Mirage heisst Täuschung, Fata Morgana, Wahn

Die Schweiz macht sich wieder einmal dran, neue Kampfjets zu posten. Ein Rückblick.

Seit dem 18. Mai 2014 ist für die Schweizer Militärs und ihre politischen Anhänger nichts mehr so, wie es vorher gewesen ist. Das relativ deutliche Nein zur Beschaffung von 22 Gripen zum Kaufpreis von 3,126 Milliarden Franken machte zwei Sachen klar: Derart teure Vorlagen müssen dem Volk vorgelegt werden. Und: Ab nun sind sie Zitterpartien.
Dass der Bundesrat und das Parlament erstmals in der Geschichte einen referendumsfähigen Beschluss vorgelegt haben, hatte zwei Gründe: Erstens sprengten die Kosten den Rahmen der von den Bürgerlichen selber eingeführten Schuldenbremse. Und zweitens hatte die GSoA mit ihrer im Juni 2009 eingereichten Moratoriums- Initiative das Volk auf die Bühne gehievt, von der es nicht mehr zu entfernen war.

 

12 bis 48 Milliarden

Bereits drei Jahre nach dem Volks-Nein liegen für die Beschaffung neuer Kampfjets zwei offizielle Dokumente auf dem Tisch: «Luftverteidigung der Zukunft. Bericht der Expertengruppe Neues Kampfflugzeug» und «Empfehlungen der Begleitgruppe zur Evaluation und Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges» mit VertreterInnen aller Bundesratsparteien. Die vorgeschlagene Zahl der Flieger bewegt sich zwischen 20 und 70, die Kaufkosten (ohne bodengestützte Luftverteidigung) zwischen 4 und 16 Milliarden – bis spätestens 2030. Auf die ganze Lebensdauer von 35 Jahren aufgerechnet lauten die Beträge zwischen 12 und 48 Milliarden. In ihrem «Konzeptpapier Luftwaffe» (Oktober 17) schreibt die SP, dass man mit der Beschaffung bis 2035 warten kann. Da sie gleichzeitig die Zahl von 30 Kampfjets genannt hat, wird ein eventueller Kompromiss mit den Bürgerlichen sicher nicht darunter liegen. Die entsprechenden Lebensdauerkosten wären 18 Milliarden Franken, was ohne Erhöhung des Militärbudgets kaum möglich ist. Die GSoA vertritt die Haltung, dass 8 bis 12 Kampfjets für den Luftpolizeidienst reichen. Und dass es unsinnig ist, für surreale Szenarien Abermilliarden zu verpulvern. Die Grünen und die Juso sehen das gleich. Der Bundesrat selber hat 2016 in seinem Sicherheitspolitischen Bericht festgehalten, « dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass ein Grosskonflikt in Europa aus bricht und die Schweiz dann von diesem militärisch erfasst wird.» Die grösste sicherheitspolitische Herausforderung im Alpenland Schweiz ist die Klimaerwärmung.

 

Kriegsphantasien à la Mirage

Alle drei erwähnten Papiere erwägen auch den Kampfeinsatz der Schweizer Luftwaffe jenseits der Landesgrenzen, und zwar ausserhalb des Luftpolizeidienstes. Diese Kriegsphantasien erinnern an eine Aussage, die vor genau 60 Jahren gemacht wurde und zur Mirage-Affäre führte. Der Fliegerchef Etienne Primault, Leiter der Arbeitsgruppe für militärische Flugzeugbeschaffung, sagte am 29. November 1957: «Wenn man ein Flugzeug hätte wie beispielsweise den Mirage, der fähig ist, mit Atombomben nach Moskau zu fliegen, so könnte man sich einen Einsatz auch im Feindesland vorstellen.» Vier Jahre später beschloss das Parlament gegen sechs SP- und drei PdA-Vertreter den Wahnsinn von 100 Kampfjets, die auch Atomwaffen tragen können sollten, zu einem unrealistischen Preis von 871 Millionen Franken. 1964 brach der Mirage-Skandal aus, vor allem weil die Kosten viel zu tief berechnet worden waren. Erstmals in der Schweiz kam es zu einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Schliesslich blieb es bei 57 atomwaffenfreien Mirages zu einem Gesamtpreis von 1,2 Milliarden. Gemäss damaliger Doktrin wäre es auf Gleiche herausgekommen, wenn man auf das ganze Geschäft verzichtet hätte. Roman Schürmann schreibt in seinem Buch «Helvetische Jäger. Dramen und Skandale am Militärhimmel» «Mirage heisst auf Deutsch: Täuschung, Fata Morgana, Wahn.» Lassen wir uns nicht schon wieder täuschen durch Militärstrategen, die in einer Wahnwelt leben oder der Fata Morgana einer Nato-Integration erlegen sind.

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