Putin-VersteherInnen, neue Rechte und die Friedensbewegung

Die Medien lügen, geheime Mächte ziehen die Fäden, die Nato ist an allem schuld und Russland gar nicht so schlimm. Warum wir ein Problem mit VerschwörungstheoretikerInnen haben.

Kurz vor der NoBillag-Abstimmung forderten in den sozialen Medien diverse Personen die GSoA auf, ein Ja zur Initiative zu empfehlen. Das Argument: Die Lügen-SRG verbreite kriegstreiberische Nato-Propaganda. Ein Ja zu NoBillag sei ein Ja zum Frieden. Wolle man der Kriegspropaganda entgehen, müsse man zu Medien wie KenFM oder Russia Today wechseln. Über VerschwörungstheoretikerInnen wurde in den letzten Monaten viel geschrieben. Der Begriff ist unscharf. Aber gemeinsam ist den AnhängerInnen der Szene, dass sie glauben, eine schmale Elite steuere im Verborgenen das Weltgeschehen. Ihr Feindbild sind die «Lügenmedien». An allen Kriegen ist die Nato schuld, Russlands Militäraktionen hingegen verteidigen sie.

Unterwanderungsversuche

Auffällig ist, dass sich VerschwörungstheoretikerInnen oft als Teil einer «neuen Friedensbewegung» sehen. Teils ist das durchaus ernst gemeint, bisweilen jedoch ein gezielter Versuch der Neuen Rechten, die Friedensbewegung zu unterwandern. Nach der Krimkrise vor knapp vier Jahren fanden in Deutschland und vereinzelt in der Schweiz Veranstaltungen unter dem Titel «Montagsdemonstrationen» und «Friedensmahnwachen» statt. Organisiert wurden sie von RechtsesoterikerInnen, AntisemitInnen und VerschwörungstheoretikerInnen unterschiedlichster Couleur. Die Demos zielten ebenfalls gegen die traditionellen Medien, gegen die «Kriegsvorbereitungen der Nato» gegen Russland, aber auch gegen die US-amerikanische Hochfinanz. AfD- und NPD-AnhängerInnen führten im vergangenen Jahr eine Parallelveranstaltung zu den traditionell linken Protesten gegen die Münchner Nato-Konferenz durch. Unter dem Motto «Raus aus der Nato!» schwenkten sie Fahnen mit einer weissen Taube auf blauem Grund, dem Symbol der Friedensbewegung. Schreibt man über Verschwörungstheorien, kommt man nicht um den Schweizer Publizisten Daniele Ganser herum, einen Star der Szene. Er ist sicher kein Rechtsradikaler. Er lässt jedoch
Skrupel vermissen, mit wem er sich einlässt, wenn er sich beispielsweise von der VPM-nahen Zeitschrift «Zeit-Fragen» interviewen lässt. Ganser hat in der Vergangenheit aber durchaus interessante Arbeiten veröffentlicht, beispielsweise zu den Stay-Behind-Armeen der Nato während des Kalten Krieges.

Krudes Politikverständnis

Dem eigenen Anspruch als Wissenschaftler wird Ganser nicht gerecht. Zu oft sind seine Quellen halbseiden, zu offensichtlich ist sein missionarischer Eifer. Aber auch seine Kritiker schlagen teilweise über die Stränge: So hält Roger Schawinski in seinem neuen Buch Ganser vor, dass er den Westen und Russland an unterschiedlichen Standards messe, was die Legalität der Einsätze in Syrien angehe. Aber tatsächlich ist es nun einmal so, dass es für das Völkerrecht einen grossen Unterschied macht, dass die russischen Streitkräfte in Syrien mit der Einwilligung Assads agieren. Auch wenn Ganser und andere VerschwörungstheoretikerInnen bisweilen durchaus relevante Themen ansp rechen und auch wir die Nato scharf kritisieren, haben wir ein Problem mit ihnen – genauer gesagt: mit ihrem Politikverständnis. Wenn die Welt durch konspirative Eliten gesteuert wird, wo ist der Platz für Demokratie? Wenn die Medien nur Kriegspropaganda der Nato auf der Agenda haben, wie erklärt sich das Nein der Schweizer Stimmbevölkerung zum Kampfjet Gripen? Lassen wir unseren Geist nicht vernebeln: Schliesslich ist es für die politische Arbeit hierzulande egal, wer nun in Syrien Giftgas einsetzt oder ob jemand in den US-Geheimdiensten Vorwissen über die Anschläge am 11. September 2001 hatte. Relevant ist einzig, wie wir verhindern, dass Schweizer Waffen in Kriegsgebieten eingesetzt werden. Und aus Erfahrung wissen wir: Die Macht liegt nicht in den Händen einer obskuren Elite. Die relevanten Entscheide werden immer noch an der Urne gefällt. Es ist an uns, mit kluger Überzeugungsarbeit Mehrheiten zu schaffen. Beim Gripen ist uns das gelungen und auch in Zukunft wird uns das wieder gelingen.

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