Manipulation oder Wahrheit?

Die Beschwerde des Präsidenten des Schweizerischen Friedensrates gegen einen Artikel von Hans Hartmann, damals WoZ-Redaktor und GSoA-Aktivist, wurde abgelehnt. Eine – für die Wahrheit – notwendige Polemik.

Am 15. Juli 2001 reichte Ruedi Tobler, Präsident des Schweizerischen Friedensrates, beim Presserat Beschwerde gegen einen Mitte Mai in der Wochenzeitung WoZ erschienen Leitartikel ein. Dem Autor dieses Artikels Hans Hartmann warf er «Manipulation» und «Desinformation» vor. Hans Hartmann habe die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten und Journalistinnen» verletzt, denn – so Tobler – «er hält sich nicht an die Wahrheit, lässt sich nicht vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren, unterschlägt wichtige Elemente von Informationen und entstellt Tatsachen». Das war starker Tobak. Bereits zuvor hatte Tobler der WoZ «GSoA-Hofberichterstattung» vorgeworfen und sich über die «wilde Räuber- beziehungsweise Militärgeschichte, (…) ob der einem die Haare zu Berge stehen müssen» beklagt. «Wieviel Stuss darf in der WoZ stehen?», fragt Tobler provokativ in einem Brief an die WoZ, der den inkriminierten Artikel als «offensichtlichen Unsinn» darstellte.


Der Sachverhalt

Was aber war eigentlich geschehen? Der Presserat stellt den Sachverhalt in seiner am 18. Dezember veröffentlichten Stellungnahme so dar: «Am 23. Mai 2001 erschien auf der Titelseite der WoZ ein Artikel von Hans Hartmann mit der Hauptüberschrift «Schweizer Armee, weltweit». Im Obertitel wurde der Beitrag folgendermassen eingeführt: «Armee XXI: die nächste Modernisierungsrunde kommt». (…) Hartmann stellte den Zusammenhang zwischen der damals bevorstehenden Abstimmung [Militärgesetzrevision, bewaffnete Auslandeinsätze] und der im Rahmen der Armeereform XXI vorgesehenen Totalrevision des Militärgesetzes und weiteren militärstrategischen Grundlagendokumenten her. (…) Hartmann stellte eine zunehmende Militarisierung der schweizerischen Aussenpolitik fest, die in Richtung eines (verschleierten) NATO-Interventionismus gehe. (…)».
In ihrer Stellungnahme zur Beschwerde Tobler hielt die WoZ an ihrer Darstellung fest und äusserte auch eine Vermutung, warum sich Ruedi Tobler derart entnervt an den Presserat wendete: Der bundesrätliche Entwurf für die Totalrevision des Militärgesetzes, beziehungsweise der neue Artikel 69 MG in diesem Entwurf, sehe «eindeutig gesetzliche Grundlagen für – allenfalls auch bewaffnete – Auslandeinsätze ohne Uno- bzw. OSZE-Mandat vor und zwar zur «Unterstützung humanitärer Hilfeleistungen» und zum Schutz «schweizerischer Interessen». (…) Das hatte zu diesem Zeitpunkt (Ende Mai) politische Brisanz, weil gewisse linke Kreise, zu denen möglicherweise auch Ruedi Tobler zu zählen ist, ihre Zustimmung zur Teilrevision des Militärgesetzes mit der Festschreibung eines obligatorischen UNO- bzw. OSZE-Mandats begründeten. Es ist darum verständlich, dass diesen Kreisen, die Publikation weitergehender VBS-Vorstellungen für bewaffnete Auslandeinsätze zu diesem Zeitpunkt unangenehm sein musste.»

Das Urteil
Weniger verständlich ist, dass der Präsident des Friedensrates als Verteidiger der Armeeplaner mit derart absurden Vorwürfen gegen die WoZ an den Presserat gelangte. Das fand sinngemäss auch der Presserat. Dieser stellte fest, dass es, wie in der WoZ beschrieben, «aufgrund des vorgeschlagenen Wortlauts der neuen Fassung von Art. 69 MG zuzutreffen scheint, dass für den im Vergleich zum geltenden Recht definitorisch ausgeweiteten Assistenzdienst im Ausland die Einschränkungen des Art. 66 nicht gelten sollen. Die Interpretation von Hans Hartmann, wonach die in Art. 66 MG enthaltene Beschränkung von bewaffneten Einsätzen im Ausland «UNO- bzw. OSZE-Mandate» durch eine ausgedehnte Interpretation der Neufassung von Art. 69 MG allenfalls umgangen werden könnte und bewaffnete Einsätze der Schweizer Armee damit zumindest theoretisch weltweit denkbar wäre», könne daher nicht als «unhaltbar und damit wahrheitswidrig» bezeichnet werden.
Damit hat nun – Ruedi Tobler sei dank – eine unabhängige Instanz (der wohl kaum «GSoA-Hofberichterstattung» vorgeworfen werden kann) festgehalten, dass die Analyse einer zunehmenden Angleichung der schweizerischen Militärpolitik an den Nato-Interventionismus als «pointierte Meinungsäusserung» akzeptiert werden muss, deren Grundlagen zudem «durch die Konsultation der einschlägigen – auch per Internet zugänglichen – Dokumente bei Bedarf zu überprüfen» wären. Das Urteil war eindeutig: «Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen». Von Manipulation, Desinformation oder gar einer «Verletzung der Wahrheitspflicht» könne «nicht die Rede sein».


Fazit

Man muss keineswegs komplizierte militärstrategische Dokumente konsultieren, um zu sehen, dass Hans Hartmanns Einschätzung keineswegs ein «aus der Luft gegriffenes Schreckensszenario ist», wie Ruedi Tobler behauptet. Es genügt, die für alle sichtbaren Bemühungen der schweizerischen Armeeplaner vorurteilsfrei zur Kenntnis zu nehmen. Zum Beispiel das Projekt für eine «Elitetruppe für Auslandeinsätze». Über sie berichteten die Schweizerische Depeschenagentur bzw. die «Neue Zürcher Zeitung» unter Berufung auf Generalstabssprecher Philippe Zano am 19. November 2001 so: «Die Eliteeinheit mit dem Namen «Aufklärungsdetachement» soll in Kriegszeiten für Operationen hinter feindlichen Linien eingesetzt werden. (…) In Friedenszeiten sollen diese Soldaten Aufklärungsaufgaben im Gelände wahrnehmen. (…) Weil es immer mehr lokale Konfliktherde gebe, sei es notwendig, dass auch die Schweiz über eine solche Einsatztruppe verfügt.» Gegenüber der Zeitung «dimanche.ch» verglich Zano – am 18.11.2001, in der heissesten Phase des Afghanistan-Krieges – die geplante Einsatztruppe mit der britischen Elitetruppe SAS beziehungsweise mit deren Einsätzen im Irak und in Afghanistan. Das «Aufklärungsdetachement» werde in ähnlichem Stil im Vorfeld von bewaffneten Auslandeinsätzen anderer Schweizer Truppenteile zum Einsatz kommen.
Ruedi Tobler darf natürlich weiterhin diese Tatsachen ignorieren, und zum Beispiel die «NZZ» oder «dimanche.ch» vor den Pressrat zitieren, weil sie solcherart «offensichtlichen Unsinn» publizieren. Und Peter Weisshaupt, der andere Friedensrat-Exponent, soll doch – wie in einem Mail an die GSoA – sich weiterhin über den «Anti-Globalisierungs-Schwachsinn» und die «Hasskappen-Fraktion der WoZ» ereifern, welche nach seiner Meinung die Kritik am «Euromilitarismus wie üblich ziemlich primitiv und ohne einen Hauch Unterschied zu rechtsradikalen Bewegungen» als Argument gegen den EU-Beitritt missbrauche (natürlich ohne Quellenangabe). Die UBS wird es – wie schon bei jenem «linken», von Peter Weisshaupt gemanagten Komitee, das sich letztes Jahr für die Militärgesetzrevision und gegen das GSoA-Referendum stark machte – auch bei der nächsten Gelegenheit wohl wieder mit einer 100’000 Franken-Spende honorieren. UnterstüzerInnen des Friedensrates sollte dies allerdings zu denken geben.