Samuel Schmid hört mit

Die Armee hört im grossen Stil Telefongespräche ab. Sie überwacht politische Gruppierungen. Und neuerdings will sie auch mobile Kommunikation ausspionieren.

Wir schreiben das Jahr 2005. Der Fichenskandal ist Geschichte.

Die verzweifelte Suche der Armee nach einer Aufgabe ist nicht nur sinnlos und teuer, sie ist auch gefährlich. Mangels anderer Beschäftigung konzentriert sich die Armee seit einigen Jahren wieder vermehrt auf die «Innere Sicherheit». Denn Einsätze im Ausland sind unpopulär und Pistenstapfen bei Ski-Weltmeisterschaften reicht zur Legitimation einer riesigen bewaffneten Organisation einfach nicht aus.

Wer macht was?

Im Zuge der Aufarbeitung des Fichenskandals wurden in der Schweiz die Geheimdienste neu organisiert. Das Ziel war, Auslands- und Inlandsnachrichtendienst klar zu trennen und zu verhindern, dass die Armee wieder zu schnüffeln beginnt. Zur Überwachung von Personen und Gruppierungen in der Schweiz wurde der «Dienst für Analyse und Prävention DAP» geschaffen, der dem Justiz- und Polizeidepartement unterstellt ist. Dabei gelten gewisse rechtliche Beschränkungen. Der DAP arbeitet jedoch darauf hin, diese Schranken wieder Schritt für Schritt zu verwässern.

Der Auslandsgeheimdienst verblieb weiterhin beim Militärdepartement und wurde vortan «Strategischer Nachrichtendienst» genannt. Seine Aufgabe wird nebulös umschrieben mit «Er beschafft Informationen, die für die Sicherheit der Schweiz bedeutsam sind.» Ebenfalls beim VBS angesiedelt ist der militärische Nachrichtendienst, der einzig Informationen sammeln sollte, welche für die Kriegsführung wichtig wären.

Die Praxis sieht anders aus

So ist die Theorie. In der Praxis bespitzeln weiterhin sämtliche Geheimdienste die eigene Bevölkerung. Ein internes Papier des militärischen Nachrichtendienstes vom Mai 2003 beschäftigt sich mit dem Thema «Gewaltbereite Gruppen innerhalb der Antiglobalisierungsbewegung». Im Text wird von «Berufsrevolutionären», «Cyberterrorismus» und «Aktionen unterhalb der Kriegsschwelle» phantasiert. Die Erklärung von Bern wird darin ebenso untersucht wie radikale Autonome.

Genau diese Art von gefährlichem Dilettantismus wollte das Parlament mit der Reform der Geheimdienste Ende der Neunziger Jahre verhindern. Noch radikaler als der Nachrichtendienst der Armee greift jedoch der Strategische Nachrichtendienst in die Privatsphäre der Bürger ein.

Der grosse Lauschangriff

Seit 1997 arbeitet der Strategische Nachrichtendienst an einem System namens Onyx, welches sämtliche Satellitenkommunikation in und aus der Schweiz abhören und auswerten soll. Das bedeutet, dass der Inhalt jedes Telefongesprächs über grössere Entfernungen automatisch analysiert und nach bestimmten Stichworten durchforstet wird. Für dieses System wurden während der letzten Jahre mehrere Hundert Millionen Franken ausgegeben, zu einem grossen Teil getarnt als «Immobilienkredite». Angeblich arbeiten in den Onyx-Bodenstationen im Heimenschwand, Leuk und Zimmerwald konstant rund 200 Leute an der Auswertung des Abhörmaterials.

Ein neues Spielzeug

Mit dem diesjährigen Rüstungsprogramm (siehe Kasten) möchte die Armee ein weiteres Abhörsystem anschaffen – Diesmal trägt es die Abkürzung IFASS. Es soll dazu dienen, «bei subsidiären Sicherungseinsätzen die drahtlose Kommunikation gewaltbereiter Gruppierungen zu erfassen und zu lokalisieren.» Wie die GSoA erst kürzlich aufdeckte, führte die Armee einen ersten solchen Einsatz bereits anlässlich des G8-Gipfels in Evian im Sommer 2003 durch. Der nächste Einsatz wird spätestens bei der Fussball-Europameisterschaft 2008 stattfinden.

Ob die Armee solche Geräte überhaupt verwenden darf, ist juristisch zumindest umstritten: Das Prinzip lautet, dass das Militär keine zivile Kommunikation innerhalb der Schweiz abhören darf. Das VBS meint dazu lapidar: «Grundsätzlich liegt es an den zivilen Behörden, zu deren Gunsten der Armeeeinsatz erfolgt, die Rechtmässigkeit des Einsatzes von Aufklärungsmitteln der Armee zu gewährleisten.»

Grundrechte

Die militärischen Nachrichtendienste und die Armee im Allgemeinen hatten schon immer ein Problem, wenn es um die Respektierung der Privatsphäre der BürgerInnen ging. Nicht umsonst hörte man zuweilen den Begriff «Alpen-Stasi». Es gibt Bestrebungen, die Kompetenzen der Nachrichtendienste noch zu erweitern. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass dies nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einem Abbau der Grundrechte und der Bespitzelung von Gruppierungen führt, welche als politische Gegner betrachtet werden.

Das Rüstungsprogramm 2005

Nur mit Ach und Krach wurde im vergangenen Jahr das Rüstungsprogramm angenommen – und auch das erst im zweiten Anlauf und nachdem auf Transportflugzeuge und Geniepanzer verzichtet wurde. Auch dieses Jahr ist die Wunschliste des VBS umstritten. Das neue Funkabhörsystem IFASS wird wegen der geplanten Zusammenarbeit mit der israelischen Rüstungsindustrie und aus Datenschutzgründen (siehe Artikel nebenan) scharf kritisiert. Ebenfalls bemängelt wird das zwielichtige Auswahlverfahren für die Transporthelikopter. Der Rüstungskonzern EADS soll bei der Evaluation gegenüber einem italienischen Anbieter unrechtmässig bevorzugt worden sein. Ein drittes Angebot aus den USA wurde nicht einmal geprüft. Obwohl das Programm mit über einer Milliarde Franken das teuerste seit Jahren ist, hat das Militärdepartement angekündigt, zukünftig noch höhere Anträge zu stellen.

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates hat sämtliche Begehren des VBS gutgeheissen. In der Herbstsession wird das Parlament abschliessend über das Rüstungsprogramm beraten.

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