Seit 1989 ist die Schweiz keine Armee mehr

Vor 30 Jahren befreite die GSoA die Schweiz aus der militärischen Festung, vor zehn Jahren verhinderte sie militärische Auslandeinsätze und vor fünf Jahren die Beschaffung neuer Kampfjets.

«Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee.» Mit dieser Beschwörung eröffnete der Bundesrat am 25. Mai 1988 seine Botschaft zur Volksinitiative für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik. 19 Monate und einen Tag später hatte die Schweiz zwar immer noch eine Armee, aber sie war keine mehr. Hier liegt der wichtigste Erfolg der GSoA-Abstimmung vom 26. November 1989 mit ihren überraschenden 35,6 Prozent JA-Stimmen. Die heilige Kuh war nicht geschlachtet worden, aber sie hatte den Heiligenschein verloren. Nur so lässt sich erklären, dass am 17. Mai 1992 83 Prozent der Stimmenden die Einführung eines Zivildienstes befürworteten. Noch acht Jahre zuvor war dieser von zwei Dritteln abgelehnt worden. Oder dass ebenfalls im Frühling 1992 eine halbe Million Menschen innerhalb von 32 Tagen die Stop-F/A-18-Initiative unterschrieben haben.

Bresche für Bergier-Kommission
Die Verkleinerung einer Armee mit einem monströsen Bestand von 700’000 Personen auf eine immer noch grotesk hohe Zahl von 150’000 Soldaten wäre ohne den GSoA-Druck kaum zu schaffen gewesen. Die Tatsache, dass 72 Prozent der 20- bis 32-jährigen Auszugs-Soldaten für die Armeeabschaffung gestimmt hatten, ermöglichte gewisse Erleichterungen im Dienstbetrieb. Ein symbolischer Ausdruck davon war die Zulassung von Haarnetzen im Jahre 1992.
Eng verknüpft mit der Säkularisierung der Armee war die Entzauberung deren Rolle im Zweiten Weltkrieg. Waren in den 1980er Jahren noch 61 Prozent der Befragten der Ansicht gewesen, die Schweiz verdanke ihr Verschontbleiben dem «militärischen Widerstand», waren es 1996 noch 40 Prozent. Die GSoA-Initiative hat für die 1996 geschaffene Bergier-Kommission eine Bresche geschlagen. Über die Armeefrage hinaus gab es eine Revitalisierung des politischen Lebens. Hier spielte die Tatsache, dass etwa 70’000 Personen sich an irgendeiner Veranstaltung, beispielsweise am «Stop-the-Army-Festival» auf dem Bundesplatz oder an einem der zahlreichen Podien beteiligt hatten, eine nachhaltige Rolle. Ein Ausdruck des damaligenAufbruchs, der Ende 1992 mit der EWR-Frage und wegen des Balkankrieges beendet wurde, war der Frauenstreik vom 14. Juni 1991.

Atalanta versenkt, Gripen abgeschossen
Die tiefe Krise der Armee nach dem Ende des Kalten Krieges versuchten uniformierte und zivile Militärköpfe mit militärischen Auslandeinsätzen zu lösen. Die GSoA, die im Balkan konkrete Friedensarbeit leistete, wandte sich entschlossen gegen die Militarisierung der Aussenpolitik. Unsere Losungen lauteten: Stellen wir der Welt das Friedenshandwerk statt das Kriegshandwerk zur Verfügung! Und: Solidarität statt Soldaten! Deshalb ergriffen wir im Frühjahr 2001 das Referendum gegen bewaffnete Auslandeinsätze, das ganz knapp scheiterte. Deshalb bekämpfte die GSoA inner- und ausserparlamentarisch alle Rüstungs-, Einsatzund Budget-Entscheide, welche die Schweizer Armee näher an die Nato führten.
Die mächtige Antikriegs-Bewegung gegen die amerikanische Invasion im Irak von 2003 veränderte das Kräfteverhältnis zugunsten der friedenspolitischen Linken. Zuerst gelang es uns, den Ausbau des Kosovo-Einsatzes, wie auch die bislang symbolische Militär-Präsenz in Afghanistan, zu verhindern. Als der Nationalrat am 24. September 2009 die Atalanta-Vorlage versenkte, war das Kapitel Auslandeinsätze für lange Zeit erledigt. Dass mit einer Ausnahme alle Grünen und fast die Hälfte der SP-Fraktion gegen die Piratenjagd vor Somalia stimmten, war wesentlich das Verdienst einer monatelangen Lobby-Arbeit der GSoA – zusammen mit den Jungen Grünen und den JungsozialistInnen. Drei Monate zuvor hatte die GSoA eine Volksinitiative gegen die Beschaffung neuer Kampfjets eingereicht. Nachdem der Bundesrat im August 2010 auf das Geschäft verzichtet hatte, wurde die Initiative zurückgezogen – mit dem Kalkül, dass eine allfällige Neuauflage mit dem Referendum bekämpft werden kann. Als dies passierte, sammelte die GSoA gemeinsam mit einem breiten Bündnis 65’000 Unterschriften. Am 18. Mai 2014 wurde die Beschaffung der Gripen mit 53,4 Prozent abgelehnt. Eine Initiative wäre bei gleichem Stimmenverhältnis gescheitert, weil zwölf Stände den Kampfjet befürwortet hatten.

Kriegsgeschäfte- und Korrektur-Initiativen
Vor einem Jahr reichte die GSoA die Kriegsgeschäfte-Initiative ein. Diese verlangt ein Investitionsverbot für Finanzinstitute in die Kriegsmaterialproduktion. Sie dürfte 2021 zur Abstimmung gelangen. In Kürze wird die von einem historisch einmalig breiten Bündnis getragene Korrektur-Initiative eingereicht. Diese will die vom Bundesrat unter dem Druck der Rüstungsindustrie vorgenommenen Abschwächungen der Kriegsmaterialverordnung rückgängig machen und die Kompetenz über die Kriegsmaterialexport-Politik von der Exekutive in die Legislative verlagern. Die beiden Initiativen stehen für die Fähigkeit der GSoA, ebenso radikal wie pragmatisch zu handeln.