Stell dir vor, es ist Krieg und du bist Soldat

In Friedenszeiten ist der Militärdienst vor allem ein lästiger Zeitraub. In Kriegszeiten sind Wehrpflichtige auf Leben und Tod Entscheidungen ausgeliefert, welche die Mächtigen im sicheren Sitzungszimmer fällen.

Zugegeben: Ein Kriegseinsatz der Schweizer Armee ist zurzeit nicht absehbar. Doch dass auch demokratische Staaten gewillt sind, Angriffskriege zu führen, haben uns die USA und ihre Verbündeten mit der noch immer andauernden Besetzung Afghanistans (mit dabei auch unser Nachbar Deutschland) oder dem Irakkrieg nur zu deutlich vor Augen geführt. Unter dem Deckmantel des sogenannten «Kriegs gegen den Terror» versuchen sie mit militärischen Mitteln, die Versorgung mit billigem Öl aus dem Nahen Osten sicherzustellen – und bewirken damit unermessliches Leid bei der Zivilbevölkerung.
Diese Kriege haben regierungsnahen Rüstungs- und Ölkonzernen Milliarden beschert. Die negativen Folgen tragen andere: Die Zivilbevölkerung der angegriffenen Staaten (in modernen Kriegen sind neun von zehn Opfern ZivilistInnen), aber auch die in den Krieg geschickten Armeeangehörigen. Mehrere tausend von ihnen kehrten nicht von ihrem Afghanistan-Einsatz zurück, viele wurden schwer verletzt oder bleiben ein Leben lang traumatisiert. Oft gelingt es den Rückkehrern nicht, in ihr altes Leben zurückzufinden.

Knast, Untertauchen oder sinnloser Krieg
Viele amerikanische Jugendliche aus der Unterschicht haben sich zum Dienst in der Berufsarmee verpflichtet, um eine Chance auf eine anständige Ausbildung zu bekommen. Dass ihnen grausame Kriegseinsätze bevorstehen würden, in denen sie Unschuldige töten und selbst in Todesgefahr geraten oder getötet werden, haben viele von ihnen vor Kriegsausbruch nicht geahnt oder verdrängt. Nun standen sie vor der Wahl, wegen Dienstverweigerung für Jahre im Gefängnis zu landen, unterzutauchen – oder in einem Krieg zu kämpfen, in dem sie keinen Sinn sehen. In der Schweiz gilt, solange die Wehrpflicht noch existiert: Gesunde Männer mit Schweizer Pass müssen in die Armee, es sei denn, sie stellen erfolgreich ein Zivildienstgesuch oder gehen den «blauen Weg». Im Kriegsfall kennt die Militärjustiz empfindliche Strafen für die Dienstverweigerung. Es lohnt sich also, sich schon in Friedenszeiten zu fragen, ob man tatsächlich bereit wäre, im Auftrag des Staates Menschen zu töten und gegebenenfalls auch sein Leben zu lassen.

Landesverteidigung?
Oft wird gesagt, die Schweizer Armee diene nur der Landesverteidigung. Doch im Rahmen des «Entwicklungsschrittes 08/11» wurde die Armee zunehmend auf Einsätze im Inneren ausgerichtet, z.B. am Weltwirtschaftsforum WEF. Was dabei herauskommt, wenn schlecht ausgebildete Milizsoldaten polizeiliche Aufgaben übernehmen, hat sich beim Generalstreik von 1918 oder beim Einsatz gegen eine antifaschistische Demonstration in Genf 1932 gezeigt: Soldaten schossen damals auf Demonstrierende, es gab Tote. Aber auch Militärinterventionen im Ausland sind seit der Militärgesetzrevision von 2001 kein Tabu mehr. Auch wenn bisher Schweizer Beteiligungen an Militäreinsätzen in Afghanistan oder vor Somalia verhindert werden konnten, hat sich die Schweiz schrittweise an die Nato- und EU-Armeen angenähert. Die Gefahr einer Vermischung von humanitären Motiven mit geostrategischen Interessen ist gross. So wird im «European Defence Paper», einem Strategiepapier für eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik, Szenarien zur offensiven Sicherung der Rohstoffzufuhr mit militärischen Mitteln dargelegt. Liefert ein Staat keine Rohstoffe, so wird das als Angriff gewertet und die Rohstofflieferung soll militärisch erzwungen werden. Mit entsprechenden Folgen für die dortige Bevölkerung. Und für die Soldaten, von denen Gehorsam erwartet wird, auch wenn sie mit einem Krieg möglicherweise nicht einverstanden sind.

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