Zwischen Information und Propaganda

Kurz nach den Anschlägen von Paris lag der Schwerpunkt der deutsch- und französischsprachigen Berichterstattungen auf den Attentätern, den Opfern und dem IS bzw. Daesh. Später fokussierten sich die meisten Medien auf die militärische «Lösung»: die Teilnahme am sogenannten «War on Terror». Welche Rolle aber spielen die Medien selbst in Bezug auf Terrorismus?

Die Wechselwirkung zwischen Medien und Terrorismus ist seit vielen Jahren ein heiss diskutiertes Thema. Die Bilder und Texte von Zeitungen und Fernsehnachrichten präsentieren Deutungsmuster und prägen so die Meinungen ihrer LeserInnen und ZuschauerInnen. Die Frage, wie sie über terroristische Anschläge berichten und wie sich dies auf die Öffentlichkeit auswirkt, ist folglich zentral.

Darstellung von Krieg und Gewalt

Das Beispiel Paris zeigt einmal mehr, dass sich die deutsch- und französischsprachigen Medien  nach Attentaten primär auf die Darstellung der Gewaltakte konzentrieren. Bei ihren Quellen verliessen sich die JournalistInnen mehrheitlich auf die Informationen und vorgefertigten Kommentare von Regierung und Militär. Ein solches Vorgehen hat den Vorteil, dass die terroristische Gewalt zwar eine hohe Aufmerksamkeit erhält, tendenziell aber nicht auf Zustimmung stösst und keine Legitimität geniesst. Jedoch unterliegen die Medien so der Manipulation seitens der eigenen Regierungen durch deren gezielt gestreuten oder gewährten Informationen. Gleichzeitig produziert dieses hohe Mass an Gewaltdarstellungen ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit, das in modernen Demokratien nötig ist, um Krieg, der den zivilen Grundwerten zuwiderläuft, überhaupt zu legitimieren.

Vor allem in den Wochen nach den Anschlägen von Paris rückten viele Medien den gesamten «War on Terror»-Diskurs in den Vordergrund: Kriegseintritte, Luftangriffe und Bombarde- ments prägten das Bild in der Öffentlichkeit. Auf diese Weise ist der Grat zwischen reiner Berichterstattung und patriotischer Kriegsverherrlichung auf einmal sehr schmal geworden – die Medien laufen Gefahr, selbst zur Kriegswaffe zu werden.

Mögliche Effekte hoher Medienpräsenz

Wenn sich die Regierungen durch Anschläge zu undemokratischen Gegenmassnahmen hinreissen lassen – sei dies eine Nachrichtensperre oder militärische Angriffe ohne UNO-Mandate – haben die Attentäter ihr Ziel erreicht und nicht nur in die politische Kommunikation des Westens, sondern auch in dessen Handeln eingegriffen.
Dass terroristische Gruppierungen wie der IS immer öfter ganz bewusst den Zugang zu Medien suchen, spielt hierbei eine grosse Rolle. Via Medien gelingt es ihnen nicht nur, Angst und Schrecken zu verbreiten und Aufmerksamkeit zu generieren, sondern auch Sympathisierende und Ressourcen anzuwerben. Einseitige und unkritische Berichterstattungen über Krieg und Gewalt haben oft einen polarisierenden und radikalisierenden Effekt.

Alternative: konstruktiver Journalismus

Die Tatsache, dass viele Medien gerade bei Konflikten auf die Aussagen und die Propaganda von Regierungen und Militär zu- rückgreifen, hat einen naheliegenden Grund: Recherchearbeit in Krisengebieten ist gefährlich und aufwändig, und ausserdem funktionieren die Medien ebenso wirtschaftlich wie jedes andere Unternehmen. Dass sie so aber stets nur eine Seite der Medaille zeigen, birgt grosse Risiken. Da sich Medien oftmals an grosse Menschenmassen richten, haben sie auch eine Verantwortung, da sie Meinungen kontinuierlich und nachhaltig beeinflussen. Konstruktiver Journalismus sollte daher nicht nur terroristische Attentate und die «heroischen» Gegenschläge dazu benennen oder die Interessen der offensichtlich und direkt beteiligten Konfliktparteien aufzeigen. Eine umfassende und konfliktsensitive Analyse sollte alle Parteien mit einschliessen und neben physischer und militärischer Gewalt auch auf strukturelle wie beispielsweise Armut, fehlende Bildungschancen und Diskriminierung hinweisen. Und schliesslich sollte sie Lösungen aufzeigen, die die Menschenrechte aller zu wahren versuchen.

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