Latente Gefahr

Ende August lädt die Basler Regierung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten zum hundertsten Jahrestag des Zionistenkongresses von 1897 ein. Die InitiantInnen beabsichtigen, mit der Gedenkveranstaltung «eine vorurteilsfreie Sicht auf den Zionismus und den Staat Israel zur Geltung zu bringen». Nun will sich die Armee als Schutzengel der erwarteten 1500 Gäste profilieren.

Seit die Schweizer Armee ihren Feind verloren hat, ist sie verzweifelt auf der Suche nach neuen Freunden. Jetzt wird sie zum erstenmal aufgeboten, um eine international bedeutsame Gedenkfeier vor rechtsextremen Anschlägen zu schützen. Die Jubiläumsfeiern Ende August in Basel sind für die Armee ein gefundenes Fressen, um ihre angebliche Unentbehrlichkeit zu demonstrieren.

«Dem polizeilichen Denken fremd»

Der Einsatz der Armee beim Zionistenkongress in Basel fällt in den Bereich der neuen, noch nicht in Kraft getretenen ‹Verordnung über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen›. Diesen Verordnungsentwurf bemängelte nicht nur der Verband der Schweizerischen Polizeibeamten, sogar die Schweizerische Offiziersgesellschaft äusserte sich skeptisch: «Werden nämlich Truppen mit Interventionsaufgaben betraut, besteht die latente Gefahr, dass die Taktik der Polizei, insbesondere von Spezialeinheiten, durchkreuzt werden kann. Daran dürften indes die Polizeiformationen aus naheliegenden Gründen keinerlei Interesse haben.»

Pikanterweise lehnte auch der Kanton Basel den Verordnungsentwurf ab: Aktive Interventions-Einsätze, so die Basler Regierung, verlangten «von ‹Profis› ein Höchstmass an Training, … was bei einer Miliztruppe nicht möglich ist». Am Besuchstag der Grenadier-RS in Isone im Herbst 1996 haben die Basler Verantwortlichen zudem Ansichten angetroffen, «die unserem polizeilichen Denken und Verhalten sehr fremd sind.»

Wichtige Sicherheitsfunktionen werden der Armee also mangels Ausbildung nicht überantwortet. Die weniger heiklen Aufgaben im Hintergrund, die sie bei vorliegendem Fall übernehmen wird, wären aber ebensogut mit den zur Genüge vorhandenen zivilen Kräften lösbar. Die Armee wird in Basel nur subsidiär zum Gebäudeschutz, zur Luftraumüberwachung und für Personenkontrollen eingesetzt. Die Truppen sollen unbewaffnet sein, und die Einsatzverantwortung liegt bei den zivilen Behörden. Warum aber wird die Armee überhaupt eingesetzt? Brauchen wir jetzt auch noch Freunde und Helfer in Tarnanzügen? Oder will das Militär einfach von seinen Legitimationsproblemen ablenken?

Die wirklichen Sicherheitsbedürfnisse der KongressteilnehmerInnen werden von 450 Sicherheitspolizisten aus Basel und beinahe nochmals so vielen Kollegen aus weiteren Kantonen abgedeckt. Das Reservoir an Polizeikräften ist damit bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Von den gesamtschweizerisch 14’000 Polizeibeamten haben 8000 eine Ausbildung für den Ordnungsdienst. Die unter der Sparschraube leidenden kantonalen Polizeikorps dürften sich nur beschränkt freuen, wenn in Basel nun zusätzlich 730 vermeintliche ‹Gratis-Polizisten› der Armee zu Publicity-Zwecken herumstehen.

‹G’stampfte Jud›

Fragwürdig erscheint der Einsatz auch wegen des Hintergrundes des Anlasses. Im Laufe der jüngsten Aufarbeitung der Schweizer Vergangenheit kamen auch die antisemitischen Auswüchse in Armeekreisen zum Vorschein. Ein jüdischer Arzt mit 1200 Diensttagen in der Schweizer Armee berichtete im Tages-Anzeiger vom 27. Januar 97, wie ein vorgesetzter Instruktionsoffizier 1940 eine seiner ärztlichen Anordnungen vor versammelter Kompanie mit der Begründung zurückwies: «Von einem Judenoffizier nehme ich keine Befehle an.» Sogar Kollektiv-Todesdrohungen gegen jüdische Schweizer Soldaten blieben offenbar unbestraft.

Ein anderer Aktivdienstler erinnerte sich in der NZZ vom 3. Juni, wie Soldaten im Dezember 1942 auf erste Meldungen von deutschen «Todeslagern», in denen Leichenteile zerstampft und zu Seife verarbeitet würden, reagiert hatten: «Anderntags, als die Armeekonserven ‹Corned beef› verteilt wurden, hörte ich erstmals von einem Soldaten den Ausdruck ‹G’stampfte Jud›. Wie ich während des ganzen Aktivdienstes erfahren musste, hatte sich dieser abscheuliche Begriff in der Armee eingebürgert.»

Dort hält er sich noch immer. ‹Heer und Haus›, die Propaganda-Sektion des Generalstabes, forderte die Behörden noch im August 1942 dazu auf, «Flüchtlinge möglichst nicht ins schweizerische Erwerbsleben eindringen und … dort Schweizer verdrängen» zu lassen. Erst 1943 trat sie dem Antisemitismus als «ein Einfallstor für die fremde Propaganda» entschieden entgegen.

Militarisierung von Politik

Antisemitismus musste nicht notwendigerweise Nazi-Freundlichkeit bedeuten. Aber Antisemitismus gibt es auch heute noch in der Schweizer Armee. 1991 beschimpfte ein Oberleutnant einen Soldaten unter anderem als «verkrüppelter Saujude» und behauptete «Juden regieren die Welt dank der Macht des Geldes». Der Oberleutnant wurde vom Militärappellationsgericht zu fünf Tagen Gefängnis bedingt und zu 2000 Franken Schadenersatz verurteilt – und zwei Jahre später dennoch zum Hauptmann befördert. Rechtsextreme Gewalttäter haben nur in einem allgemeinen Klima der Intoleranz, nur auf dem Boden eines sich ausbreitenden Antisemitismus eine Chance. Wenn die Armee etwas für die Sicherheit der Basler KonferenzteilnehmerInnen tun will, sollte sie ihre eigene Vergangenheit ehrlich aufarbeiten, statt auf rechte Feindbilder zu schielen.

Neben diesen Kritikpunkten gilt es, die Inneren Einsätze der Armee allgemein zu hinterfragen. Nicht nur das machtpolitische Mittel des Ordnungseinsatzes der Armee, sondern auch der neu geschaffene ‹Assistenzdienst› zur Sicherung von Konferenzen, zum Schutz von Personen und Sachen ist bedenklich. Das Herzl-Jubiläum soll ein internationales Forum für polithistorische und interreligiöse Debatten sein. Dass die Armee den dafür nötigen politischen Raum mit ihrem Eingreifen vergrössert, ist nicht anzunehmen. Zu befürchten ist vielmehr, dass die Militarisierung der Sicherheitsfrage der politischen Diskussion im Weg steht.