Krieg hat ein Geschlecht

Das feministische Gutachten zu den zwei GSoA-Initiativprojekten hat Diskussionen ausgelöst. Das ist gut so. Aufgabe von uns allen ist es, mit unseren beiden Initiativen die Diskussion über geschlechtsspezifische Aspekte unserer Friedens- und Sicherheitspolitik weiterzuführen.

Im Zentrum unserer GSoA-Arbeit steht das Ziel «der Institution des Krieges und seiner Vorbereitung die moralische Legitimation zu entziehen». Zentraler Inhalt feministischer Bemühungen ist der Institution Männer(kriegs)herrschaft die moralische Legitimation zu entziehen. Diese Kernaussagen in einem Artikel von Hanne-Margret Birckenbach in der GSoA-Zitig Nr. 24 vom September 1988 – eine der ersten GSoA-Zitigen, die ich zur Seite gelegt habe, als ich damals in der GSoA aktiv wurde – zeigt die logische Verknüpfung unserer GSoA-Arbeit für eine andere Friedens- und Sicherheitspolitik mit Forderung nach einer Neudefinition der Geschlechterrollen deutlich.

Dieser Verknüpfung müssen wir uns auch heute bewusst sein, wenn wir zwei neue Initiativen für eine Schweiz ohne Armee und einen freiwilligen zivilen Friedensdienst lancieren.

Diskussionsdefizite aufgezeigt

Tatsache ist: Wie rund um die GSoA-Abstimmung 1989 haben in den vergangenen Jahren in der GSoA viel mehr Männer als Frauen mitdiskutiert und wir haben geschlechtsspezifische Aspekte von Militarismus und Gewalt zu wenig thematisiert. Solange die strukturellen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern so sind, wie sie sich heute präsentieren, kann es nur ein «zu wenig» und kein «genug» an Auseinandersetzung darum geben.

Das feministische Gutachten zu den zwei GSoA-Initiativprojekten hat dieses Diskussionsdefizit kritisiert. Recht so. Auch wenn das Gutachten in mehreren Punkten nicht die Basis für eine weitere Auseinandersetzung legt – salopp wurde festgehalten, dass die Abschaffung der Armee eine Zunahme der Alltagsgewalt zur Folge hätte, weil Partnerinnen zwei bis drei Wochen weniger lang vor prügelnden Männern verschont bleiben – hat es ein Ziel erreicht: Es gibt mehr Diskussionen über das Geschlecht von Gewalt. Verschiedene Kritikpunkte des Gutachtens sind in der Weiterbearbeitung der Initiativtexte auch eingeflossen.

Chance nutzen

Anhand der beiden neuen Initiativprojekte lassen sich Forderungen nach einer Neudefinition der Geschlechterrollen gut thematisieren. Die Kritik am identitätsstiftenden Männerritual Armee und die Forderung nach anderen, gleichberechtigten und gewaltfreien Sozialisierungselementen soll und kann bei der Initiative für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst einfliessen. Die Kritik an männlichen Allmachtsphantasien sowie technokratischen Sicherheitsdiskussionen und die Forderung nach einer gewaltfreien Konfliktbearbeitung können wir mit der Initiative für eine Schweiz ohne Armee gut einbringen. Nur: Es ist weder von Männer noch von Frauen sinnvoll, wenn sie sich zurücklehnen und warten, bis andere diese inhaltliche Arbeit leisten. Es ist ebensowenig sinnvoll, Diskutieren und Handeln als zwei getrennte Prozesse zu betrachten und die neuen GSoA-Initiativen ins Pfefferland zu verwünschen, bevor wir keine ganzheitliche, also auch feministische Friedenspolitik abschliessend skizziert haben. Zentrales Ziel GSoAtischer Arbeit soll sein, diese gesellschaftlich dringend notwendigen Diskussionen breit zu führen. Mit den beiden Initiativen haben wir dazu gute Möglichkeiten.

 

MOMA

Das Juni-Heft des Monatsmagazins MOMA widmet sich dem Thema «Gewalt und Geschlecht». Es befasst sich schwerpunktmässig mit männlicher Alltagsgewalt beziehungsweise mit möglichen Gegenmassnahmen, mit der prekären Stellung von Frauen im öffentlichen Leben sowie mit politischen und theoretischen Geschlechterkonzeptionen. Beiträge von Almuth Bruder-Bezzel, Lu Decurtins, Johanna Dohnai, Ursula Fiechter, Ursula Glück, Alberto Godenzi, Silvia Grossenbacher, Margarete Langheit, Adrian Ramsauer, Ursula Renz, Martin Senti, Christina Stoll und Maja Wicki. MOMA ist zu beziehen für Fr. 8.- pro Nummer unter:

Postfach, CH 8031 Zürich, Tel. 01/272 90 10.