Wie das Militär unsere Lebensqualität zerstört

Über die Leiden von Anwohnern eines Schiessplatzes.

Von Renate Schlotterbeck und Karin Thrier

Wir leben in unmittelbarer Nähe eines Bundesschiessplatzes im Glarnerland. Unser Haus liegt am Rande der Gemeinde Mollis, in einem Gebiet, das vornehmlich durch Landwirtschaftsbetriebe besiedelt ist. Während der möglichen Belegungszeiten von Montag bis Freitag von 8.oo bis teilweise 22.oo Uhr wird auf dem Schiessplatz der Ernstfall geprobt. Es werden unterschiedliche Geschosse benutzt, die unterhalb einer Felswand detonieren. Der Schall wird durch den Fels reflektiert und über die Linthebene getragen. Die von der EMPA gemessene Lärmbelastung auf unserer Liegenschaft liegt bei 112 Dezibel. Für militärische Schiess- und Übungsplätze besteht keine Lärmschutzverordnung (LSV), anders als bei zivilen Schiessanlagen – lediglich eine Empfehlung des VBS aus dem Jahre 1993 liegt vor, die von einem Grenzwert von 113 dB respektive 119 dB spricht. Das Bundesamt für Betriebe des Heeres schrieb in einem Antwortschreiben auf unsere Anfrage hin lakonisch: «Wie Sie aus dem vorliegende Messresultat entnehmen können, wird der provisorische Grenzwert eingehalten. Somit ergibt sich für uns kein Handlungsbedarf, Änderungen vorzunehmen.»

Rechtlich wehrlos

Da es eine LSV fürs Militär noch nicht gibt, können wir keine rechtlichen Schritte ins Auge fassen. Solange die Armee keine verbindlichen Grenzwerte einzuhalten hat, lässt sich auch keine Klage führen, weil diese einer rechtlichen Grundlage entbehren würde.

Die Gemeinde Mollis weist jegliche Verantwortung von sich. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass seit dem Verkauf des Schiessplatzes an den Bund, die Kompetenz ausschliesslich beim Bund und allenfalls beim Kanton läge. Ausserdem würden die in diesem Gebiet domizilierten Landwirte gut mit dem Lärm leben können.

Beeinträchtigung von Gesundheit und Lebensqualität

Wir können es nicht. Nicht nur eine wissenschaftliche Untersuchung beweist, dass Lärm krank macht. Unzählige Studien und Umweltberichte kommen zum gleichen Ergebnis. In einem EMPA-Seminar zum Thema «Grundlagen der Akustik und Lärmbekämpfung» wird aufgezeigt, dass die Folgen von Lärmwirkung auf den Menschen vielfältig sind und ab dem Grenzwert von 60 db messbar krank machen. Mögliche Folgen reichen von Schlaf- und Konzentrationsstörungen bis hin zu Reizbarkeit und psychischer Beeinträchtigung.

Für uns ist das unerträglicher Alltag. Wir können uns nicht draussen aufhalten – weder im Garten noch auf Hundespaziergängen. Mensch und Tier fahren erschreckt zusammen bei jedem Knall. Die Nutzung des Zuhauses als Arbeits- und Erholungsort ist undenkbar. Wir sind auch nicht in der komfortablen finanziellen Lage, uns Schallschutzfenster einbauen zu können, damit wenigstens die Innenräume einigermassen ruhig wären.

Wie kann es angehen, dass einzig das Militär sich nicht an eine Lärmschutzverordnung zu halten hat? Womit ist diese Ausnahme gerechtfertigt – zumal laut Verfassung alle Lärmverursacher gleichermassen Anstrengungen unternehmen müssen, um die Menschen zu schützen? Derartige Ungleichheiten machen wütend.

 

* Die beiden Autorinnen wandten sich in ihrer Verzweiflung an die GSoA. Vielleicht befinden sich unter unseren LeserInnen ja LeidensgenossInnen oder gar Leute die sich erfolgreich gegen Schiesslärm wehrten. Die Autorinnen wären für Unterstützung in ihrem Kampf dankbar. Erreichbar via: thribeck@bluewin.ch

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