher und Kriegsfürsten ihre Finanzgeschäfte hierzulande tätigen.

Auch andere Rohstoffe sind oft problematisch: Der Handel mit seltenen Erzen, Hölzern oder Gold aus Konfliktgebieten kann zur Finanzierung von Kriegen dienen. Eine zentrale Voraussetzung für diese Geschäfte ist, dass sich die Rohstoffe auf dem Weltmarkt absetzen lassen. Hier spielt die Schweiz eine wichtige Rolle: Einige der weltweit grössten Rohstoffhändler haben ihren Sitz im Kanton Zug. Von dort aus können sie ihre Geschäfte tätigen, ohne irgendjemandem Rechenschaft ablegen zu müssen.

Blut für Öl

Eine besonders zentrale Ressource stellt Erdöl dar. Durch die Abhängigkeit der westlichen Welt vom schwarzen Gold ist es strategisch so essentiell geworden, dass nicht nur Unternehmen in Kriege um diesen Rohstoff verwickelt sind, sondern auch Staaten. Die Herrschaft über die irakischen Ölfelder dürfte zumindest einer der Gründe für den amerikanischen Feldzug gewesen sein. Auch Konflikte im Kaukasus, in Zentralasien, im Nahen und Mittleren Osten oder in Venezuela stehen alle in enger Beziehung zur Ressource Öl. Und die Liste liesse sich beliebig erweitern.

Während der weltweite Verbrauch an fossiler Energie immer noch rasch ansteigt, sind die Erdölvorkommen langsam am Versiegen. Voraussichtlich wird der Kampf um Ölreserven deshalb noch an Schärfe gewinnen. Selbst die EU bereitet sich mit ihrer im Aufbau begriffenen Armee erklärtermassen auf militärische Auseinandersetzungen um Ölfelder vor. Die Schweizer Verantwortung liegt hier an zwei Orten: Einerseits ist die Schweiz einer der grössten Rohölhandelsplätze, andererseits auch ein grosser Verbraucher von Öl. Wenn wir in Betracht ziehen, dass rund ein Drittel des Rohöls, welches die Schweiz importiert, aus Nigeria stammt und sogar eine von Shell in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Shell in Nigeria konfliktverstärkend wirkt, wird unsere Schweizer Mitverantwortung deutlich. Verantwortung zu tragen hiesse hier, unseren Energieverbrauch radikal auf alternative Energiequellen umzustellen und die Ölhandelsfirmen in Zug und anderen Steuerparadiesen endlich mit griffigen Gesetzen zu regulieren.

Wie weiter?

Gefordert ist die Wirtschaft, welche mit ihrem Verhalten Konflikte direkt oder indirekt auslösen oder verlängern kann, sowie die Politik und Strafverfolgungsbehörden, welche die Spielregeln der Wirtschaft gestalten und überwachen. Aber auch jedeR einzelne KonsumentIn hat eine gewisse Verantwortung, auch wenn wohl kein widerspruchsfreies Leben möglich ist.

Die GSoA wird sich weiter mit diesem Thema auseinandersetzen und versuchen, politischen Druck auf fehlbare Unternehmen auszuüben. Nur wenn sich eine breite Öffentlichkeit über die Verwicklungen der Schweiz in Konflikte bewusst wird, werden Lösungen überhaupt erst angedacht werden und politisch durchsetzbar sein.