GSoA-Vollversammlung, Sonntag, 23. November 1997

Weg aus der Verteidigungsfalle!

Vor zweieinhalb Jahren haben wir an einer GSoA-Vollversammlung zum ersten Mal wieder Initiativprojekte für eine Schweiz ohne Armee und eine solidarische Friedenspolitik auf unsere Traktandenliste gesetzt. Im März 1995 und an vier darauffolgenden Vollversammlungen hat die GSoA mit grosser Mehrheit jeweils die Ausarbeitung der zwei vorliegenden Initiativen unterstützt. Die letzten zweieinhalb Jahre waren eine sehr intensive GSoA-Zeit. Es haben unzählige Diskussionen an Seminaren, in der GSoA-Koordination, in Regionalgruppen und mit befreundeten Organisationen stattgefunden. Das Resultat liegt heute auf dem Tisch: Zwei seriös durchdachte und ausformulierte Initiative, mit denen wir in der Schweiz etwas verändern wollen.

Wir wissen sehr wohl: Man kann das gleiche Tabu nicht zweimal brechen. Es wird diesmal eine andere Diskussion geben. Aber wer glaubt, die erste GSoA-Initiative habe ein für allemal die offizielle Sicherheitspolitik auf die richtige Reformschiene bebracht, der macht es sich sehr einfach. Wir müssen uns heute nach wie vor mit der Armee auseinandersetzen. Nicht mehr mit der heiligen Kuh - sondern mit der real exisiterenden.

Die Armee hat ihren Feind verloren und sucht verzweifelt nach einer neuen Legitimation. Sie versucht uns dabei vorzugaukeln: "Euer Frieden und eure Sicherheit ist unsere Armeeaufgabe" und "Die Armee garantiert Sicherheit in allen Lebenslagen". "Frieden produzieren und nicht konsumieren" ist der neue Lieblingsslogan von Bundesrat Ogi. Und Frieden machen will er mit der Schweizer Armee. Unsere Antwort auf diese neuen Militärphantasien ist klar: Die Armee ist ein Sicherheitsrisiko. Es gibt eine ganze Reihe von Problemen, mit denen wir uns heute und in Zukunft auseinandersetzen müssen. In der Schweiz und weltweit führen soziale Unterschiede zu Konflikten. Die reale Gleichberechtigung von Frauen, ein zukunftsträchtigerer Umgang mit den ökologischen Ressourcen und ein Ausbruch aus der Isolation sind die Herausforderungen der Zukunft. Die Armee ist aber auf keine dieser brennenden Fragen eine Antwort. Im Gegenteil: Sie ist kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. Sie bindet einerseits dringend notwendige Ressourcen und steht andererseits für ein falsches Konfliktverständnis: Sicherheit durch Kontrolle, mit der Armee haben wir alles im Griff.

Die Armee ist wesentlich dafür verantwortlich, dass wir heute in der Verteidigungsfalle sitzen. Über Jahrzehnte war sie die Verkörperung der schweizerischen Abschottungspolitik: Wir können und wir müssen uns gegen den Rest der Welt autonom verteidigen. Und heute wundern wir uns, wenn für zu viele SchweizerInnen Europa und die Welt an der Schweizer Grenze aufhört. All diese Missverständnisse können wir uns nicht mehr leisten.

Unsere Initiativen sollen ein klares Zeichen dafür sein, dass wir Sicherheit und Frieden nicht an die Militärstrategen delegieren wollen. Wir fordern, dass die Schweiz einen sinnvollen zivilen Beitrag zu einer internationalen Sicherheits- und Friedenspolitik leistet. Die Aussenpolitik der Schweiz darf nicht militarisiert werden, nur weil die Schweizer Armee nicht weiss, was sie sonst tun könnte.

Mit der «Initiative Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst» wollen wir zivile Projekte der gewaltfreien Konfliktbearbeitung fördern und gegen vermeintliche Lösungen argumentieren, die uns die Armeen heute schmackhaft machen wollen. Friede ist das Resultat eines langfristigen gesellschaftlichen Prozesses und kann nicht durch militärische Eingreifftruppen, die weltweit für Gerechtigkeit und Demokratie sorgen, erarbeitet werden.

Mit der «Initiative Sicherheit statt Verteidigung: Für eine Schweiz ohne Armee» wollen wir die Armee dorthin stellen, wo sie hingehört: Zum alten Eisen. Und nicht weiter zuschauen, wie sie versucht, sich einen schlechten Rostschutzanstrich für die nächsten zehn Jahre zu verpassen.

Heute geht es um den Entscheid, ob wir diese beiden Projekte auf den Weg schicken wollen, um in der Schweiz etwas in Bewegung zu bringen. Der Antrag der GSoA-Koordination ist, die Initiativen zu unterstützen und am 17. März 1998 zu lancieren. Legen wir los!

Nico Lutz