Warum, wieso und wie weiter?

Der 2. Dezember war der Abschluss eines längeren Zyklus von GSoA-Aktivitäten: 1995 wurde in der GSoA die Diskussion über neue Initiativen aufgenommen, 1996 und 1997 die Initiativtexte in einer breiten Diskussion erarbeitet, 1998 mit der Unterschriftensammlung begonnen, 1999 die beiden Initiativen eingereicht, 2000 ein friedenspolitisches Referendum gegen das Militärgesetz beschlossen und gesammelt, 2001 schliesslich über das friedenspolitische Referendum und die Initiativen abgestimmt, im März folgt noch die Abstimmung über die Uno-Initiative. Nach über fünf Jahren fast permanenter Kampagne hat die GSoA eine reflexivere Phase verdient und nötig. Soviel vorneweg: Es gibt eine Vielzahl von Menschen, die an einer weiteren Perspektive arbeiten wollen und sich auch zukünftig in der GSoA für eine zivilere Konfliktpolitik einsetzen. Auf dieser Doppelseite und in den nächsten GSoA-Zeitungen werden wir die Diskussionen über unsere Einschätzung des Resultates des 2. Dezembers 2001 sowie über die Perspektiven der GSoA dokumentieren.

Zu viele blieben zu Hause
«Es war einfach der falsche Zeitpunktâ nach den Anschlägen vom 11. September.», wird oft als Grund für das deutliche Scheitern der Initiative angegeben. Ja, das mag stimmen, doch bei mir war es gerade der 11. September, der mich dazu bewogen hat, endlich mal etwas aktiver zu werden. Nun erst recht muss man alles tun, um den Frieden zu fördern!
Ich glaube nicht, dass die GSoA-Initiative daran gescheitert ist, dass das Schweizer Volk unbedingt die Armee beibehalten möchte und restlos von deren Sinn überzeugt ist. Viele FreundInnen, mit denen ich im voraus über die Abstimmung diskutiert habe, beteuerten mir, dass sie die Idee ja schon gut fänden, aber dass es halt nun mal einfach naiv sei, die «sicherheitsbringende» Armee aufzugeben.
Und ich muss sagen, ich kann es ein Stück weit auch verstehen. Bis anhin sympathisierte ich mit der GSoA, weil mich mit der Armee einfach nicht anfreunden konnte. Aber als ich mich entschloss, aktiv bei der GSoA mitzuwirken, galt es ernst, und ich begann mich zu fragen: Bin ich tatsächlich dafür, die Armee aufzulösen? Bin ich bereit, diesen Schutz aufzugeben? Und was wäre im Kriegsfall? Ich hatte also dieselben Bedenken, wie viele andere wohl auch. Es war dann die Abstimmungszeitung, die mich restlos überzeugte, und die mir half, den «Ballast» Armee abzuwerfen. Und ich denke, dass viele andere dies leider nicht tun konnten, und es deshalb vorzogen, am Sonntag zu Hause zu bleiben, statt abstimmen zu gehen – obwohl sie die Idee eigentlich gar nicht so schlecht fänden… Nun ja, vielleicht ändert sich das Bewusstsein ja mit der Zeit, und wir waren halt einfach zu früh mit unserem Anliegen?
Nicole Troxler, GSoA Aargau

Mediencommuniqué statt Champagner
Einer Journalistin habe ich gesagt, wenn die Grünen am 2. Dezember 2001 zu den GewinnerInnen gehörten, würde ich kein Pressecommuniqué schreiben, sondern eine Flasche Champagner knallen lassen. Ich habe ein Communiqué geschrieben. Drei für uns wichtige Vorlagen sind massiv bachab geschickt worden: die von den Grünen lancierte ökologische Steuerreform sowie die beiden friedenspolitischen Initiativen, beide von den Grünen überzeugt unterstützt. Rund 400’000 Menschen haben den drei Vorlagen zugestimmt. Diese 23% Ja-Stimmenden sind rund 8,7% der Stimmberechtigten. Solche Zahlen- und Machtverhältnisse schlagen auch uns minderheitsgewohnten Grünen aufs Gemüt. Mit etwas Distanz kehrt die Überzeugung zurück, dass es gerade in einer kriegs- und gewalttrunkenen Zeit notwendig ist, auf zivilen, gewaltlosen Konfliktlösungsstrategien zu beharren. Dass diese Meinung Ende 2001 von 400’000 Personen geteilt wurde, ist trotz allem ein ermutigendes Zeichen. Bleibt zu diskutieren, ob Initiativen derzeit das geeignetste Mittel sind, andere Perspektiven zu eröffnen.
Hubert Zurkinden, Generalsekretär Grüne Schweiz

Gezielte Sicherheits-Psychose
Am 2. Dezember 2001 haben 385’000 StimmbürgerInnen für die Abschaffung der Schweizer Armee gestimmt. Zwölf Jahre früher war es noch über eine Million gewesen. Ist die Armeeabschaffung also kein Thema mehr, wie die «NZZ» am Tag nach der Abstimmung titelte?
Wer ins Kriegsgeschrei der Generäle «im Kampf gegen den Terrorismus» einstimmt, möchte das gerne so sehen. Die gezielt verbreitete Sicherheits-Psychose dient dazu, den Blick auf jene unerträgliche Zukunft zu verdecken, die uns die Globalisierung des Kapitals verspricht. Eine Zukunft, in der das Leben und die Würde unzähliger Menschen wenig zählt im Vergleich zu den Aktienkursen und Konzerngewinnen, diesen «Göttern der Moderne», denen die Menschheit ihre eigenen Bedürfnisse opfern soll.
Wer hingegen für eine andere Welt kämpft, weiss, dass die GSoA am 2. Dezember Recht hatte. In einer Welt, die den Bedürfnissen der Menschen entspräche, bräuchte es keine Schweizer Armee. Wir sind uns bewusst, dass es ein langer Kampf sein wird. Dass wir lange Zeit in der Minderheit sein werden. Dass es nicht ausreicht, Initiativen und Referenden zu organisieren. Es braucht die Entwicklung einer internationalen Bewegung, die Alternativen zur Globalisierung des Kapitals formulieren und durchsetzen kann.
Peter Streckeisen, attac Schweiz

Und nun…?
Gegenüber 1989 haben wir mehr als 14 Stimmenprozente eingebüsst. Die legendären 36% vor 12 Jahren kamen damals einer Sensation gleich. Dieses mal kann in keiner Weise von einem sensationellen Ergebnis gesprochen werden. 1989 war die GSoA-Abstimmung ein ganz gewaltiges «Happening». Im 2001 war unsere Vorlage eine unter vielen. Warum diese augenfällige Unterschiede zu 1989? Es gibt einen zentrale Differenz auszumachen: Wir lebten damals in einer Stimmung des Aufbruchs (kurz nach dem Mauerfall). Auch bei der Abstimmung vom vergangenen Dezember lebten wir in einer speziellen Stimmung. Es war eine Stimmung der Unsicherheit. World Trade Center, Afghanistan und Zug haben mehr mit diesem Resultat zu tun als unsere Kampagne oder die Gegenkampagne. Eine zweite wesentliche Veränderung: Die GSoA ist nicht mehr einfach «cool», sie steht nicht mehr für etwas «Revolutionäres». GSoAten/ Innen werden vielmehr als kompetente, gut argumentierende Spezialisten/Innen wahrgenommen, die für ein vertretbares Anliegen einstehen (das Anliegen war zwar schon 1989 realistisch, wurde allerdings damals von vielen schlicht und einfach nicht ernst genommen). Die GSoA hat es geschafft, ein radikales Anliegen zu einem «seriösen» Anliegen zu machen und somit auch ein Mobilisierungsfähigkeit verloren.
Welche Perspektiven haben wir? Erstens müssen wir uns damit abfinden, dass es nicht in unseren Möglichkeiten liegt, «Stimmungen» zu erzeugen. Zweitens müssen wir einsehen, dass wir nie mehr so «cool» sein können wie 1989. Die GSoA wird von vielen als Auslaufmodell wahrgenommen. Was ist es denn, was uns überhaupt noch weiter treiben soll? Für mich ist es schlicht und einfach die grundsätzliche Überzeugung, dass die von uns vorgeschlagenen Alternativen die erfolgsversprechenderen sind. Weniger klar wird es für mich, wenn es um die Umsetzbarkeit meiner Überzeugung geht. In der Antiglobalisierungsbewegung ist die militärkritische Optik nur eine Nische unter vielen und kann somit nicht konkret genug vertreten werden. Die Gründung einer neuen militärkritischen Bewegung erachte ich als unrealistisch. Parteipolitisch sehe ich sowieso keine Anschlussmöglichkeiten. Was meiner Ansicht bleibt, ist schlicht und einfach den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und auch zukünftig eine sachliche, kompetente Politik zu betreiben, welche sich an pazifistischen Idealen orientiert. Die andere (theoretische) Alternative wäre es, auf die Umsetzung meiner Überzeugung zu verzichten. Mit dieser Alternative hätte ich aber das grösste Problem.
Martin Parpan, GSoA Graubünden

Trotz Skepsis mitgemacht
Als die JUSO Schweiz anlässlich ihrer Jahresversammlung im Februar 1998 sich entschied, die Lancierung der Neuauflage der Armeeabschaffungsinitiative und der Initiative für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst (ZFD) mitzuunterstützen, fiel dieser Entscheid äusserst knapp aus. Auch wenn wir als linke Organisation durchaus die Ansicht vertreten, dass eine verlorene Initiative mit einem Achtungsergebnis einiges im positiven Sinne verändern kann, musste objektiverweise zum damaligen Zeitpunkt bereits davon ausgegangen werden, dass die zweite Armeeabschaffungsinitiative einen geringeren JA-Stimmenanteil als 1989 erreichen wird, und damit Gefahr läuft, allenfalls eine gesellschaftliche Stärkung der Armee auszulösen. In der Folge war auch während der Unterschriftensammlung bei weiten Kreisen der JUSO Schweiz eine gewisse Skepsis über den Erfolg dieser Initiativen vorhanden. Nichtsdestotrotz beteilligten sich JUSOs an der Unterschriftensammlung. Die JUSO begrüsste es, dass in der Abstimmungskampagne versucht wurde, eine neue Diskussion über die zukünftige Friedenspolitik der Schweiz in einem umfassenden Kontext durchzuführen. Hingegen war es für uns schwierig zu verstehen, warum dies mit der Neuauflage einer bereits einmal lancierten Initiative versucht wurde. So war dann auch die Enttäuschung über das in unseren Augen schlechte Resultat gross. Unter diesen Umständen müssen wir leider zum Schluss kommen, dass das Ziel einer Abschaffung der Schweizer Armee in den nächsten Jahren, sollte sich die Situation nicht dramatisch verändern, kaum mehr radikal angegangen werden kann. Die JUSO Schweiz würde sich voraussichtlicherweise an einem solchen Versuch nicht mehr beteiligen. Vielmehr wird sich die JUSO Schweiz sich in den nächsten Jahren für eine drastische Verkleinerung der Armee und der Rüstungsausgaben einsetzen.
Claudio Marti, Zentralsekretär Juso Schweiz

Feministische Friedenspolitik gegen die Militarisierung der Gesellschaft
Als feministische und friedenspolitische Organisation wehrt sich der cfd gegen die manchmal schleichende, manchmal galoppierende Militarisierung von Politik und Gesellschaft. Das war Grund genug, das Projekt «ziviler Friedensdienst» und die Initiative für eine Schweiz ohne Armee zu unterstützten. Wir lehnen bewaffnete Einsätze grundsätzlich ab und stehen ein für zivile Konfliktbearbeitung. Die ernüchternden Abstimmungsresultate der friedenspolitischen Vorlagen in den vergangenen Jahren haben an der Grundhaltung des cfd nichts geändert. Für den cfd ist der gleichberechtigte Zugang zu Bildung, Gesundheit, Arbeit, Wissen und Macht für Frauen eine unabdingbare Voraussetzung, um gesellschaftliche, strukturelle, militärische Gewalt zu verringern und zu verhindern. Die Forderung nach einer Umverteilung von Ressourcen, heisst daher, an den Machtstrukturen zu kratzen.
Wir engagieren uns – auch nach der Abstimmung – für eine Friedenspolitik, die Gewalt auf den gesellschaftlichen Kontext bezieht, in dem sie sich entfalten kann. Krisenprävention wird möglich durch Bildungs- und Empowermentprojekte und nicht durch Truppenpräsenz und Waffeneuphorie. Darum nehmen wir beharrlich die salonfähig gewordenen Cowboydiskurse über die Befreiung der Armen durch westliche Armeen unter die Lupe und zerpflücken die von patriarchaler und kulturrassistischer Ideologie strotzenden Bilder über die Unterdrückung der fremden Frauen. Wir hinterfragen Machtspiele kritisch, wenn es um das Aushandeln und Definieren von Friede geht, und eröffnen andere Perspektiven für eine Friedenspolitik, die mehr meint als die Abwesenheit von Krieg.
Annemarie Sancar, Informationsbeauftragte cfd

Nicht nur der Zeitgeist
Gewiss, die Voraussetzungen waren weitaus weniger günstig als 1989. Terroranschläge und Krieg und nicht wie damals der Mauerfall standen im vergangenen Dezember im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Schnell kam auch das Argument wieder auf, ein Tabu liesse sich eben nicht zweimal brechen, das öffentliche Interesse an unserer Initiative sei deshalb naturgemäss kleiner gewesen. Nur: Dessen waren wir uns bei der Lancierung voll bewusst, und wir waren uns einig, dass das Resultat der ersten Abschaffungsinitiative nicht zu einem neuen Tabu werden sollte.
Die Gründe dafür, dass diesmal 667’451 Personen weniger «Ja» zu unserer Initiative gesagt haben, nur mit dem Zeitgeist erklären zu wollen, greift wohl zu kurz. Natürlich, die Kulturschaffenden haben sich uns diesmal nicht reihenweise aufgedrängt und es haben viel weniger Leute eigene Projekte eingebracht. Allerdings hat dies wohl auch mit dem geänderten Bild, das die GSoA ausstrahlt, zu tun. In jüngster Zeit war die GSoA vor allem an professionellen Medienauftritten wahrzunehmen, ganz im Gegensatz zu den Zeiten von GSoA I und F/A-18. Da konnte mensch an einer Vielzahl von Konzerten und anderen Kulturanlässen seine Sympathie bekunden oder einfach einmal etwas GSoA-Luft schnuppern, anstatt nur Debatten mit Vertretern des Offizierverbandes anzuhören. Ganz klar, für die kleinere Anzahl von AktivistInnen ist diesmal wohl nicht viel mehr möglich gewesen, als was im Vorfeld dieser Abstimmung tatsächlich auch stattgefunden hat. Dennoch müssen wir wohl wieder mehr darauf schauen, dass wir bei den Hunderttausenden von Ja-Denkenden (aber nicht mehr Stimmenden) nicht vergessen gehen. Und gleichzeitig dürfen wir uns freuen, dass auch die Armeefreunde 532’150 Personen weniger an die Urne haben locken können, die Zustimmung zum Erhalt der Armee in absoluten Zahlen also noch nie so gering war wie am 2. Dezember.
Andreas Kyriacou, GSoA Zürich

Den Zielen verpflichtet
Grau in grau – besser könnte man diesen Tag nicht beschreiben. Nicht nur das Resultat war eine Enttäuschung, auch die katastrophale Stimmbeteiligung schlug aufs Gemüt. Doch ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass die GSoA das Richtige gemacht hat und es gut war, dass wir uns bis am Schluss voll eingesetzt haben. Es ist einfach, im Nachhinein alles besser zu wissen oder anders machen zu wollen. Es geht in meinen Augen darum, sich um das Bestmögliche zu bemühen und seinen Zielen treu zu bleiben. Das haben wir getan, und aus dieser Sicht war die Kampagne ein Erfolg. Tausende von Menschen haben unseren friedenspolitischen Argumenten zugestimmt und gezeigt, dass unsere Arbeit wichtiger denn je ist in einer Zeit, in der die Zeichen nicht auf Frieden stehen.
Luzia Jäger, GSoA Basel

Gratulation aus Deutschland
Angesichts der politischen Grosswetterlage war die Ablehnung der Armeeabschaffungs-Initiative sowie dem Volksbegehren für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst nicht verwunderlich. Dass sich unter diesen Umständen immerhin 384’991 Leute für eine Schweiz ohne Armee und 405’011 für einen freiwilligen ZFD entschieden haben, darf dennoch als bedeutender europäischer Erfolg gewertet werden. Oder kennen wir ein anderes Land unseres Kontinents, in dem sich so viele Menschen explizit für unsere pazifistischen Positionen ausgesprochen haben? Deshalb gratulieren wir unseren Schweizer Freunden jenseits der Grenze, der «Gruppe Schweiz ohne Armee/GSoA», zu diesem Ergebnis.
Konrad Tempel, Bund für Soziale Verteidigung, Deutschland

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