Männerträume – Frauenmuster

Von Ingrid Rusterholtz

Die GSoA-Zitig Nr. 69 veröffentlichte zwei Kritiken von Frauen aus der GSoA am feministischen Gutachten von v. Felten und Haeberli. Ingrid Rusterholtz, eine der für das Gutachten befragten Expertinnen und Mitautorin bei verschiedenen GSoA-Publikationen, antwortet darauf.

Das Muster ist bekannt: Frauen schicken sich an, den Stoff, aus dem Männerträume sind, zu analysieren – und augenblicklich sind andere Frauen zur Stelle, verteidigen die Männerprojekte und -fantasien und verunglimpfen bei dieser Gelegenheit auch gleich noch die Arbeit jener Frauen. Derweil können sich die Gestalter des untersuchten Forschungsgegenstands gemütlich zurücklehnen und aus dem für einmal angenehmen Abseits interessiert beobachten, was das Damenmatch als nächstes bereithält. Ein Paradebeispiel dieses Musters lieferten einige GSoAtinnen in der GSoA-Zitig Nr. 69, kaum lag das feministische Gutachten über die GSoA-Initiativprojekte vor.

Risiko …

Nun liegt es bekanntlich im Wesen von Gutachten, dass die Sichtweise der Auftraggebenden darin womöglich nicht bestätigt wird. (Wer dieses Risiko scheut, sollte es besser nicht eingehen.) Dann beginnt der Prozess der Auseinandersetzung, die Schärfung der Gedanken. Im vorliegenden Fall kam erst mal ein Angriff. Den Gutachterinnen wurde unter anderem «friedloses Hickhack» vorgeworfen – eine reichlich groteske Äusserung, allein schon angesichts der Tatsache, dass sich die beiden Frauen wohl kaum von sich aus zu den GSoA-Vorlagen geäussert hätten, wären sie nicht angefragt worden, ein Gutachten zu erstellen.

Gutachten sind Analysen, Stellungnahmen, Beurteilungen. Es gehört nicht zu den Inhalten von Gutachten, auch noch die Problemlösungen mitzuliefern. Was überall sonst selbstverständlich ist, gerät im vorliegenden Fall zur «verpassten Chance». Und dies sinnigerweise, obschon die Gutachterinnen – entgegen der sonstigen Usanzen – sehr wohl einige Vorschläge für das weitere Vorgehen nennen.

Über diese formalen Selbstverständlichkeiten hinaus verlangt auch die inhaltliche Kritik am Gutachten beziehungsweise an den Gutachterinnen nach einer Erwiderung, Damenmatch hin oder her. Ich beschränke mich in der Folge auf zwei Gedankengänge.

Anspruch und Wirklichkeit

Die GSoA I war eine geniale Idee, eine Art ‘soziale Erfindung’. (Die gleiche Erfindung lässt sich, nebenbei, nicht zweimal machen). Neben noch mehr Männern fühlten sich viele Frauen angesprochen, sie wohl insbesondere vom zweiten Teil der Initiative: «… für eine umfassende Friedenspolitik». Selbstverständlich steht es der GSoA frei, sich dem Militär und seiner Abschaffung beziehungsweise Entschlackung zu widmen. Keine Feministin hat etwas dagegen, im Gegenteil. Solange die GSoA jedoch ihren ehrgeizigen Anspruch, auch für eine umfassende Friedenspolitik einzutreten, aufrechterhält, so lange muss sie sich auch an diesem Anspruch messen lassen. Exakt das haben die Gutachterinnen getan. «Umfassend», das heisst mit Sicht auf alle Menschen – und da gehören die Frauen nun einmal dazu. «Mein Ernstfall ist das Leben», konstatierte einst Monika Stocker in Anspielung auf die ganz alltägliche Männergewalt gegen Frauen.

Entweder verzichtet die GSoA darauf, eine Gruppe für eine umfassende Friedenspolitik sein zu wollen, oder aber sie befasst sich mit der ‹zivilen› Gewalt gegen Frauen.

Biologismus?

Der zweite Gedankengang: Eines der probatesten Mittel, feministische Denkerinnen zu diffamieren, ist, sie des Biologismus zu bezichtigen. Auch das wurde nicht versäumt. Was die Gutachterinnen benannt und problematisiert haben, ist hingegen in jeder Kriminalstatistik nachzulesen: Über 90 Prozent der angezeigten Gewaltdelikte werden von Männern begangen. Diese Tatsache festzuhalten, hat nichts mit Biologismus zu tun, sondern mit Fakten. Und sie hat auch nichts mit Biologie zu tun, sondern ist eine Folge der gesellschaftlichen Konstruktion von sozialer Männlichkeit (nicht zu verwechseln mit biologischer Männlichkeit). Das ist heute nicht mehr nur in feministischen Kreisen bekannt. Worum geht es also?