Militärische Horden jeden Tag

Die Fussball-Europameisterschaft ist zu Ende. Sie ist reibungslos und ohne grosse Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Dennoch hinterlässt das Jahrhundertereignis einen bitteren Nachgeschmack.

Kampfflieger donnern im Tiefflug über das «Stade de Suisse». Medial geschickt inszeniert, um die Werbetrommel für die Schweizer Luftwaffe zu rühren und zu zeigen, dass ein Grossereignis wie die Europameisterschaft im eigenen Land ohne Armee nicht durchzuführen wäre.

Knapp 15’000 WK-Soldaten mussten für den grössten Einsatz der Armee seit dem 2.Weltkrieg in den Dienst einrücken. Im Einsatz waren letztlich nicht mehr als 3’700 Soldaten und der Feind, den es hauptsächlich zu bekämpfen galt, war die Langeweile. So wurden strategisch unbedeutende Objekte bewacht oder ganztägig in der Kaserne gejasst.Während der ersten WK-Woche waren ausserdienstliche Aktivitäten zwar noch strikt untersagt. Da die Stimmung mangels Betätigung zusehends auf den Nullpunkt sank, sahen sich die Vorgesetzten gezwungen, diese Regelung zu lockern. So kam es, dass ganze Kompanien während der EM beim Kampfbräunen in der Badi, auf dem Minigolfplatz, beim fröhlichen Bräteln im Wald, beim Biken oder beim Go-Kart fahren anzutreffen waren.

Kein Feind? Keine Armee!

Da die Armee heutzutage über keine realistischen Feindbilder mehr verfügt, müssen solche aus dem Hut gezaubert werden. Der aktuelle Sicherheitsdiskurs, in dem mit Ängsten gespielt und fantasievolle Bedrohungsszenarien erfunden werden, stellt eine weitaus grössere Herausforderung für eine demokratische Gesellschaft dar als islamistische Terroristen oder wildgewordene Hooligans.

Die Armee verfügt über keinen fassbaren Gegner mehr und gerät unter Legitimationsdruck. Denn wo es keinen Feind gibt, braucht es auch keine Armee. Um sich dieser Debatte zu entziehen, sucht die Schweizer Armee ihr Heil seit längerem in subsidiären Einsätzen am World Economic Forum in Davos, dem eidgenössischen Turnfest oder eben an der Euro 08. Die Armee versucht so, sich selbst als Garantin für Schweizer Grossanlässe zu etablieren – die Botschaft: Ohne Armee keine Grossereignisse.

Militär als neue Polizei?

Mit dem Fokus des Militärs auf Grossanlässe im Inland geht eine schleichende Militarisierung der Gesellschaft auf Samtpfoten einher. Die Gefahr, dass solche militärische Grossaufgebote mit der Zeit gesellschaftlich akzeptiert werden, ist grösser als dass wir von Terroristen, Hooligans oder politischen ExtremistInnen angegriffen werden. Es darf nicht sein, dass der Einsatz der Armee im Innern zum Alltag wird. Wenn Grundrechte zum Spielball von DemagogInnen und PopulistInnen werden, so bereitet dies Bauchschmerzen. Die Beschwörung des Terrorismus seitens der Militärführung als neues Feindbild ist ein offensichtlicher Griff in die Propagandakiste und nichts anderes als plumpe Angstmacherei.Terrorismus lässt sich weder militärisch bekämpfen, noch stellt dieser derzeit eine ernsthafte Gefahr für die Schweiz dar.

Spätestens seit dem 11. September 2001 haben Hardliner weltweit Aufwind.Folter wird salonfähig und bürgerliche Freiheits- und Grundrechte werden ausser Kraft gesetzt. Zu Recht stellten der freisinnige Nationalrat Dick Marty und Olav Kjorven, Direktor des UN-Entwicklungsprogramms, anlässlich einer internationalen Konferenz in Caux die provokative Frage: «Birgt Terrorismus oder Antiterrorismus mehr Gefahr?».

Statt Milliarden Steuerfranken für den Kauf von neuen Kampffliegern zu verschleudern, könnte dieses Geld weitaus effizienter gegen «den Terrorismus» eingesetzt werden. Zum Beispiel, indem man Exilgruppen finanziell unterstützt und fördert, das Bankgeheimnis abschafft oder Armut und Hunger weltweit bekämpft und so den fundamentalistischen Rattenfängern den Boden unter den Füssen entzieht. Dazu fehlt aber offensichtlich der politische Wille.

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