Vom kleinen zum grossen Polit-Wunder

Zum GSoA-Jubiläum: Neben der Frauenbewegung der 70er Jahre hat seit 1968 keine Bewegung so viel verändert in diesem verhockten Land wie die GSoA. Um die volle Bedeutung der GSoA-Bewegung zu erfassen, ist es noch zu früh, braucht es neben Untersuchungen vor allem neue Erfahrungen. Die folgenden 14 Thesen sollen eine Diskussion darüber anregen und erleichtern.

Dieser Artikel des heutigen Nationalrates und GSoA-Vorstandsmitgliedes Josef Lang erschien in einer längeren Version in der GSoA-Zitig Nr. 36 im März 1990. Am 26.November 1989 hatten fast 36% für die Abschaffung der Armee gestimmt. Ein Grosserfolg für die GSoA-Initiative, der die politische Landschaft in der Schweiz erschütterte.

1. Die GSoA hat das Tabu Armee gebrochen. Bevor eine heilige Kuh geschlachtet werden kann, muss ihr der Heiligenschein genommen werden. Dies ist uns gelungen.

2. Die GSoA hat enthüllt, dass es in der brisantesten Staatsfrage einen breiten und tiefen Graben zwischen der offiziellen und der reellen Schweiz gibt. Damit hat sie ihn noch einmal vergrössert.

3. Dank der GSoA-Bewegung befinden sich die AntimilitaristInnen erstmals seit den 30er Jahren gegenüber den Militärs in der Offensive.

4. Die GSoA wurde zum helvetischen Ausdruck von Glasnost und zum Beweis, dass Perestroika auch hier möglich ist. 5. Die GSoA hat die herrschende politische Klasse der Lächerlichkeit ausgeliefert. Während unter der Bundeskuppel nur jedeR Neunzehnte den Mut fand, ja zu stimmen, war es in der Gesamtbevölkerung jedeR Dritte. Vor allem den staatstragenden Halboppositionsparteien sind ihre Leute in hellen Scharen an die Urne weggelaufen.

6. Bereits die KLUNKER-DIAMANT-Auseinandersetzung, die im Zeichen der GSoA-Frage verlief und zugunsten der Jungen ausging, deutete auf einen gesellschaftlichen Generationen-Wechsel hin. Die «Schweiz der alten Kameraden» (Spiegel), welche den Staat der geistigen Landesverteidigung getragen hat, ist am Abdanken.

7. Der GSoA-Abstimmungskampf bestätigte – im Widerspruch zu den «Analysen» postmoderner ZitatensammlerInnen, welche im kürzlich erschienenen «Neuen Gesellschaftsvertrag» an eine «Auflösung von Klassen» glauben – die Ge-, Ver- und Ent- Schlossenheit des Bürgerblocks.

8. Die postmoderne Theorie von den «wechselnden Mehrheiten/Koalitionen» stimmt bei den wesentlichen Fragen nicht. Auch bei der GSoA schwang der fortschrittliche Uhrenbogen obenaus, stimmten die Lohnabhängigen progressiver als die GewerblerInnen, gibt es deutlich Stadt-Land-Unterschiede, spielte das «Links-Rechts-Schema».

9. Die GSoA beweist, dass die Politik von unten mehr bringt als die von oben, dass man und frau von aussen mehr bewegen kann als von innen. In einer Situation, wo sich die Zivilgesellschaft immer mehr von Parlamenten und Regierungen entfernt, hat diese Erfahrung doppeltes Gewicht. Wer sich auf Institutionen fixiert, kehrt der Bevölkerung, vor allem der jugendlichen, den Rücken zu.

10. Die GSoA-Bewegung unterstreicht, dass es eine politische Alternativbewegung in diesem Lande braucht und dass es für sie einen Platz hat. Links von SP und GP organisierte GSoAtInnen haben im Abstimmungskampf – wie auch schon bei der Unterschriftensammlung – eine unersetzliche Rolle gespielt und dabei mit der SP-Linken gut harmoniert.

11. Die Renaissance des jugendlichen Idealismus muss all jene zynisch gewordenen Alt-68-er beschämen, bei denen der Begriff politische Moral ein Lächeln hervorruft, das noch müder ist als sie selbst.

12. Der GSoA ist es nach Anfangsschwierigkeiten gelungen, ein zukunftsträchtiges Bündnis mit Intellektuellen und KünsterInnen zu schaffen. Weiter stärkte sie die christliche Dissidenz.

13. Das wichtigste Erfolgsgeheimnis der GSoA ist die Mobilisierung der Selten- und Nie-WählerInnen unter 40.

14. Die GSoA hat bewiesen, dass sich trotz allen Betonköpfen und Wendehälsen auch in diesem Lande etwas bewegen lässt. Und dass es sie gibt, die andere Schweiz.

Die GSoA ist weiter herausgefordert, gegen die Rüstungsprogramme wie die Fliegerbeschaffung anzutreten oder sich im Kampf für einen echten Zivildienst zu beteiligen. Vom wem sonst ist die nötige Kraft und Konsequenz zu erwarten?