Stupid White Men

Liest man die US-amerikanischen (Gross-) Medien, so bekommt man das Gefühl, das Land stehe vereint hinter dem Vorgehen seines Präsidenten. Das dem nicht so ist, beweist auf amüsante Weise das Buch «Stupid White Men» von Michael Moore. Eine Buchrezension.

Der Filmemacher Michael Moore hat uns im letzten Jahr nicht nur mit seinem Film “Bowling for Columbine” beglückt – wer den nicht gesehen hat, ist selber schuld – es ist auch die deutsche Übersetzung seines Buchs “Stupid White Men” erschienen. Auf diesen 300 Seiten findet sich nicht nur eine amüsante Abrechnung mit “Präsident” George W. Bush, sondern auch mit einer ganzen Generation dummer weisser Männer, die sich anschickt die Welt zu beherrschen. Moore zeigt gekonnt die Mechanismen US-Amerikanischer Politik auf. Auf sarkastische Weise, mit der Narrenmütze auf dem Kopf, demaskiert er die “Junta”, welche momentan die US- und somit auch die Weltpolitik bestimmt. Anhand erschreckender Beispiele gibt er uns einen Einblick, was in den USA so alles schief läuft und wie man sich denken kann ist das eine ganze Menge.

Wer nun bei Moore unreflektierten Antiamerikanismus vermutet, ist ebenso auf dem Holzweg wie wenn man annimmt, es handle sich um eine intellektuelle Abhandlung. Moore ist ein Patriot, er liebt das Amerika der kleinen Leute und fährt einen Minivan, der 19 Liter auf 100 Kilometer schluckt. Aber als wahrer Patriot versteht er es, seine Landsleute dort zu packen, wo ihre Sorgen sind: Er schreibt über Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne und das in einer Sprache, die jedeR versteht. Moore ist ein Aufklärer des neuen Jahrtausends, knallharte Fakten bringt er mit einem so bissigen Sarkasmus, dass man selbst über die “Wahl” des “Präsidenten” nur noch lachen kann.

Mal auf ironische, mal auf ganz pragmatische Weise bringt Moore auch Handlungsvorschläge, die sich nicht an die politischen Eliten beider Parteien, in die er ohnehin jegliches Vertrauen verloren hat, sondern an den kleinen Mann richten. Getreu dem amerikanischen Traum erklärt er, dass jedeR etwas verändern kann, wenn er nur “seinen Arsch bewegt”. So rät er, nicht mehr für die Demokraten, die seiner Meinung nach ihre WählerInnen konsequent verraten, zu stimmen, sondern selber als KandidatIn, für welches Amt auch immer, zur Verfügung zu stehen. Als Beispiel nennt er seine eigene Wahl zum Schulvorsteher im zarten Alter von 18 Jahren, für dieses Amt habe er nur kandidiert um den unfähigen Rektor zu entlassen, was er auch sofort nach seiner Wahl erledigt habe. “Stupid White Men” ist ein Pamphlet gegen die classe politique, die nur noch für sich selber einsteht und will die US-AmerikanerInnen dazu ermutigen das Ruder ihrer Nation wieder selber in die Hand zu nehmen. Nur durch breiten Widerstand könnten die Politiker auf einen Kurs gebracht werden, der nicht nur den reichsten zehn Prozent nütze. Moores grösste Sorgen sind die Ungleichbehandlung der Rassen und Geschlechter, sowie die Konsequente Zerstörung der Umwelt, er selber war bei den Wahlen 2000 einer der berühmtesten Unterstützer des Grünen Kandidaten Ralph Nader.

Ein Kapitel beschäftigt sich ausgiebig mit verschiedenen aktuellen Konflikten. Moore liefert auf wenigen Seiten vermeintliche Lösungen für den Nahen Osten, Nordirland, Ex-Jugoslawien und Nordkorea. Wer jetzt erwartet, dass diese Lösungsansätze realitätskompatibel seien, muss leider enttäuscht werden. Kim Jong Il soll nach Hollywood verfrachtet werden, wo er ungestört seiner Filmleidenschaft nachgehen könne, die nordirischen Protestanten will Moore Zwangskatholisieren und in Jugoslawien sei die einzige Lösung Marschall Tito von den Toten zu erwecken… Einzig im Abschnitt über den Nahen Osten versucht Moore einen pragmatischen Ansatz, er schreibt einen offenen Brief an Yasser Arafat und rät diesem zu einem Generalstreik und zivilem Ungehorsam nach dem Muster von Martin Luther King. Alles in allem lässt sich sagen: Moores Vorstellungen über die Weltpolitik sind nicht viel weniger naiv als die von “Präsident” Bush.

Das schmälert aber keineswegs seine innenpolitischen Analysen und Betrachtungen. Mit unglaublicher Schärfe und Bösartigkeit beschreibt er die USA unter George W. Bush und dessen “Junta”, denen er jede Legitimation abspricht und deshalb eine Intervention der UNO fordert, die den gewählten Präsidenten Al Gore einsetzen soll. “Stupid White Men” wurde vor dem 11.9.2001 geschrieben, der Verleger wollte das noch unveröffentlichte Buch nach den Terroranschlägen und der Popularitätswelle für Bush am liebsten einstampfen. Zu seinem eigenen Vorteil hat er es nicht getan, es wurde zum meistverkauften Sachbuch 2002 in den USA. Auch wenn uns die Medien etwas anderes vormachen, es gibt in den USA immer noch viele Stimmen, die um das Wort Präsident Anführungszeichen setzen.

Michael Moore (2002): Stupid White Men. 329 S. Preis: CHF 21.00. Erschienen im Piper-Verlag. (ISBN/EAN: 3-492-04517-0)

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