Waffenexporte trotz Kriegszustand

Seit Jahrzehnten stehen Schweizer Gelbmützen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Die zwei Staaten befinden sich noch immer im Krieg. Die Schweizer Soldaten sollen einen Beitrag zur Friedenssicherung leisten. Seit einigen Jahren liefert die Schweiz aber auch Kriegsmaterial an Südkorea, was neutralitätspolitisch bedenklich ist.

Die koreanische Halbinsel war einer der heissen Schauplätze des Kalten Krieges, seit 1945 ist sie geteilt. Ein nordkoreanischer Angriff führte 1950 zur Eroberung fast des ganzen Südens. Darauf beschloss die Uno eine militärische Intervention unter Leitung der USA, welche wiederum bis an die chinesische Grenze vorrückten. Schliesslich griff China ein und rückte bis zum 38. Breitengrad vor, was die Wiederherstellung des Status Quo bedeutete. Es folgten zwei Jahre Stellungskrieg. Seit 1953 herrscht eine gespannte Waffenruhe, immer wieder unterbrochen von Zwischenfällen. Militärische Provokationen gibt es regelmässig. Der drei Jahre lang blutig geführte Krieg forderte mehrere hunderttausend tote Soldaten (140‘000 Südkoreaner und 40‘000 Uno-Soldaten, grösstenteils US-Amerikaner, 350‘000 – 750‘000 Nordkoreaner und Chinesen) sowie zweieinhalb Millionen Opfer in der Zivilbevölkerung (davon eine Million in Südkorea und eineinhalb Millionen in Nordkorea).

Die Lösung des Konfliktes ist niemals über den damals geschlossenen Waffenstillstand hinausgekommen, die beiden Länder befinden sich offiziell noch immer im Kriegszustand. Damit sind Kriegsmateriallieferungen (egal in welcher Grössenordnung) neutralitätsrechtlich für die Schweiz ein Problem. Denn mit dem Beitritt zur Haager Landkriegsordnung von 1907 und ihren wiederholten Neutralitätserklärungen hat sich die Schweiz verpflichtet, keine Kriegspartei einseitig mit Kriegsmaterial zu beliefern. Also beliefert sie entweder beide Seiten im gleichen Ausmass oder gar nicht. In Anbetracht der Uno-Sanktionen gegen Nordkorea, denen sich auch die Schweiz angeschlossen hat, müsste sie konsequenterweise auf Kriegsmateriallieferungen an Südkorea verzichten.

Ansteigende Kriegsmaterialexporte in den letzten Jahren
Von 1945 bis 1999 exportierte die Schweiz kein Kriegsmaterial an die beiden Korea. Erst ab dem Jahr 2000 begann die Schweiz in sehr geringem Masse mit dem Export von Kriegsmaterial nach Südkorea. In der Grössenordnung von maximal 40‘000 Franken pro Jahr gingen diese Exporte bis 2006 weiter. Der Bundesrat begründete die Waffenlieferungen an Südkorea mit Verweis auf die Waffenlieferungen anderer europäischer Länder, insbesondere zeigte er auf Schweden. Im Jahr 2007 waren die Waffenexporte auf einen Wert von einer Million Franken angestiegen, im darauf folgenden Jahr gar auf vier Millionen. Schliesslich beschloss der Bundesrat im März 2009 sogar explizit, Waffenexporte nach Südkorea grundsätzlich zu erlauben – trotz dem Druck der GSoA-Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten und trotz dem gleichzeitig erlassenen Verbot von Waffenlieferungen nach Ägypten, Saudi-Arabien und Pakistan. 2009 wurde wieder für zwei Millionen Franken nach Südkorea exportiert. Seither haben sich die jährlichen Exporte bei etwa einer Million Franken eingependelt. Bei den exportierten Waffen handelt es sich gemäss Statistik um Grosskaliberwaffen oder deren Munition, sowie um Bomben, Torpedos, Raketen oder ähnliches.

Die vom Bundesrat einmal bewilligten Exporte sind ausgeliefert und werden trotz aktueller Eskalationsgefahr wohl nicht wieder eingeschränkt. Sollten in naher Zukunft grössere Lieferanfragen aus Südkorea eintreffen (was insbesondere Rheinmetall Air Defence betreffen könnte), würden diese Lieferung wahrscheinlich diskussionslos bewilligt. Dieses Verhalten dürfte für die Wahrnehmung der Neutralität der Schweiz in diesem Konflikt nicht eben förderlich sein und könnte insbesondere auch die Schweizerischen Militärbeobachter vor Ort in Gefahr bringen.