Buchbesprechung: Milizmythos

Bürger, Soldat?

(mt.) Ob biederes Provinzblatt oder noble Tageszeitung, kaum eine Woche vergeht, ohne dass Leitartikel und Editorials erscheinen zur populärsten Streitfrage schweizerischer Sicherheitsexperten am Ende des 20. Jahrhunderts: Miliz- oder Berufsarmee? Solch vordergründiger Aktualität misstraut Tobia Schnebli in seinem Buch "Le citoyen-soldat: aux origines d’un mythe". Seine Analyse zeigt auf, wie sehr die heutige Diskussion über die Milizarmee von Prozessen geprägt ist, die weit ins letzte und vorletzte Jahrhundert zurückreichen und ihren Ursprung in Auseinandersetzungen um die Französische Revolution haben.

Zentraler Gegenstand seiner Untersuchung ist das Jahrzehnt zwischen 1789 und dem Brumaire-Umsturz vom November 1799, als Napoleon die ganze Macht an sich riss. Nach einem einleitenden Abriss über den helvetischen Mythos der allgemeinen Wehrpflicht geht der Verfasser den historischen Wurzeln des «Bürger-Soldaten» und der damit verbundenen Militarisierung der Gesellschaft nach. Dass sich die Militär-Geschichtsschreibung um diese Thematik grösstenteils foutiert hat, ist nachvollziehbar. Bedenklich ist aber, dass eine kritische Auseinandersetzung gerade jenen Linken im Lande abgeht, welche in ihrer Unruhe das kommende Heil ausgerechnet in einer Berufsarmee erblicken. Die hier auf ausserordentlich verdienstvolle Weise zusammengetragenen Gedanken und Zitate zeugen von einer grossen Sachkenntnis, die der Autor mit unprätentiöser Sprache zu vermitteln weiss. «Niemals lösen zwanzigbändige Werke eine Revolution aus; die kleinen Taschenbücher sind zu fürchten», bemerkte einst Voltaire. Möge dieses Traktat dazu beitragen, der Schweizer Armee den Abgang zu blasen!