Aufgrund der Risikoanalyse, der Umsetzung des Leistungsprofils in militärische Operationen sowie
der daraus abgeleiteten Leistungen ergibt sich folgender Mittelansatz:
Die beschränkte Zahl rasch verfügbarer Verbände, limitierte finanzielle Ressourcen,
die Auflagen der einsatzorientierten Ausbildung und die Vielzahl der erwähnten Einsatzoptionen
werden zwangsläufig zu einer Auswahl führen müssen. Simultanität sämtlicher
genannter Einsätze ist nicht realistisch.
Katastrophenhilfe, PSO-Einsätze sowie Einsätze unterhalb der Kriegsschwelle (MOOTW)
dürften nach heutigem Ermessen auch dann fortgesetzt werden, wenn HVK und Reserven in
terrestrischen Konflikten involviert sind.
Analog den heutigen "Weisungen des GSC für die Bereitschaft der Armee" müssen
für die Armee XXI sowie für deren Grosse Verbände und Truppenkörper die
operationelle bzw Einsatzbereitschaft im Rahmen einer vertieften Studie neu definiert
werden. Es handelt sich um die folgenden Komponenten: Führungsbereitschaft, -
Ausbildungsbereitschaft, Bestandesbereitschaft, Ausrüstungsbereitschaft und
Logistikbereitschaft. Der Inhalt dieser Begriffe muss neu auf die Bedürfnisse der
Interoperabilität ausgerichtet sein.
Die vorgängig beschriebene Mechanik der Bereitschaftserhöhung stellt neue und
höhere Anforderungen, auch an die politische Führung.
7.2 Krisenreaktionskräfte
Krisenreaktionskräfte (KRK) sind Kräfte, die aus dem Stand bzw nach kurzer
Vorbereitung in der Lage sind, die aus dem Leistungsprofil abgeleiteten Aufträge, die
in diesen zwei zeitlichen Segmenten zum Tragen kommen, zu erfüllen. Grösse
und Zusammensetzung ergeben sich aus dem errechneten Mittelansatz.22
Bei der Erhöhung der Einsatzbereitschaft spielen die KRK eine zweifache Rolle.
Erstens werden sie eingesetzt, um eine Bedrohung abzuwehren, bis die HVK "aufgefahren" sind.
Zweitens können sie mindestens teilweise bei der Bereitschaftserhöhung von HVK und
Reserven die Funktion eines "Ausbildungsmultiplikators" übernehmen, sofern sie nicht
anderweitig verwendet werden.
Spezifisch schweizerische Bedürfnisse ergeben sich daraus, dass die Schweiz in keiner Allianz
integriert ist und dementsprechend keine Verpflichtungen eingegangen ist. Somit entfällt
vorläufig das Bedürfnis nach einer starken "Force Projection Capability".
Es ist darauf hinzuweisen, dass KRK durch ihren erhöhten Anteil an Berufspersonal Kostentreiber
sind und ihr Umfang demzufolge quantitativen Beschränkungen unterliegt.
Grundsätzlich sind in den Segmenten "Aus dem Stand" und "Nach kurzer Vorbereitung" - welche
durch die KRK abgedeckt werden - die in den vorgängigen Tabellen dargestellten Kräftemodule
erforderlich.23 Eine mögliche Struktur der KRK ergibt sich durch die Zusammenstellung
der definierten Kräftemodule:
Krisenreaktionskräfte "Aus dem Stand":
Darstellung: Krisenreaktionskräfte "Aus dem Stand"
Aus den oben dargelegten Überlegungen lassen sich die Konturen des notwendigen Kräfteansatzes ableiten:
- Für alle Einsätze ist ein professioneller Einsatzstab unabdingbar. Dieser
verfügt über ausreichend Berufsoffiziere und -unteroffiziere. Ausserdem sind
die Führungseinrichtungen permanent besetzt und einsatzbereit.
- Für MOOTW-Einsätze sind in der Regel auch Elemente von SOF, ClMIC-Spezialisten
sowie ausreichende Militärpolizei-Kräfte bereitzustellen. Diese sind auch für
humanitäre Notstandseinsätze und Evakuationen geeignet.
- Einfachere Schutzaufträge, Katastrophenhilfe (Ausnahme: Katastrophenhilfe im Ausland)
und Spontanhilfe können von Wehrpflichtigeneinheiten aus dem Stand durchgeführt werden,
wenn diese in eine hohe Bereitschaft versetzt werden. Diese ökonomische
Lösung erlaubt es, den Anteil an Berufs- und Zeitsoldaten innerhalb der KRK auf ein
Minimum zu beschränken.
- Schliesslich setzen fast alle Einsätze die Unterstützung durch professionelle
Elemente der Luftwaffe voraus.
Krisenreaktionskräfte "Nach kurzer Vorbereitung":
Darstellung: Krisenreaktionskräfte "Nach kurzer Vorbereitung"
Der bewusst knapp bemessene Kräfteansatz der "Mittel der ersten Stunde" setzt voraus,
dass diese durch die zweite Staffel relativ schnell abgelöst werden müssen.
Erste Schätzungen haben ergeben, dass es für Schutzaufgaben im Rahmen von
MOOTW-Einsätzen aus dem Stand 3 Bataillone von Durchdienern bedarf, wenn immer
eines davon (nach einem zu bestimmenden Turnus) die einsatzspezifische Ausbildung
abgeschlossen hat und auf Pikett (1 Woche) gestellt wird. Der gleiche
Kräfteansatz - drei Katastrophenhilfe-Bataillone, von denen eines aus dem Stand
einsatzbereit ist - gilt für Einsätze im Bereich der Katastrophenhilfe.
Schliesslich müssen Entminungsspezialisten (Kampfmittelbeseitigung, KAMIBES) nach
kurzer Vorbereitung in der Lage sein, einen humanitären Notstandseinsatz zu begleiten.
Mit der gewählten abgestuften Einsatzhereitschaft kann somit das gesamte Spektrum
der möglichen Einsätze bewältigt werden.
Folgende Einsätze können realistischerweise "Aus dem Stand'' erwartet werden:
- MOOTW/Domestic Emergencies: Katastrophenhilfe;
- MOOTW/Humanitarian Assistance: Non-Combatant Evacuation und Schutz von Personen,
Einrichtungen und/oder Gütern (Ausland);
- MOOTW: Security Operations;
- Sicherstellen der strategischen Führungsfähigkeit (inkl Information Assurance);
- Air Policing.
Bei der Verwendung von Milizformationen im Rahmen der KRK sind folgende zwei einschränkende
Kriterien in Betracht zu ziehen:
- Ausgeschlossen für Milizpersonal sind Einsätze, für welche die Alarmierungszeit
so kurz ist, dass nur Berufspersonal innerhalb nützlicher Frist einberufen und eingesetzt
werden kann;
- Es kommt ebenfalls nur Berufspersonal in Frage, wenn die gestellte Aufgabe so anspruchsvoll
ist, dass sie nur von spezialisierten Kräften erfüllt werden kann.
Entsprechend diesen Kriterien müssen in den ersten 2 Segmenten folgende Leistungen von Profis
wahrgenommen werden: Alle Einsätze "Aus dem Stand'' (Ausnahmen: Katastrophenhilfe und
Limited Security Operations) sowie bei den Einsätzen "Nach kurzer Vorbereitung" die Leistungen
Emergency Demining und Limited Counter Air.
Das hier dargelegte System der abgestuften Einsatzbereitschaft hat unmittelbare Konsequenzen
auf die Definition von Sustainability-Zielen für die jeweiligen Kräftemodule. Für
die KRK müssen diese Ziele so definiert werden, dass spezialisierte Verbände relativ
kurzfristig durch Einheiten von Wehrpflichtigen abgelöst werden können. So sind sie
für weitere Krisen wieder freigestellt, was zur Handlungsfreiheit der Führung beiträgt.
Die Durchhaltefähigkeit bezüglich einer Operation lässt sich deshalb in
Sustainability-Ziele für die vorgesehenen Truppenkörper und deren Alimentierung durch
weitere Kräfte herunterbrechen. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass zB
3 bis 7 Mal mehr Formationen derselben
Grösse bereitgestellt werden müssen, damit die friedensunterstützende Operation
eines Truppenkörpers oder Verbandes alimentiert werden kann.
Es bedeutet aber auch, dass Operationen im 3. und 4. Segment des Mittelansatzes (mittelfristig bzw
langfristig) wegen ihrer potentiellen Dauer eine viel höhere Durchhaltefähigkeit voraussetzen.
Im Rahmen der abgestuften Einsatzbereitschaft ist es nicht mehr möglich (wenn es überhaupt
je möglich war), allgemeine Sustainability-Ziele für das Gesamtsystem Armee zu definieren.
Solche Ziele sind unter anderem von politischen Sachzwängen mitbestimmt. Deshalb geht es für
die Armee XXI vorerst darum, für jede Operationsart realistische und auf "Lessons Learned"
abgestützte Sustainability-Ziele zu definieren.
Die Summe der pro Operation definierten Sustainability-Ziele ergibt die Mindestanforderung an die
Durchhaltefähigkeit der Armee zur Erfüllung des Leistungsprofils.
8 Aufwuchsfähigkeit und Aufwuchs
Der geforderte Aufwuchs der Armee XXI muss in Kooperation mit in- und gegebenenfalls mit
ausländischen Partnern gestaffelt, selektiv oder aber in einem Zug erfolgen können.
Er deckt schwergewichtig die Restrisiken der Aggregatzustände "Worst Case" und
"High Pressure" ab.
Zur Auslösung eines Aufwuchses bedarf es der Erweiterung der politischen, finanziellen
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Armee XXI durch das Parlament, was den Aufwuchs
als einen qualitativen und strukturellen Quantensprung stipuliert.
Die Vorwarnzeit eines Aufwuchses besteht aus der Reaktionszeit, der politischen Entscheidfindung
und aus dem Zeitbedarf für den definierten Aufwuchs.
Darstellung: Vorwarnzeit für Aufwuchs und Erhöhung der Einsatzbereitschaft.
Der auslösende Faktor eines Aufwuchses ist die definierte Differenz zwischen der
maximalen Bereitschaft der Armee XXI und dem bedrohungsgerechten Sollzustand. Droht
die maximale Bereitschaft nach einer definierten Vorwarnzeit unter den bedrohungsabhängigen
Sollzustand zu sinken, so ist der Zeitpunkt einer Auslösung erreicht. Umfang und Substanz
des Aufwuchses wird durch diese Differenz der beiden Grössen vorgegeben.
Der SIPOL B 2000 verlangt als Grundlage eines Aufwuchses der Armee XXI die Aufrechterhaltung
von glaubwürdigen Kernfunktionen in den Bereichen Sicherungs-, Schutz- und Verteidigungs-fähigkeit.
Somit gehört die Aufrechterhaltung dieser Kernfunktionen zum Mengengerüst der Armee XXI.
Um die Aufwuchsfähigkeit sicherstellen zu können, müssen also Führung, Strukturen,
Ausrüstung und Ausbildung der Armee XXI die Aufrechterhaltung der Kernfunktionen in glaubwürdigem
Umfang ermöglichen.
Zur Sicherstellung der Aufwuchsfähigkeit gehören auch die kontinuierliche Planung und die
Strukturen der Führung eines Aufwuchses. Die Vorbereitung ist eine interdisziplinäre Aufgabe auf
strategischer Stufe. Sie beinhaltet folgende Bereiche/Amtstellen: SND, Lenkungsgruppe Sicherheit, Rüstung,
Armeeführung und Politik. Diese "Arbeitsgruppe Aufwuchs" sollte von der departementalen
Aufgabenstellung her im VBS eingegliedert sein. Dieser Arbeitsgruppe obliegen
kontinuierliche Lagebeurteilung, Vorbereitung und Auslösung der politischen Entscheidfindung
und die Formulierung strategischer Vorgaben zu Handen von Doktrinschöpfung, Armeeplanung und
Rüstung.
9 Logistik
Interoperabilität
Das Logistiksystem muss bezüglich der prozessualen Ausgestaltung sowie der Ausrüstung
derart flexibel aufgebaut sein, dass es in der Lage ist, vereinbarte Logistikleistungen
gleichermassen im multinationalen Umfeld wie im Inland zu erbringen.
Ökonomie
Die Logistik muss im Sinne eines Kräftemultiplikators (force multiplier) und unter optimaler
Nutzung der verfügbaren Ressourcen, konsequent darauf ausgerichtet sein, die in verschiedenen
Teilprozessen produzierten Logistikleistungen schnell und präzise dorthin zu liefern, wo dies
für den Erfolg der Ausbildung sowie von Operationen aller Art entscheidend ist.
Technologie
Insbesondere im Teilprozess Instandhaltung muss sich die Logistik auf eine weitgehende technologische
Kooperation mit der schweizerischen und zunehmend auch mit der internationalen Industrie ausrichten.
Hierfür sind entsprechende Resultate aus einem systematischen Entscheidungsprozess in die
militärische Gesamtplanung einzubringen (Instandhaltung: "make or buy").
Definition des Logistiksystems
Die Logistik der Armee ist ein nach einheitlichen Grundsätzen gestaltetes System von Prozessen
der Unterstützung, welches Logistikleistungen in Kooperation im Innern und international nahtlos
über jede Lage für die Ausbildung und für alle Operationen der Teilstreitkräfte
der Armee sowie für den Bevölkerungsschutz zu erbringen vermag.
Ziel des Logistiksystems der Armee ist es, die Mittel am Bedarf der Operation orientiert, schnell
und präzis den Leistungsempfängern zuzustellen, damit diese ihre bestmögliche
Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit zur Auftragserfüllung erreichen und
aufrechterhalten können.
Im weitesten Sinne geht es um alle Aspekte militärischer Operationen und logistischer
Leistungserbringung in den Bereichen:
- Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Lagerung, Transport, Distribution, Instandhaltung,
Evakuation und Disposition von Material25;
- Transport bzw Evakuation von Personen;
- Beschaffung oder Bau, Betrieb und Disposition sowie Instandhaltung von Infrastruktur für
die Ausbildung und für den Einsatz;
- Beschaffung oder Zurverfügungstellung von Dienstleistungen;
- Unterstützung in den Bereichen Medizin und Gesundheit.
Ebenen des Logistiksystems
Auf sicherheitspolitischer Stufe basiert das Logistiksystem der Armee auf einer effizienten
Wirtschafts-(Sicherheits-)Politik und einer entsprechenden Leistungsfähigkeit der
schweizerischen Volkswirtschaft sowie deren Industriepotential in optimaler nationaler und
internationaler Kooperation.
Auf militärstrategischer Stufe geht es um Erreichung und Erhaltung der Fähigkeit
der Armee zum reibungslosen Zusammenwirken und um gegenseitige Unterstützung sowohl im
nationalen als auch im multinationalen Umfeld.
Auf operativer Stufe plant und führt die Armee das Logistiksystem zentral nach
militärökonomischen Grundsätzen und erbringt Logistikleistung dezentral unter
Beachtung eines optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
Auf taktischer Stufe sorgen präsente Logistikformationen mit einem ausgewogenen
Verhältnis von zivilen Angestellten, Durchdienern, Zeitsoldaten sowie aktiver Miliz
dafür, dass militärische Verbände und andere Leistungsempfänger in der
Ausbildung wie im Einsatz jederzeit die bestmögliche logistische Unterstützung erhalten.
Logistikprozess und logistische Teilprozesse
Der Logistikprozess ist eine Bündelung verschiedener, logistischer Teilprozesse entsprechend
der Logistikdefinition. Die logistischen Teilprozesse sind darauf ausgerichtet, den in der
Ausbildung und im Einsatz stehenden Formationen der Teilstreitkräfte optimal auf ihre
Bedürfnisse abgestimmte Logistikleistungen zeit- und ortsgerecht zu erbringen.
Darstellung: Logistikprozesse und logistische Teilprozesse.
Darstellung: Räumliche Gliederung der logistischen Teilprozesse.
Weiterentwicklung des Logistiksystems
Es wird nachfolgenden Konzeptionsstudien der Logistik anheimfallen, die wünschbare
Standardisierungs- bzw Interoperabilitatsstufe (bezüglich Compatitility, interoperability,
Interchangeability und Commonality) zu definieren sowie die daraus hergeleiteten
Logistikprozesse und Strukturen weiter zu detaillieren.
Antrag 5:
Den logistischen Grundsätzen für die Armee XXI sei zuzustimmen.
(vgl insbesondere Kapitel 9)