Von Erdbebenszenarien, Vertrauensbeweisen und Selbstjustiz

Armeechef Blattmann könnte einem leid tun. Einsam versucht er Szenarien herbeizuphantasieren, in denen das Sturmgewehr im Kleiderschrank militärisch von Nutzen sein könnte. Besonders angetan ist unser höchster Angehöriger der Armee vom Erdbeben-Szenario: Während die öffentliche Ordnung zusammenbricht, kämpft der Wehrmann mit seiner persönlichen Waffe in Eigenregie gegen Plünderungen. Wie das angesichts des Einzugs der Taschenmunition genau funktionieren soll, bleibt unklar: Soll das Sturmgewehr ohne Munition als Schlagstock eingesetzt werden? Oder verlässt sich Blattmann auf die Soldaten, die ihre Taschenmunition illegal zurückbehalten haben? Und könnte es nicht doch etwas gefährlich sein, wenn Plünderer in fast jedem Haushalt eine Waffe vorfinden?

Die Mehrheit der GegnerInnen der Waffeninitiative ist indes auf andere Argumente ausgewichen. Dabei sind zwei Hauptstränge auszumachen. Die einen erklären die Waffe im Haushalt mangels eines plausiblen Einsatzszenarios zu einem unverzichtbaren Symbol, zum Vertrauensbeweis des Staates gegenüber dem Bürgersoldaten. Vor der “Zerstörung von Schweizer Werten” warnt denn auch das Plakat des “überparteilichen Komitees gegen die Waffeninitiative” mit dem zerquetschten Lampion. (Was ein zerquetschter Lampion mit der Ordonnanzwaffe zu tun hat, bleibt rätselhaft. Nebenstehend eine plausiblere Variante.)

Das Argument vom Vertrauensbeweis wirft eine Reihe von Fragen auf: Geniessen Frauen, Zivildienstleistende und Dienstuntaugliche kein staatliches Vertrauen? Wenn die Abgabe gefährlicher Gegenstände ein Symbol des Vertrauens ist, weshalb nicht konsequent sein und Sprengstoff freigeben, Panzer in Privatgaragen stellen und den Atommüll in kleinen Häppchen auf alle Haushalte verteilen? Vor allem aber: Ist der universelle Wert menschlichen Lebens nicht auf ein Schweizer Wert? Sollten wir zur Verhinderung von Familiendramen und Suiziden im Affekt nicht bereit sein, liebgewonnene Traditionen aufzugeben? Doch wenn Sachpolitik auf eine Frage der Symbole reduziert wird, sind rationale Fragen vielleicht fehl am Platz…

Nicht minder besorgniserregend ist die zweite Argumentationsschiene, die insbesondere die SVP verfolgt, nämlich das Argument von der Selbstjustiz (auch vom SVP-Plakat zur Illustration eine leicht modifizierte Version). Was vor kurzem auch unter Waffenfans tabu war, wird im Abstimmungskampf plötzlich ganz normal: Der offene Aufruf zum bewaffneten Vorgehen von Privatpersonen gegen Kriminelle. Wenn man sich vor Augen führt, wie Nachbarschaftsstreitigkeiten ausgehen, wenn der Anruf bei der Polizei durch den Griff zur Waffe ersetzt wird, erinnert man sich, weshalb das staatliche Gewaltmonopol vielleicht doch nicht so eine dumme Idee ist…

Für alle, die sich weder für Erdbebenszenarien noch für lebensgefährliche Symbole erwärmen können und sich lieber auf das staatliche Gewaltmonopol verlassen als zur Selbstjustiz zu greifen, bleibt nur eines: JA zur Waffeninitiative am 13. Februar!

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