Von Abbau keine Spur

Rund 15 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich auch im Militärdepartement VBS herumgesprochen, dass die klassische Landesverteidigung ein unwahrscheinliches Einsatzszenario für die Schweizer Armee geworden ist. Doch auch nach dem “Entwicklungsschritt 08/11” bleiben die Armeeplaner die Antwort auf die Frage schuldig, was die Schweizer Armee eigentlich soll

1,5 Milliarden Franken hat Militärminister Samuel Schmid für neue Rüstungsgüter beantragt (vergleiche nebenstehenden Artikel). Beinahe die Hälfte davon betrifft Kriegsmaterial, welches die Armee für die klassische Landesverteidigung rüsten soll. Das neue Rüstungsprogramm bestätigt, was die GSoA schon im April 2006 im Rahmen der Vernehmlassung zur Armeereform «Entwicklungsschritt 08/11» kritisiert hat: Auch eine neu ausgerichtete Armee ist nicht sinnvoller als die alte Kalte-Krieg-Armee.

Aufwuchskern und Raumsicherungsarmee

Der Entwicklungsschritt 08/11 sieht vor, dass die Landesverteidigungskapazitäten der Armee (vor allem Artillerie- und Panzerverbände) auf den Aufwuchskern verkleinert werden sollen. Sollte sich die sicherheitspolitische Lage verändern und die Landesverteidigung wieder aktuell werden, so könnte um diesen Aufwuchskern herum eine abwehrfähige Armee aufgebaut werden.

Im Gegenzug zu dieser Reduktion sieht der Entwicklungsschritt 08/11 einen massiven Ausbau der sogenannten Raumsicherungstruppen vor. Aufgabe dieser Truppen ist die Kontrolle des schweizerischen Territoriums bei einer «nichtmilitärischen oder asymmetrischen Bedrohung». Konkret heisst der neue Feind also «(inter-)nationaler Terrorismus».

Kürzlich sagte Schmid an einer Pressekonferenz mit dramatischer Stimme: «Was passiert denn in einem Art Guerilla-Terrorismus? Da werden [Verkehrs-]Achsen gesprengt. Da werden Städte geschlossen. Das alles ist möglich. Derartige Szenarien entspringen nicht meinen schlechten Träumen.» Wie die Schweizer Armee aber Terroranschläge konkret verhindern könnte, darüber schweigen sich Schmid und seine Mannen aus. Kein Wunder, denn bei einer nüchternen Analyse wäre das VBS zum Schluss gekommen, dass dem Terrorismus mit der Armee nicht beizukommen ist.

Der Terrorismus – die neue grosse Bedrohung

Mit dem Entwicklungsschritt 08/11 verfolgen die Armeestrategen zwei Ziele.

Erstens wird versucht, der Armee wieder neue Legitimation zu verschaffen. Deshalb scheut Schmid auch nicht davor zurück, Ängste vor der diffusen Bedrohung «Terrorismus» zu schüren. Denn die Armee braucht die Zustimmung aus dem Volk; sonst versagen ihr die Soldaten den Dienst und das Stimmvolk die Gefolgschaft (wenn es wieder mal zu einer militärpolitischen Abstimmung kommen sollte). Wenn es Schmid also gelingt, in der Öffentlichkeit die Angst vor dem Terrorismus nachhaltig zu verankern und gleichzeitig die Armee als geeignetes Instrument zum Schutz vor dem Terrorismus zu etablieren, ist seine Armee auf Jahre hinaus gesichert.

Mit dem Bedürfnis nach Legitimation ist auch das zweite Ziel der Armeestrategen verbunden. Die Armee soll wieder mehr finanzielle Ressourcen zugesprochen erhalten. Mit dem neuen Bedrohungsbild «Terrorismus» und dem Rest, was von der Landesverteidigungsarmee übrig geblieben ist, hat Schmid gleich zwei vermeintliche Argumente für mehr Rüstungsgelder.

Fazit: Schmid stellt die Frage, was mit einer arbeitslosen Armee angestellt werden kann. Kein Wunder also, biegen sich Schmid und das VBS die Realität zurecht und kreieren neue, abstruse Szenarien für die Armee. Diese bleibt aber, auch nach dem Entwicklungsschritt 08/11, eine sinnlose Institution, die besser heute als morgen abgeschafft werden sollte.

Die Stellungnahme der GSoA zum Entwicklungsschritt 08/11 kann unter gsoa.ch/armee/reformen/ heruntergeladen werden.