Mangelerscheinungen

Eine Zugfahrt, die ist lustig. Das Tessin liegt auf der südlichen Seite und damit für viele jenseits der Alpen. Die Eisenbahn verbindet es mit dem Norden unter anderem durch den Gotthard. Im Stundentakt befahren zwei Züge diese Strecke. Der eine bringt die Strecke ohne Halt zwischen Arth-Goldau und Bellinzona hinter sich. Der zweite ist gemütlicher und hält in Schwyz, Brunnen, Flüelen, Göschenen, Airolo, Faido, Biasca. Man hat also mehr Zeit zur Betrachtung der schönen Berglandschaft. Nicht empfehlenswert ist die Benützung dieses Zuges allerdings, wenn man nach Cavigliano will, wo 1989 eine Mehrheit für die Armeeabschaffung stimmte. Die direkten Anschlüsse in Bellinzona und Locarno führen nämlich zu einem Schnellzug, der dort gar nicht hält, sondern erst in Intragna.

Ungeachtet dieser fahrplantechnischen Details konnte mit der ersten Diskussion am Samstagnachmittag doch noch begonnen werden. Zuerst ging es nochmals um den Vorbehalt in der ersten Initiative, der einen Entscheid über die Unterstützung bewaffneter internationaler Friedenseinsätze auch für eine Schweiz ohne Armee offen lassen möchte. Dagegen bestand bei Tessiner GSoAten seit den ersten Vorschlägen Opposition. In ihren Augen ist dieser Vorbehalt ein inakzeptables Zugeständnis an die staatlich-militärische Logik. Auf der anderen Seite überwiegt eine pragmatische Armeekritik, die möglichst viel Raum für die Diskussion des entscheidenden Anliegens – der Armeeabschaffung – sucht.

Diskussionen bringen es mit sich, dass gewisse Pegel im menschlichen Haushalt unter eine erträgliche Grenze sinken. So trocknen Mund und Rachen durch die verstärkte Mundbetätigung und damit einhergehender Durchlüftung aus, was zu Durst führt. Auch Hunger kann sich bisweilen als ganz natürliche Folge des Dahinvegetierens einstellen. Ein weiteres Phänomen ist der sogenannte Nikotinentzug. Ob es sich dabei wirklich um einen Nikotinmangel handelt, scheint fragwürdig; vielleicht entsteht durch die Abkühlung der Teeroberfläche in der Lunge einfach ein Vakuum, durch das die Zigarette dann unausweichlich angezogen wird. Wie dem auch sei, gewisse TeilnehmerInnen des Wochenendes konnten nicht auf den blauen Dunst verzichten, und es zeigte sich ob der Frage, wer wem mehr Gewalt antue, der Raucher den Nichtraucherinnen durch die Verschmutzung der Luft als Lebensgrundlage, oder der Nichtraucher den Raucherinnen durch Ausgrenzung oder sogar Diskriminierung, eine weitere fundamentale Differenz in den Reihen der GSoA. Hier dürfte die Lösung wohl in weiter Ferne liegen.

Und weiter ging’s mit der Bereinigung des Textes der ersten Initiative. In die zweite Übergangsbestimmung wurde die Überführung nützlicher Güter in zivile Zwecke einbezogen. Beschlossen wurde zudem ein Absatz, der den Bund zu sozialer Abfederung der arbeitsmarktlichen Folgen der Armeeabschaffung verpflichtet.

Bei der zweiten Initiative – für einen zivilen Friedensdienst – bedurfte es keiner grundsätzlichen Diskussion mehr. Kleinere Meinungsverschiedenheiten bestanden bezüglich der Entschädigung von Friedensdienstleistungen, der Geschelchterquotierung oder der Vertretung der kirchlichen Organisationen. Diese konnten aber zum allgemeinen Wohlgefallen ausgeräumt werden. In Bezug auf diese zweite Initiative dürfte es jetzt vor allem um die Vermittlung gehen. Schon in der GSoA bestehen Unklarheiten. Das sollte in der Öffentlichkeit, so gut es geht, vermieden werden – obwohl es sich da als noch schwieriger erweisen könnte.

Bei Ausflügen und Ferienaufenthalten ist es üblich, sich Erinnerungen in Form von Fotos zu schaffen. Nicht anders offenbar an GSoA-Wochenenden. Oder geht es da nur um künftige Platzhalter für die Zeitung? Am frühen Sonntagnachmittag tauchte plötzlich ein Fotoapparat auf und machte gedrückt und ablichtend seine Runde. Natürlich durfte auch eine Abbildung der ganzen Gruppe nicht fehlen. Derentwegen beschloss man sogar, die Diskussion zu unterbrechen, da das Sonnenlicht zu verschwinden sich anschickte. In der Höhe den Fotogott anhimmelnd sind die TeilnehmerInnen jetzt im Kasten.