Ziviler Friedensdienst in Palästina

Holy Land Trust ist eine palästinensische Friedensorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, mit gewaltfreiem Widerstand für die palästinensische Unabhängigkeit zu kämpfen und mit gewaltfreien Konfliktlösungsmodellen zum Aufbau einer palästinensischen Gesellschaft beizutragen.

Martin Parpan sprach mit Sami Awad, dem Geschäftführer von Holy Land Trust.

Sami Awad, kannst du mir sagen, wie und weshalb Holy Land Trust gegründet wurde?

Holy Land Trust wurde gegründet, nachdem ich aus den USA zurückkam. Ich studierte dort politische Wissenschaft und internationales Friedens- und Konfliktmanagement. Mein Wunsch war es, mit der Arbeit fortzufahren, die mein Onkel, Mubarak Awad, in den achtziger Jahren angefangen hatte. Er engagierte sich aktiv im gewaltlosen Widerstand gegen die israelische Besetzung. 1988, während des ersten Intifada, wurde er verbannt. Ich wollte eine Organisation ins Leben rufen, die mit dem Konzept vom gewaltlosen Widerstand gegen die Besatzung fortfährt. Es ging auch darum, Gewaltlosigkeit in die Gemeinschaft zu tragen und das internationale Bewusstsein über die Situation in Palästina zu fördern. Im Jahr 2000 wurde Holy Land Trust dann gegründet.

Was hilft euch, an gewaltfreien Widerstand in einer Region zu glauben, in der Gewalt zum Alltag gehört?

Bei mir nährt sich der Glaube an Gewaltfreiheit aus unterschiedlichen Erfahrungen. Ich habe es als Teenager persönlich erlebt, wie die israelische Regierung auf die gewaltfreien Aktionen meines Onkels reagierte. Die Art der Reaktion auf die Arbeit meines Onkels durch Inhaftierung und Verbannung zeigte mir die Kraft, die in gewaltfreiem Widerstand steckt. Es zeigt mir, wie gross die Furcht von gewaltfreiem Widerstand ist. Ich sah aber auch während der ersten Intifada, dass Gewaltfreiheit Menschen wirklich stärker macht und Resultate erzielt. Die Schwierigkeit in Diskussionen über das Konzept in Palästina ist nicht die, dass Gewaltfreiheit an sich nicht akzeptiert würde oder gar zurückgewiesen wird. Die Schwierigkeit liegt im Umgang mit den unheimlichen Frustrationen und dem Zorn, der aus der Besatzung resultiert.

Welche Rolle siehst du für Holy Land Trust im Friedensprozess?

Unsere Organisation hat nicht das Ziel, eine endgültige Lösung im Konflikt aufzuzeigen. Wir arbeiten weder für eine der gegenwärtigen politischen Initiativen, noch lehnen wir eine davon ab. Was wir zu erreichen versuchen, ist die Annerkennung, dass jeder der hier lebt, exakt das gleiche Recht hat wie alle anderen, die hier leben. Dies ist die Basis für eine Zukunft in Frieden, Koexistenz und Versöhnung.

Wie kann man sich Eure Arbeit vorstellen?

Wir organisieren Veranstaltungen und Aktivitäten, die offen sind für alle Interessierten. Wir versuchen alle in irgend einer Weise einzubinden, von jung bis alt. Es geht darum, bei den Menschen ihre eigenen Ressourcen zu mobilisieren. Friedliche Protestaktionen, Boykott-Kampagnen sind mögliche Formen.

Welche Rollen haben Kinder in Eurer Arbeit?

Kinder sind eine der Hauptzielgruppen von uns. Wir arbeiten mit Kindern in den Schulen wie auch ausserhalb von Schulen. Wir haben ein Programm, das sich «peacbuilder» nennt. Es lehrt Lehrer und Kinder mit Instrumenten und Methoden der Friedenserziehung umzugehen. Ausserhalb der Schule haben wir ein Programm, welches sich «Erinnerung an die Unschuldigen» nennt. Es geht dabei darum, dass Teenager aktive Teilnehmer am Gesellschaftsleben sind und sich mit gemeinschaftsrelevanten Themen befassen. Kinder sind die Zukunft, egal ob unter Besatzung oder in Freiheit. Wir müssen intensiv mit ihnen arbeiten, damit sie für jede Lebenslage gerüstet sind.

Welche Rolle hat die Religion in Eurer Arbeit?

Religion hat einen wichtigen Einfluss auf das Leben der Menschen. Sie wurde für verschiedenen Zwecke gebraucht und missbraucht. Wenn wir praktisch arbeiten, stellen wir immer den Bezug zum im Glauben begründeten Konzept der Gewaltlosigkeit vor.

Wenn wir uns eine Welt vorstellen mit einem Palästina ohne Besatzung: was wäre die Hauptaufgabe, welche die palästinensische Gesellschaft von sich aus zu bewältigen hätte?

Ich sage immer, dass der Prozess des «Nation Buildings» schwieriger sein wird als der Prozess der Beendigung der Besatzung. Die Zivilgesellschaft hat dabei eine wichtige Rolle im Umgang mit der Demokratie. Respekt für Menschenrechte, Meinungsfreiheit und alle anderen Arten von Freiheit – diese Werte muss die palästinensische Zivilgesellschaft hochhalten.

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