Neues Spielzeug…

Schätzungsweise 4.5 Milliarden Franken sollen die 33 neuen Kampfflugzeuge kosten, die die Luftwaffe bis 2010 beschaffen will. Für die Armee ist der Fliegerkauf von zentraler Bedeutung. Umso wichtiger ist der Widerstand.

Als der Sonntagsblick am 29. April 2001 die geheime Rüstungs-Wunschliste des VBS veröffentlichte, wiegelte der VBS-Chef Samuel Schmid bei diversen Rüstungsprojekten ab. Unwidersprochen blieb jedoch die Absicht, ab 2007 rund 30 neue Kampfflugzeuge zu beschaffen. Im Oktober des letzten Jahres gab der Kommandant der Luftwaffe, Korpskommandant Hansruedi Ferhlin die erste Nummer der «Air Power Revue» heraus, in der er die Forderung nach neuen Kampfflugzeugen begründete.

Verkehrsflugzeuge abschiessen können

Geht es nach dem Willen der Luftwaffe, sollen ab 2007 drei Staffeln neuer Kampfflugzeuge die 54 uralten F-5 Tiger ersetzten. Mit den 1993 beschlossenen 33 F/A-18 Kampflugzeugen würde die Schweiz dann über 66 mehr oder weniger moderne Kampfflugzeuge verfügen. Die Zahl 66 wurde nicht zufällig gewählt. Diese Flottengrösse soll ausreichen, um den Schweizer Luftraum während vier Wochen rund um die Uhr zu überwachen. Dabei sollen permanent vier Flugzeuge in der Luft sein. Und auf welche Bedrohung ist dieses Szenario ausgerichtet? Michael Grünenfelder, Chef Luftwaffendoktrin, verweist auf den 11. September. Denn «Bevor ein Verkehrsflugzeug mit Hunderten von Passagieren an Bord abgeschossen wird, ist eine klare Identifikation nötig». Das Problem ist nur: Eine permanente Überwachung des Luftraums mit vier Flugzeugen ist auf die Dauer nicht zu halten und normalerweise melden sich Terroristen vor einem bevorstehenden Attentat nicht bei der Luftwaffe an.

Fähigkeit zu operativem Feuer aus der Luft

Bis anhin war die einzige Aufgabe der Schweizer Kampfflugzeuge die Lufthoheit zu gewährleisten. Für das sogenannte «operativem Feuer» – gezielte Angriffe ausserhalb des Schweizerischen Territoriums – war bisher die Artillerie zuständig. Das soll sich ändern. Die Armee will mit den neue Flugzeuge zukünftig auch Ziele am Boden bekämpfen können. Von Präzisionswaffen ist die Rede, also z.B. Laser-gesteuerte Bomben oder Infrarot-gesteuerte Raketen. Mit diesen neuen Fähigkeiten sind aber nicht alle in der Armee zufrieden. Aus naheliegenden Gründen fürchtet beispielsweise die Artillerie, um ihren Stellenwert innerhalb der Streitkräfte. Fragt sich nur, wo denn dieses operative Feuer bei der defensiv ausgelegten Schweizer Armee zum Einsatz gelangen soll, wenn über Jahrzehnte kein Angreifer in Sicht ist. Luftwaffenplaner Grünenfelder ist um keine Antwort verlegen: «Eine Staffel Kampfflugzeuge mit relativ wenigen Präzisionswaffen und Zusatzgeräten bildet eine Vollkompetenz (…) für eine robuste Friedensunterstützungsmission». Die Schweiz will mitbomben beim nächsten Irak-Krieg? Die Luftwaffenplaner sind wohl vollkommen übergeschnappt.

Kandidaten-Karussell

Bisher wird es tunlichst vermieden einen konkreten Flugzeug-Typen für die Neuanschaffung zu nennen. Lediglich ein paar Fotos in der «Air Power Revue» und Spekulationen in der Presse lassen erahnen, welche Flieger vorevaluiert werden: Der Eurofighter, ein Gemeinschaftsprojekt von Deutschland, Grossbritannien, Spanien und Italien, eine völlige Fehlkonstruktion; die Saab JAS 39 Gripen, ein schwedisches Produkt; die Rafale, ein französischer Jet, der sich sehr stark am Eurofighter orientiert; die F/A-18E/F «Super Hornet», die Nachfolgerin der F/A-18, die die Luftwaffe bereits besitzt; der Joint Strike Fighter, ein Flugzeug, das noch in Entwicklung ist; und schliesslich die Su-27 Flanker, ein russisches Produkt.

Es fällt auf, dass fünf von sechs Kandidaten schon ältere Semester sind. Mit Ausnahme des Joint Strike Fighter stammen die Flugzeuge technologisch aus den 70er und 80er Jahren. Auch beim Preis gibt es gravierende Unterschiede: Für einen Eurofighter bekommt man beispielsweise drei Gripen.

Angst vor dem Volk?

Die Armee weiss sehr wohl: In der gegenwärtigen geopolitischen Situation und angesichts der leeren Kassen dürfte der Widerstand gegen ein solches Rüstungsprojekt erheblich sein. Christoph Keckeis, Chef der Armee, hat deshalb seine PR-Maschinerie bereits in Gang gesetzt. Die zahlreichen Interviews in den verschiedensten Print-Medien, in denen es immer auch um diese Beschaffung ging, sprechen eine deutliche Sprache. Die Luftwaffe will die neuen Flugzeuge um jeden Preis, auch wenn dafür andere Waffengattungen kürzer treten müssen. So schlägt Keckeis zum Beispiel vor, dass die etwa 150 eingemotteten Leopard-Panzer verkauft werden. Wenn man diese aber zum gleichen Preis verscherbelt wie vor einigen Monaten die überzähligen Panzerhaubitzen, dürfte der Ertrag auch nur für ein einziges Kampfflugzeuge kaum ausreichen. Ins gleiche Kapitel gehört der Vorschlag von Keckeis, die Flugzeuge «in homöopathischen Dosen» in den jährlich wiederkehrenden Rüstungsprogrammen unterzubringen. Ein solches Vorgehen ist auch demokratiepolitisch skandalös, weil es versucht, die realen Kosten zu verschleiern.

No-Air-Power!

Alle friedenspolitisch interessierten und engagierten Kräfte in der Schweiz werden sich in den nächsten Monaten die Frage stellen müssen, wie sie den unsinnigen Kauf von sündhaft teuren Kampfflugzeugen zu verhindern gedenken. Die Planung des VBS ist in etwa: Voraussichtlich 2005 will das VBS ein neues Kampfflugzeug evaluieren, anschliessend im Parlament einen Grundsatzbeschluss für die Beschaffung erwirken und ab 2007 die Flieger beschaffen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Fliegerkauf bereits im Parlament ein erheblicher Widerstand erwächst. Denn nicht nur die Linke, auch die nationalkonservative Rechte wird sich kaum mit den Ausführungen der Luftwaffenplaner – neue Kampfflugzeuge seien auch für robuste friedensunterstützende Einsätze notwendig – anfreunden können. Und sollte der Fliegerkauf im Parlament trotzdem eine Mehrheit finden, gibt es auch noch die Möglichkeit, mit einer Volksinitiative die neuen Kampfflugzeuge zu verhindern.

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