Nicht wissen wollen, nicht wissen dürfen

Militärisch von Bedeutung sind neben Waffen und Munition auch sogenannte Dual-Use-Güter, zivil und militärisch verwendbare Güter. Auch da mischt die Schweizer Exportwirtschaft tüchtig mit. Doch so genau will oder darf niemand wissen, welche Dual-Use-Güter die Schweiz eigentlich wohin exportiert.

Als Reaktion auf die «Initiative für vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» von 1997 sah sich der Bundesrat gezwungen, die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern zu regeln. Die Initiative beinhaltete nämlich auch ein Verbot für die Ausfuhr von militärisch (nicht aber von zivil) genutzten Dual-Use-Gütern. In der Theorie macht eine solche Unterscheidung Sinn. So können beispielsweise Pilatus PC 7-Flugzeuge im Bestimmungsland für das Versprühen von Insektiziden eingesetzt werden, was unter friedenspolitischen Gesichtspunkten unproblematisch ist. Dieselben Flugzeuge dienten in Mexiko jedoch der Bekämpfung der ZapatistInnen aus der Luft. Deshalb trat das Initiativkomitee 1997 mit seiner Initiative nur gegen die militärisch verwendeten Güter an. Doch taugt diese Unterscheidung auch in der Praxis?

Mangelnde Kontrollen

Das Gesetz über die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern (Güterkontrollgesetz), das nach der Ablehnung der Initiative in Kraft trat, will verhindern, dass Dual-Use-Güter in falsche Hände geraten. Diesem Anspruch genügt das aktuelle Gesetz aber nicht: Nur ein kleiner Teil aller Dual-Use-Güter-Exporte sind einer eingehenden Prüfung durch die Instanzen des Bundes unterworfen. Der grösste Teil der Dual-Use-Güter fällt unter sogenannte Generalausfuhrbewilligungen, welche a) für genau bestimmte Güter und b) für festgelegte Länder ausgestellt werden. Beim Verfahren mit Generalausfuhrbewilligungen werden Güter exportiert, ohne dass die Behörden vorgängig informiert wurden.

«Die einen wollen’s nicht wissen, die anderen dürfen’s nicht wissen»

Ob die Dual-Use-Güter im Bestimmungsland bleiben, wird und kann nicht überprüft werden. Zwar sieht das Güterkontrollgesetz Strafen vor, wenn der Exporteur weiss, dass die ins Land A gelieferten Dual-Use-Güter anschliessend ins Land B weitergegeben werden. Da der tatsächliche Endverbleib der Güter nicht kontrolliert werden kann, führen Umgehungsgeschäfte nur in den seltensten Fällen zur Sanktionierung. Dieselben Bestimmungen gelten auch, wenn Dual-Use-Güter, die im Bestimmungsland entgegen der abgegebenen Erklärung nicht zivil, sondern militärisch genutzt werden. Es gibt also etliche Schlupflöcher in der aktuellen Gesetzgebung. Doch wie gross ist das Ausmass der Dual-Use-Exporte aus der Schweiz?

Die Schweiz: Wichtiger Exporteur

Auf der Website des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) steht, dass die Schweiz «zu jenem Halbdutzend Ländern» gehöre, «die am meisten Dual-Use-Güter exportieren». Als Höhe der Ausfuhren nennt das seco 3-4 Milliarden Franken jährlich. Welche Güter genau wohin gelangen, kann oder will das seco nicht sagen. Die statistische Unschärfe hat einen Grund: Der fehlende politische Wille.

Nur ein kleiner Teil der Ausfuhren sei einzelbewilligungspflichtig, der ganz grosse Teil der Ausfuhren – so das seco – könne bloss geschätzt werden, da die Ausfuhren statistisch nicht erfasst würden. Auch die Frage, wie viel Dual-Use-Güter im Bestimmungsland militärisch und wie viel zivil genutzt werden, kann das seco nicht beantworten. In der Antwort auf die Interpellation von GSoA-Vorstand Josef Lang schrieb das seco, dass die Exporteure zwar angeben müssten, ob die Güter zivil oder militärisch genutzt würden. Aber, so das seco weiter: «Eine Statistik darüber wird nicht geführt.» Die Frage sei erlaubt: Wieso nicht? Die Antwort liegt auf der Hand: Das seco will’s nicht wissen, die Öffentlichkeit darf’s nicht wissen!

Erfolgreiche Postkartenaktion gegen Rüstungsexporte

(db) Über 3000 Postkarten mit dem Text HERR DEISS, STOPPEN SIE DIE AUSFUHR VON WAFFEN IN KRIEGSGEBIETE! trafen bis Ende 2005 beim Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) ein. Das seco und sein oberster Chef, Bundesrat Deiss, entscheiden über Gesuche zur Ausfuhr von Waffen. Vielen Dank allen, die mitgeholfen haben, dem Bundesrat die grosse Opposition vor Augen zu führen! Nicht zuletzt dank dem öffentlichen Protest wurde die Bewilligung zur Ausfuhr von alten Schützenpanzern in den Irak mittlerweile widerrufen. Auch der Export nach Pakistan ist zumindest in Frage gestellt.

Das grundsätzliche Problem der Rüstungsgeschäfte ist mit der Verhinderung einzelner Exporte natürlich nicht gelöst. Siehe dazu den obenstehenden Text.