Ogi out of mind

«Solidarität besteht darin, dass die Not anderer uns nicht gleichgültig lässt. (…) Es gibt keine Solidarität zum Billigtarif. Auch für uns nicht. Solidarität erfordert Engagement, volles Engagement.» So legte sich Bundesrat Ogi vor Jahresfrist vor der Offiziersgesellschaft Zug ins Zeug, als über den «Platz der Schweiz auf den Baustellen der internationalen Sicherheit» sprach. «Die Schweiz tritt ein für den Frieden im eigenen Land und auf der ganzen Welt. (…) Dieser Friede in Freiheit und Unabhängigkeit bedeutet Schutz der persönlichen Freiheit und der Menschenrechte» heisst es auf der VBS-Homepage zum Thema Auftrag der Armee.

Alles schöne Worte. In der Realität, z.B. auf dem Tian-an-men-Platz, ist die Sache aber ein bisschen komplizierter, vorallem weil VBS-Chef und Menschenrechtsaktivist Ogi unbedingt die Olympischen Spiele 2006 in die Schweiz haben will. Anlässlich seiner jüngsten Auslandreise zu den chinesischen Generälen konzentriert sich Ogis «volles Engagement» jedenfalls auf die Werbung von Sion 2006: «Wenn ich schon Präsident des Nationalen Komitees Sion 2006 bin und diese Gelegenheit nicht nutzen würde, dann wäre ich ja wirklich ein Löli». Auch über Tourismus sprach er in China, denn die Schweiz möchte als erstes europäisches Land chinesische Tourismusdestination werden. Ferner hat Ogi über Lizenzen für schweizerische Versicherer in China diskutiert. Und über die Tatsache, dass China 1997 über 3000 Menschen hinrichten liess, teilweise nur, weil sie sich gegen Menschrechtsverletzungen der eigenen chinesischen Regierung wendeten? Er sei zu einem Höflichkeitsbesuch geladen gewesen, «und da darf man Themen wie Menschenrechte nicht ansprechen», rechtfertige Ogi nach der Rückkehr sein Schweigen.

Im Namen der internationalen Solidarität, für die Durchsetzung von Menschenrechten, gegen das Böse und für das Gute will er für sein VBS im nächsten Sommer mit einer vorgezogenen Revision des Militärgesetzes bewaffnete Einsätze im Ausland ermöglichen. Und gleichzeitig hindern die Olympiakandidatur 2006 und ökonomische Interessen ihn daran, die eklatanten Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung auch nur anzusprechen. Doch halt. Ogi hat sich sehr wohl für Menschenrechte eingesetzt: Für das Menschenrecht, dass Schweizer auf 8000 m Höhe über Grund das chinesische Staatsterritorium überfliegen dürfen. Und die chinesische Regierung hat wohl genickt. Es wäre wirklich nicht nötig gewesen, Ballonfahrer Piccard den Überflug zu verweigern. Ein wahrlich grosser Sieg für die schweizerische Menschenrechtspolitik!