Sie sagen Demokratie und meinen Rohstoffe

Militärische Interventionen werden mit Demokratie und Menschenrechten begründet. Den (Gross-) Mächten geht es aber um Rohstoffe und die Abwehr von Migrationsströmen.

Wer die Krisenszenarien der USA, der Nato, der EU wie auch der Schweizer Armee studiert, der trifft immer auf die zwei gleichen Hauptgefahren: Die Sicherung der Rohstoffquellen und Rohstoffzufuhr und die Abwehr von Migrationsströmen. Diese befürchtet man nicht zuletzt wegen dem durch die Treibhausgase verursachten Klimawandel, der riesige Völkerwanderungen provozieren könnte.

Als sich die Nato im April 1999 unmittelbar nach ihrem völkerrechtswidrigen Kosovokrieg von einem atlantischen Defensiv- in ein globales Offensivbündnis verwandelte, betrachtete sie in ihrem Strategiedokument die «Garantie der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen» sowie die «Abwehr der unkontrollierten Bewegung einer grossen Zahl von Menschen» als ihre Hauptaufgaben. Um Ähnliches geht es bei den Interventions-Szenarien der Europäischen Union (EU), wie beispielsweise ihr European Defence Paper aus dem Jahre 2004 illustriert: «In einem Land x, das an den Indischen Ozean grenzt, haben antiwestliche Kräfte die Macht erlangt und benutzen Öl als Waffe, vertreiben Westler und greifen westliche Interessen an.» Ziel sei es, «das besetzte Gebiet zu befreien und die Kontrolle über einige der Ölinstallationen, Pipelines und Häfen des Landes x zu erhalten.» Da die EU realistischerweise davon ausgeht, dass die UNO für eine solche Neuauflage der alten Kanonebootpolitik schwer zu gewinnen ist, verzichtete sie in der glücklicherweise abgelehnten Verfassung vorsorglich auf eine obligatorische Mandatierung durch den Sicherheitsrat. In ihren «Grundlagen der militärstrategischen Doktrin» vom Februar 2000 begründete die Schweizer Armee die «Ausrichtung des Gesamtsystems auf Interoperabilität» mit der Nato mit folgenden «Risiken»: «Resssourcen-, Wasser- und Nahrungsmittelmangel sowie Armutswanderungen.» Bereits vor dem 11. September 2001 empfahl der US-Vizepräsident Dick Cheney im Punkt 8 der National Energy Policy, Sanktionen gegen andere Staaten in den Dienst der Sicherung der eigenen Energieversorgung zu stellen.

Globaler Militarismus

Der Sinn des globalen Neomilitarismus liegt in der Sicherung der hauptsächlich in der Entwicklungsländern vorkommenden und langsam aber sicher ausgehenden Rohstoffe zugunsten eines auf dem Fossilismus bauenden Kapitalismus und in der Absicherung des Nordwestens dieses Planeten gegen die Armen des Südens. Allerdings hätte sich der Neomilitarismus mit den Argumenten, wie sie in internen Szenarien geschildert werden, nie derart ausbreiten können. Das gelang ihm nur mit einer Menschenrechts-Rhetorik, für die Tyrannen wie Slobodan Milosevic die Rolle eines «diabolus ex machina» spielten. Neu ist der Missbrauch guter Ideale für schnöde Interessen nicht. Als die britische Armee Indien besetzte, tat sie es mit dem Argument, die Barbarei der Witwenverbrennung auszurotten. Als die Briten Indien verliessen, waren sie viel reicher, die Inder viel ärmer und die Witwenverbrennung gab es immer noch. Als König Leopold den Kongo kolonialisierte, was einem Drittel der Menschen das Leben kostete, lautete sein auch von Idealisten geglaubtes Motiv, es ginge um die Befreiung Schwarzafrikas vom arabischen Sklavenhandel.

Legitimitätsressource Neutralität

Die Befürwortung weiterer Auslandeinsätze kommt einem Ja zur Neuauflage des europäischen Kolonialismus und zur Stärkung des US-Imperialismus gleich. Diesem geht es vor allem darum, die helvetische Legitimitätsressource «Neutralität» anzuzapfen. Diese hat weltweit, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten, ein grosses Prestige. Hier lag der Hauptgrund, dass die USA Schweizer Panzer im Irak einsetzen wollte. Auslandeinsätze zur Entlastung der US-Truppen bedeuten die Komplizenschaft bei der Verletzung von Menschenrechten, bei der Spaltung zwischen muslimischer und abendländischer Welt und bei der Verlängerung einer Rohstoff- und Energiepolitik, welche mit dem Krieg schwanger geht.


Josef Lang ist Nationalrat für die Alternativen Kanton Zug und Vorstandsmitglied der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee.

Interdepartementale «Arbeitsgruppe Auslandeinsätze»

(sl) Seit Herbst 2005 treffen sich Vertreter des VBS und des EDA zu Diskussionen über eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen für die Entsendung von Schweizer Soldaten ins Ausland (Militärgesetz, Artikel 66). Anpassungen werden von verschiedener Seite gefordert: So will die FDP parlamentarische Hürden für die Entsendung aus dem Weg räumen, damit Soldaten schneller entsandt werden können. Und der im VBS und EDA einflussreiche Zürcher Sicherheitsexperte Andreas Wenger forderte bereits im Jahr 2004 eine Diskussion um die Streichung der Bedingung eines obligatorischen Uno/OSZE-Mandats. (vgl. GSoA-Zeitung November 2004) Das Ergebnis der Diskussionen, über welche die betroffenen Dienststellen in den Departementen gegenüber der GSoA-Zeitung jede Stellungnahme ablehnten, wird für die kommenden Monate erwartet.