Zivildienst-Kolumne

Während die Behörden im ersten Zivildienstjahr von der Anzahl der eingehenden Zivildienstgesuche völlig überfordert waren, wurden in den letzten paar Monaten nur noch wenige Gesuche eingereicht. Grund für viele, kein Gesuch einzureichen, dürften berufliche Überlegungen sein: Kaum ein Arbeitgeber toleriert heute längere Abwesenheiten. So soll es auch in den letzten Monaten wiederholt vorgekommen sein, dass Gesuche auf Druck des Arbeitgebers zurückgezogen wurden. Die vielen Gesuche im ersten Zivildienstjahr ñ insgesamt über 1800 ñ rührten natürlich auch aus einem gewissen Nachholbedarf: Manch einer hat jahrelang auf die Möglichkeit gewartet, ein Zivildienstgesuch einzureichen.

Auch die Arbeit auf der Zürcher Beratungsstelle für Militärverweigerung und Zivildienst zeigt Verschiebungen. Wir stellen fest, dass der Zivildienst nur unzulänglich bekannt ist; viele verwechseln ihn mit dem Zivilschutz. Andere haben schon genug, wenn sie hören, dass der Zivildienst länger dauert. Zudem hat sich die andere Alternative zum Militärdienst weit mehr herumgesprochen ñ der «blaue Weg» mittels ärztlicher Gutachten.

Durch den Gesuchsrückgang werden die Wartefristen bis zum Zivildienstentscheid kürzer. Mussten viele Gesuchsteller im vergangenen Jahr von der Einreichung bis zum schriftlichen Entscheid fast ein Jahr warten, kann nun endlich der Pendenzenberg von über tausend Gesuchen abgetragen werden. Auch Deutschschweizer Gesuchsteller werden damit bald innert sechs, später innert drei Monaten ihren Entscheid in der Tasche haben.

Die Behörden setzen weiter alles daran, noch weniger Anhörungen durchführen zu müssen. Die Anforderungen dafür wurden in die Höhe geschraubt. Verlangt wird nun ausdrücklich eine ethische Begründung schon bei Einreichung des Gesuchs, sonst wird gar nicht darauf eingetreten. Diese Änderung widerspricht aber dem Zivildienstgesetz: Bewusst hatte man schon im Parlament auf die Erfordernis eines Gewissenskonfliktes aus ethischen Gründen verzichtet. Im Parlament hatte man noch davon gesprochen, dass durch die persönliche Anhörung alle die gleichen Chancen hätten, auch jene, die sich schriftlich nicht so gut ausdrücken könnten. Nun kommt, wer mit der schriftlichen Begründung Mühe hat, gar nicht mehr bis zur Anhörung. Der Beizug einer Beratungsstelle bei der Gesuchserstellung wird dabei noch notwendiger.

Ruedi Winet