Not in our name

Der «Kreuzzug» gegen Terror, den die US-Regierung Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ausrief, um die «unendliche Gerechtigkeit» wieder herzustellen, blieb nicht ohne Auswirkungen auf die US-amerikanische Gesellschaft. Neben einer feststellbaren Militarisierung der Gesellschaft gibt es aber auch Lichtblicke.

George W. Bush ist der beliebteste Präsident, den die Vereinigten Staaten jemals hatten. Diesen Schluss jedenfalls legt eine im Auftrag der «Washington Post» und des Fernsehsenders ABC im Dezember 2002 durchgeführte Meinungsumfrage nahe, die für den amtierenden Präsidenten eine durchschnittliche Zustimmungsrate (ermittelt in den beiden ersten Amtsjahren) von 72% Prozent feststellte. Zwar ist die Zustimmungsrate von 92%, die Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erreichte, auf momentan 66% gesunken, ähnlich hohe Werte hat bisher aber nur ein weiterer Präsident erreicht: George Bush, der die USA 1991 in den ersten Krieg gegen Irak führte. Diese Werte zeigen, dass die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung hinter den Schritten steht, welche die Hardliner in der Regierung Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in die Wege geleitet haben:

1. Aufrüstung, Aufrüstung, Aufrüstung…

«Es ist aufregend, zurück im Geschäft zu sein.» Mit diesen Worten kommentierte Roland Sugar, Geschäftsführer der US-Rüstungsfirma Northrop Grumman (Tagesanzeiger 4.12.02), die Geschäftsaussichten, die in den kommenden Jahren auf die Rüstungsfirmen der USA zukommen. Grund zur Freude hat er genügend: Nach den Terroranschlägen vom 11.9.01 sind die Beschaffungskredite der US-Army förmlich explodiert, das Militärbudget soll bis ins Jahre 2006 um 43 Prozent auf 470 Milliarden Dollar steigen. Das ist mehr als doppelt so viel wie alle 15 EU-Länder zusammen. Prominente Schützenhilfe erhalten die Rüstungsfirmen dabei direkt aus dem Weissen Haus: Sowohl Vizepräsident Cheney als auch Verteidigungsminister Rumsfeld haben früher für US-Rüstungsfirmen gearbeitet. Diese Aufrüstung findet vor einem gesellschaftlichen Hintergrund statt, in dem sich die sozialen Gegensätze kontinuierlich verschärfen: Die 13’000 reichsten Familien in den USA verdienen heute gleich viel wie die 20 Millionen ärmsten Haushalte.

2. Militarisierung der Aussenpolitik

Mit der militärischen Aufrüstung geht ein aussenpolitischer Prioritätenwandel einher: Die Regierung Bush hat klar gemacht, dass in ihrem Verständnis von Aussenpolitik wenig Platz bleiben soll für die sogenannte «soft security» – die Wiederaufbauhilfe, Friedenssicherung, Ausbildung von Polizei und Justiz, Konfliktvorbeugung, etc. Ausdruck davon ist das Budget für die Entwicklungshilfe: Die USA setzen lediglich etwas mehr als 0.1 Prozent des Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe ein (im Vergleich: Schweiz 0.3%, Schweden 0.8%) – und davon fliesst der Hauptteil nach Israel und Ägypten. Mit dieser Verschiebung geht auch ein Bedeutungsverlust des Aussenministeriums einher. Heute bestimmen der Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney – und nicht Aussenminister Powell – die aussenpolitische Agenda des US-Präsidenten.

Neben dem «Krieg gegen Terror» ist die im September 2002 vorgestellte «Neue Nationale Sicherheitsdoktrin der Vereinigten Staaten», die dem Präventivkrieg das Wort redet (online unter www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/USA/doktrin-bush.html, eine Folge dieser Entwicklung. Zu einer Militarisierung der US-Aussenpolitik tragen auch das Kriegsermächtigungsgesetz, welches Bush im Herbst dieses Jahres einen Blankocheck für einen Irak-Krieg ausstellte, und die starke Vereinnahmung der NATO durch die USA am NATO-Gipfel in Prag bei.

3. Beschränkung der Bürgerrechte innerhalb der USA

Die Generalsekretärin von Amnesty International, Irene Khan, warf den USA und Großbritannien im Frühjahr 2002 vor, sie hätten unter «Ausnutzung» der Terroranschläge vom 11. September die Menschenrechte «mit Füßen getreten». Das bezog sich neben der Behandlung der afghanischen Gefangenen in Guatanamo auch auf die Beschneidung der Bürgerrechte innerhalb der Vereinigten Staaten. Auch die Organisation «Reporter ohne Grenzen» setzte die USA zusammen mit Grossbritannien an die Spitze derjenigen Länder, die «bei der Einschränkung der Freiheit führend sind». Ursache für diese Kritik ist (u.a.) das im Oktober 2001 verabschiedete «USA Patriot Act», welches die Grundrechte amerikanischer BürgerInnen massiv zugunsten nachrichtendienstlicher Ermittlung beschnitt.

4. Militarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft

Der «Krieg gegen Terror» hat zu einer Militarisierung der Gesellschaft in den USA und zu einem vermehrten Rassismus gegenüber muslimischen BürgerInnen geführt. Die Organisation «Reporter ohne Grenzen» berichtet von «zahlreichen gewalttätigen Übergriffen bis hin zu Mordfällen, moralischem Druck oder nicht gerechtfertigter Entlassung», von denen Muslime betroffen wurden. Daneben hat die US-Armee wieder massiv an Bedeutung zugelegt: Mit einem neuen Gesetz soll das Schulsystem an die Armee gekoppelt werden; bereits warten über 600 High-Schools auf Aufnahme in ein Programm, in dem das Freifach «Training Corps» für die Durchführung an Schulen vorbereitet wird, In diesem Fach sollen die SchülerInnen etwa das korrekte Tragen einer Uniform lernen. Der «Krieg gegen Terror» kann auch daheim am Bildschirm mitgetragen werden: Im Internet bietet die US-Army rekrutierungswilligen Jugendlichen kostenlos ein Ego-Shooter-Computergame an (www.americasarmy.com, mit dem die Jagd auf die Terroristen beginnen kann. Diese zwei Beispiele illustrieren den nach dem 11. September 2001 entflammten Patriotismus in den Vereinigten Staaten, dessen Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft Lotta Sutter in der Wochenzeitung detailliert beschrieben hat.

Die Gegenkräfte

«Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass es Proteste in diesem Ausmaß gibt, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat.» So kommentierte der amerikanische Oppositionelle Noam Chomsky die Rolle der amerikanischen Friedensbewegung. Und tatsächlich ist es der amerikanischen Friedensbewegung, auch wenn sie von der Presse systematisch totgeschwiegen wird, gelungen, sich im Herbst des letzten Jahres und zu Beginn dieses Jahres mit Grosskundgebungen gegen einen Krieg gegen Irak auszusprechen. Bekannte Intellektuelle wie Edward Said oder Gore Vidal unterstützen diesen Protest ebenso wie auch Hollywood-Grössen wie Susan Sarandon, Oliver Stone, Kim Basinger und Sean Penn. Hunderte von Künstlern und Wissenschaftlern haben sich bereits im September 2002 mit dem Aufruf «Not in our Name» an die Öffentlichkeit gewandt, im Oktober folgten linksliberale Unternehmer mit dem Slogan «They are selling war. We’re not buying.». Diese Kräfte sind ein Lichtblick gegenüber einer Regierung, die sich über völkerrechtliche Standards hinwegsetzt, eigenmächtig und abhängig von der kurzfristigen eigenen Interessenlage Länder als Schurkenstaaten bezeichnet um dann die Treibjagd gegen diese Länder zu eröffnen.