Schweizer Waffen gegen die Demokratie

Und wieder: Schweizer Waffen in den Händen von Sicherheitskräften, die mit Waffengewalt gegen die Zivilbevölkerung vorgehen. Die GSoA fordert ein Exportverbot für Kriegsmaterial nach Hongkong und China.

Der 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China, 1. Oktober 2019. 15’000 Soldaten marschieren in Peking über den Platz des Himmlischen Friedens. 180 Flugzeuge, 580 Panzer und andere Waffensysteme. Staats- und Parteichef Xi Jinping lässt die Armee Stärke demonstrieren und präsentiert sich als starker Mann. Gleichzeitig demonstrierten in Hongkong Zehntausende gegen die Lokalregierung und den Einfluss Pekings. Es kommt zu schweren Zusammenstössen. Im Gerangel zieht ein Polizist seine Pistole und schiesst einem Protestierenden aus kurzer Distanz in die Schulter. Der Getroffene taumelt und geht schwer verletzt zu Boden.

Mangelhafte Demokratie

Hongkongs Geschichte ist wechselhaft. Grossbritannien besetzte die Stadt im Süden Chinas im Laufe des ersten Opiumkrieges 1861 und erklärte das Gebiet zur Kronkolonie. Ende des 19. Jahrhunderts pachtete Grossbritannien von China zusätzliche Gebiete rund um den Stadtkern von Hongkong für 99 Jahre. Was nach dem Auslaufen der Pachtverträge mit Hongkong geschehen sollte, regelten die zwei Länder Mitte der 1980er-Jahre in einem Vertrag: Grossbritannien gab Hongkong im Jahr 1997 an China zurück, die Stadt erhielt jedoch für weitere 50 Jahre den Status einer Sonderverwaltungszone mit weitgehender innerer Autonomie sowie Garantien für die Menschenrechte und für ein marktwirtschaftliches System. Die Doktrin nennt sich «Ein Land, zwei Systeme». Trotz dieser Garantien ist Hongkong weiterhin keine vollständige Demokratie. Während der Zeit als Kronkolonie regierte ein von London eingesetzter Gouverneur die Stadt, quasi als gutmütiger Diktator. Und das aktuelle Parlament Hongkongs, der Legislativrat, ist eine seltsame Mischung aus direkt gewählten VertreterInnen und von Berufsverbänden und Unternehmen bestimmten Abgeordneten. So stellen beispielsweise die Architekturbüros einen der 70 ParlamentarierInnen, ebenso die Versicherungskonzerne oder die Bekleidungsindustrie.

Proteste mit Regenschirmen

Schon seit Jahren fordern breite Teile der Hongkonger Bevölkerung mehr Demokratie, vor allem eine vollständig freie Wahl des Legislativrates. Regenschirme sind zum Symbol der Bewegung geworden. Die DemonstrantInnen verwenden ihre Regenschirme nicht nur als Schutz vor Regen und Sonne – sondern auch vor Pfefferspray und Überwachungskameras. Die Massenproteste der letzten Monate richteten sich auch gegen die Annäherung der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam an Peking, insbesondere ein von ihr eingebrachtes neues Gesetz über die Auslieferungen Verdächtiger an die chinesische Zentralregierung. Allen Beteiligten ist klar, dass die heutigen Auseinandersetzungen auch entscheiden, was in 30 Jahren geschehen wird, wenn der Rückgabevertrag zwischen China und Grossbritannien auslaufen wird. Die Proteste von heute sind daher auch ein Kampf für die zukünftige Freiheiten und zukünftige demokratische Mitbestimmung.

Schweizer Waffen

In den vergangenen zehn Jahren hat die Schweiz Gewehre, Munition und Nachsichtgeräte für hunderttausende von Franken an die Polizei von Hongkong verkauft. Und das Seco, die Bewilligungsbehörde für Kriegsmaterial-Exporte, hat bekanntgegeben, dass es Gesuche für Exporte weiterhin prüfen und allenfalls bewilligen würde. Die GSoA fordert deshalb ein Lieferverbot für Waffen nach China und damit auch an Hongkong. Es ist offensichtlich, dass die Gefahr besteht, dass die Polizei das Material gegen die Zivilbevölkerung einsetzen könnte. Es ist seit Jahren absehbar, dass es um die Zukunft der ehemaligen Kronkolonie zu Konflikten kommen wird. Dass das Seco dennoch Waffenexporte bewilligt zeugt davon, dass die Schweizer Behörden nicht willig oder fähig sind, solche Konflikte vorherzusehen. Das muss endlich aufhören. Auch damit in Hongkong niemand befürchten muss niedergeschossen zu werden, wenn er für seine demokratischen Rechte auf die Strasse geht.