Kuhglocken vor dem Münster

Vor drei Jahren wurde das Postulat ‹Aktive Friedenspolitik in der Stadt Bern› überwiesen. Darin wurde ein Verbot von Defilees und Fahnenübergaben in Bern gefordert. Die Regierung meldete juristische Bedenken an, und heute bereitet der Stadtpräsident dem Berner Alarmregiments bereits wieder einen offiziellen Empfang. Die GSoA Bern war bei der Fahnenabgabe vor dem Empfang und hat dabei das Zeitalter der Armee ausgeläutet.

Selten hat ein parlamentarischer Vorstoss soviel Wirbel ausgelöst wie das Postulat von Ursula Hirt (Grünes Bündnis), das eine aktive Friedenspolitik von der Stadt Bern verlangte.
Die Postulantin forderte eine Entmilitarisierung der Stadt Bern, also eine zivile Umnutzung der Kaserne, ein Verzicht auf Defilees, Fahnenübergaben und militärische Übungen in der Stadt Bern. Zudem sollte der Gemeinderat (in Bern: Exekutive) alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine aktive kommunale Friedenspolitik zu entwickeln. Das Parlament überwies den Vorstoss. Darauf erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Seitenweise erschienen LeserInnenbriefe in Berner Zeitungen und Ursula Hirt erhielt eine Morddrohung.

Weitere Diskussionen unerwünscht

Der Gemeinderat bekam kalte Füsse. Gegen die Armee, so hiess es nun von Seiten der Exekutive, gebe es nichts einzuwenden. Das Postulat habe man nur entgegengenommen, weil einzelne Punkte des Vorstosses prüfenswert seien. Schliesslich wurde die Anwort der Regierung auf das Postulat im Anhang des Verwaltungsberichtes klammheimlich abgedruckt und die ganze Angelegenheit als erledigt betrachtet. Eine öffentliche Diskussion wurde vermieden. 
Viel zu diskutieren gab es auch nicht. Der Gemeinderat war der Meinung, dass Fahnenübergaben, Defilees und militärische Übungen nicht unterbunden werden können, weil übergeordnetes Recht tangiert würde. Der Einsatz des Gemeinderates für das Gemeinwohl, sein Bekenntnis zu einer ökologischen und sozialen Stadt und sein Kampf gegen Ausgrenzung seien Friedenspolitik genug. 
Die Verhandlungen mit dem Kanton über eine zivile Teilnutzung hingegen haben zu einem sichtbaren Ergebnis geführt: Ein Projektwettbewerb für die Umnutzung der ehemaligen Pferdestallungen und der Reitschule auf dem Kasernenareal ist bereits über die Bühne gegangen. Die Berner Musikschule ist unter anderem als Nutzerin der Gebäulichkeiten vorgesehen und eine Sanierungsvorlage wird derzeit in der kantonalen Verwaltung vorbereitet.

GSoA läutet das Zeitalter der Armee aus

Am 31. Oktober 1996 war dann offensichtlich die Zeit reif für eine offizielle Audienz der Armee beim Stadtpräsidenten Klaus Baumgartner. Ausgerechnet dem Berner Alarmregiment erwies SP-Genosse Baumgartner die Ehre. Nach dem Militärpolizei-Bataillon 1 und dem Festungswachtkorps würde diese neugebildete Formation als eine der ersten Einheiten für den ‹Assistenz-› bzw. ‹Ordnungsdienst› gegen die Zivilbevölkerung aufgeboten. Gegen die öffentliche Fahnenabgabe des Alarmregiments wandte sich die GSoA Bern gemeinsam mit dem Grünen Bündnis und der Jungen Alternative JA!.
Rund fünfzig Personen halfen mit, das Zeitalter der Armee in der Stadt Bern auszuläuten. Gerade als Major Jean-Marc Halter zu seiner Rede anheben wollte, ertönte auf dem Münsterplatz plötzlich ein Kuh-Glocken-Gebimmel und Pfeifkonzert. Schilder mit der Aufschrift «Das Zeitalter der Armee ausläuten» wurden geschwenkt und hinter der Rednertribüne prangte plötzlich ein grosses Transparent am Münster. 
Die Stadtpolizei Bern und die Kader des Alarmregiments fanden die Aktion nicht so lustig. Die PolizistInnen packten wacker zu und hielten mehrere Protestierende bis zum Ende der Veranstaltung fest. Nicht einmal das stille Aufhalten von Schrifttäfelchen wurde toleriert. Aber auch das Alarmregiment räumte bald den Münsterplatz. Die Lust auf grosse Reden war verflogen, die Zeremonie wurde abgekürzt, die Fahne eilig abgegeben. Die Truppe marschierte ab in Richtung Erlacherhof, wo der offizielle Empfang durch den Stadtpräsidenten stattfand. Bei diesem Empfang beklagte sich der Regimentskommandant Konrad Annasohn dann auch über die Zurückhaltung der Berner Stadtpolizei. 
Und die Moral von der Geschicht: Armee und Demokratie vertragen sich nicht. Wenn sich die Armee öffentlich zeigt, darf zwar geklatscht, keinesfalls aber protestiert werden.

Armee rüstet sich für den inneren Einsatz

Die Alarmformation des Infanterieregimentes Bern hat diesen Oktober ihren ersten Ausbildungskurs absolviert. Die schnelle Eingreiftruppe, deren Angehörige mit Pagern innerhalb von wenigen Stunden mobilisiert werden können, soll «in ausserordentlichen Lagen die Handlungsfähigkeit des Bundesrates und der Armeeführung» sicherstellen. Im Bedarfsfall soll die Armeeeinheit subsidiäre Sicherungseinsätze zum Beispiel zum Schutz des Flughafens Belpmoos wahrnehmen. Speziell trainiert wird aber auch Orts- und Häuserkampf.
Für den direkten Einsatz gegen Zivilisten wird das Alarmregiment weder ausgebildet noch ausgerüstet. Diese Aufgabe würde in erster Linie das 700 Mann starke Militärpolizei-Bataillon 1 übernehmen. 150 Angehörige dieser Einheit werden speziell für den Schutz des Bundesrates ausgebildet. Dem Militärpolizei-Bataillon 1 soll auch die jüngste Beschaffungsvorlage des Bundesrates zugute kommen; die Ausrüstung besteht unter anderem aus Radschützenpanzern, Schlagstöcken, Gummischrot- und Tränengasgewehren. Ein erster WK für das Militärpolizei-Bataillon soll noch diesen Dezember stattfinden.
Zusätzlich stehen 250 Festungswächter für eine allfällige Unterstützung der Polizei zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zur Verfügung. In dritter Linie würden territoriale Bereitschaftstruppen bzw. das Alarmregiment zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung eingesetzt. Wenn es aber darum geht, kurzfristig Armeeeinheiten zur Entlastung der Polizei für Assistenzaufgaben zu mobilisieren, damit sich die Polizei auf die Bekämpfung allfälliger Unruhen konzentrieren kann, kommt wiederum das rasch mobilisierbare Alarmregiment zum Zuge. Wenn das Alarmregiment dabei auch zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung eingesetzt würde, müssten die Soldaten vorher noch eiligst ausgebildet werden. Alles unklar? So soll’s auch sein, damit möglichst alle Optionen offen bleiben.