Vermeidbarer”Fluch der Ressourcen”

Mit Rohstoffen reich gesegnete Länder versinken besonders häufig in Armut und Bürgerkrieg. Das liegt an den ungerechten Regeln der Weltwirtschaft, meint der deutsche Philosoph Thomas Pogge – und sorgt damit für Wirbel in der ethischen Debatte über die Weltarmut.

Das Paradox ist schon lange bekannt: Staaten, die aus dem Verkauf von Ressourcen grosse Einnahmen erzielen, gehören zu den leidvollsten Armenhäusern der Welt. Der Rohstoffreichtum kommt der Bevölkerung nicht nur nicht zugute, er heizt Bürgerkriege an und hemmt die wirtschaftliche Entwicklung. Dieser Einfluss ist umso grösser, je leichter die Ressourcen abzubauen sind: Wo keine grossen Investitionen und wenig Know-How nötig sind, um Profit aus der militärischen Kontrolle über ein rohstoffreiches Gebiet zu schlagen, ist der Boden für Warlords besonders fruchtbar.

Beispiele für den «Ressourcenfluch» sind Nigeria, das 96 Prozent seiner Handelseinkünfte mit dem Verkauf von Erdöl erzielt, Sierra-Leone (96 Prozent Einnahmen aus Titanium und Diamanten) oder die Demokratische Republik Kongo (78 Prozent Einnahmen aus Kupfer und Kobalt) – alles Länder, die zu den 20 ärmsten der Welt zählen.

Internationale Ordnung begünstigt autoritäre Regimes

Oft wird die Tatsache, dass breite Bevölkerungsschichten unter dem Rohstoffreichtum ihres Landes leiden, statt davon zu profitieren, mit den lokalen Gegebenheiten erklärt. Es fehle an «good governance», heisst es dann jeweils, und im Hintergrund schwingt die Überzeugung mit, die Armen seien selbst schuld, wenn sie korrupte Diktatoren zu ihren Regierenden machen.

Gegen diesen rein nationalen Erklärungsansatz wehrt sich Thomas Pogge: «Es liegt an unseren Regeln, dass korrupte Putschisten uns die Rohstoffe der von ihnen brutal beherrschten Länder verkaufen, dass sie im Namen ihrer Länder Kredite aufnehmen und mit beiderlei Erlösen bei uns die Waffen kaufen können, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft brauchen».

Das «Ressourcenprivileg», das machthabenden Gruppen zugestanden wird, ist weit mehr als die Anerkennung ihrer faktischen Verfügungsmacht über die Ressourcen des fraglichen Landes. Es besteht darin, rechtlich gültige und international anerkannte Eigentumsübertragungen an den Rohstoffen durchführen zu können.

Einer Bande von Kriminellen, welche die Wachen eines Warenhauses gewaltsam überwältigt hat, würden wir keinesfalls die Eigentumsrechte auf ihr Diebesgut zugestehen, so Pogge. Doch ein Konzern, der einem Diktator Öl abkauft, gilt unhinterfragt als legitimer Eigentümer. Diese Praxis beschert uns billige Rohstoffe, setzt aber auch Anreize für Korruption und Putschversuche – also für genau dasjenige Verhalten, das oft als «lokale» Ursache der Armut behauptet wird.

Paradigmen-Wechsel in der Weltarmuts-Debatte

Dieser Vorwurf mag nicht wirklich neu sein, doch er hat einen Paradigmen-Wechsel in der ethischen Debatte über die Weltarmut eingeleitet. Lange Zeit wurden die Pflichten der Reichen gegenüber den Ärmsten dieser Welt im philosophischen Mainstream unter dem Vorzeichen der so genannten positiven Pflichten (Hilfspflichten) diskutiert. Pogge karikiert diese Debatte als eine Diskussion darüber, wozu wir verpflichtet wären, wenn wir auf der Venus plötzlich intelligente Lebewesen entdecken würden, die Not leiden, mit denen wir aber im Grunde nichts zu tun haben. Die Hungernden auf unserem Planeten sind aber keine Venus-Menschen. Wir sind kausal mitverantwortlich für ihre Not, und wir profitieren von den Praktiken, unter denen sie zu leiden haben. Damit sind die umstrittenen positiven Pflichten gar nicht nötig, um unsere Verantwortung gegenüber den Armen zu begründen: Wir haben negative Pflichten (Nichtschädigungspflichten) verletzt und schulden Wiedergutmachung. Armutsbekämpfung ist somit keine Frage der Wohltätigkeit, sondern eine Frage der Gerechtigkeit.

Globale Umverteilung durch Ressourcenbesteuerung

Auch um konkrete Reformvorschläge ist Pogge nicht verlegen. Die Erlöse aus dem Handel mit Rohstoffen sollen der exklusiven Kontrolle durch die einzelnen Staaten entzogen werden. Mit einer «globalen Ressourcendividende» sollen die Armen dafür entschädigt werden, dass die Menschen des reichen Nordens überdurchschnittlich von den natürlichen Ressourcen unseres Planeten profitieren.

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